"Unsägliche Debatte" Berlin legt Vertriebenen-Streit bei
11.02.2010, 16:40 Uhr
Steinbach ist seit 20 Jahren auch CDU-Bundestagsabgeordnete.
(Foto: APN)
Der monatelange Streit um die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" ist beendet: Die umstrittene Chefin des Bundes der Vertriebenen, Steinbach, verzichtet auf einen Posten im Stiftungsrat. Dafür erhält der Vertriebenenbund nun drei Sitze mehr im Beirat, dessen Mitglieder künftig vom Bundestag und nicht der Bundesregierung benannt werden.
Die Fraktionschefs der schwarz-gelben Koalition haben sich in Berlin mit dem Bund der Vertriebenen (BdV) auf einen Kompromiss geeinigt. Die umstrittene BdV-Präsidentin Erika Steinbach (CDU) verzichtet auf einen Sitz im Stiftungsrat, dafür werden dessen Mitglieder nun vom Bundestag und nicht von der Regierung benannt. "Es gibt weder Gewinner noch Verlierer, ich glaube insgesamt gewinnt die Stiftung", sagte Steinbach zu dem Kompromiss, den das BdV-Präsidium einstimmig billigte.
Der Einigung zufolge wird die Zahl der Sitze, die der BdV im Stiftungsrat hat, von drei auf sechs erhöht. Auch andere Organisationen wie die Kirchen oder der Bundestag erhalten mehr Sitze im Stiftungsrat, wodurch sich die Mitgliederzahl von 13 auf nun ingesamt 21 erhöht. Die evangelische und die katholische Kirche sowie der Zentralrat der Juden können jeweils zwei Mitglieder benennen. Weitere Vorschläge kommen vom Auswärtigen Amt, dem Innenministerium und dem Kulturbeauftragten; vier Mitglieder wählt der Bundestag aus den eigenen Reihen.
Die Stiftung bleibt anders als vom BdV verlangt unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums. Die Ausstellungfläche wird von rund 2250 auf 3000 Quadratmeter ausgebaut.

Steinbach informiert den Bund der Vertriebenen über die Einigung.
(Foto: dpa)
Besonders strittig war in den vergangenen Monaten der vom BdV gewünschte Einzug Steinbachs in den Stiftungsrat. Vor allem die polnische Regierung hatte aus ihrem Unmut darüber keinen Hehl gemacht, denn Steinbach wird in dem Nachbarland unter anderem vorgeworfen, dass sie 1991 der Oder-Neiße-Grenze nicht zustimmte.
Westerwelle zufrieden
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte daher mit seinem Veto im Kabinett gegen die Benennung Steinbachs gedroht und vor außenpolitischem Schaden gewarnt; die Union unterstützte hingegen Steinbach. Deshalb hatte der Streit auch das Regierungsbündnis belastet. Nun begrüßte auch Westerwelle den Kompromiss: Die künftig vorgesehene Wahl der Stiftungsrat-Mitglieder durch den Bundestag gewährleiste, dass "außenpolitische Belange" beachtet würden.
Steinbach ging davon aus, dass die Wahl der Stiftungsrat-Mitglieder durch den Bundestag eher dem BdV nützen werde. Sie erinnerte - ohne Westerwelle zu nennen - daran, dass sich manche in der Bundesregierung unter Druck aus dem Ausland gefühlt hätten. Die "unsägliche Debatte" der vergangenen Monate sei "zutiefst verletztend" für ihren Verband gewesen. Nun wolle sie aber nicht mehr zurück, sondern nach vorne blicken. Steinbach ging davon aus, dass die Stiftung mit ihrem Dokumentationszentrum zu Vertreibungen in etwa drei Jahren arbeitsfähig sein werde.
Steinbach hatte zuvor mehrere Stunden mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) sowie mit Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich und FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger beraten, die sich ebenfalls erleichtert über die Einigung zeigten. Kauder sprach von einer "geradezu harmonischen Veranstaltung". Laut Homburger hat die Koalition mit dem Kompromiss ihre Handlungsfähgkeit unter Beweis gestellt. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt lobte ähnlich wie sein CDU-Kollege Hermann Gröhe, dass Steinbach mit ihrer "selbstlosen Haltung" den Kompromiss ermöglicht habe.
Opposition sieht Regierung erpresst
Die Opposition hielt der Koalition vor, sie habe sich dem Druck des BdV gebeugt. "Union und FDP haben sich erpressen lassen", erklärte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck hielt der Koalition "Klientelismus" vor. Wie die Linke kritisierten auch SPD und Grüne die höhere Sitzzahl für den BdV im Stiftungsrat.
Dem Kompromiss müssen nun noch die Bundestagsfraktionen von Union und FDP sowie die Basis des BdV zustimmen. Dann soll möglichst schnell das entsprechende Gesetz geändert werden. Der BdV hat sich noch nicht auf seine künftigen Mitglieder für den Stiftungsrat festgelegt.
Quelle: ntv.de, AFP/rts