Debatte um Raketenschild Berlin will Moskau einbinden
11.04.2007, 14:27 UhrIn der Debatte um den von den USA geplanten Raketenschutzschirm in Europa besteht die Bundesregierung auf einer engen Einbindung Russlands, vermeidet aber weiter eine klare eigene Positionierung. Die Führung in Moskau müsse "auf das intensivste einbezogen werden", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Mittwoch in Berlin. Der russische Außenminister Sergej Lawrow bekräftigte die ablehnende Haltung seiner Regierung und warnte, Europa stehe in dieser Frage an einem Scheideweg.
Wilhelm stellte klar, dass innerhalb der Regierung nicht über eine Stationierung von Teilen des Abwehrsystems in Deutschland nachgedacht werde. Dies hatte der CSU-Politiker Eduard Lintner gefordert. Die USA wollen mit dem Abwehrsystem Angriffe etwa aus dem Iran abwehren. Teile des aus nicht mit Sprengköpfen ausgestatteten Raketen und Radarstationen bestehenden Systems sollen in Tschechien und Polen stationiert werden.
Wilhelm betonte, es sei "geschlossene und gemeinsame Position" der Regierung, dass die Diskussion um den Raketenschirm innerhalb der Nato geführt werden müsse. Zur eigenen Position der Regierung sagte ihr Sprecher, Deutschland wolle versuchen, dass es in der Raketen-Frage eine einheitliche europäische Position gebe. In den die Regierung tragenden Parteien gibt es seit Wochen heftigen Streit um das Thema. Vor allem Politiker der Union, darunter auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung, signalisieren Unterstützung für das US-Projekt. SPD-Chef Kurt Beck hatte seine Partei aber mehrfach auf ein Nein eingeschworen und argumentiert, ein neues Wettrüsten müsse verhindert werden. Die USA hatten diese Kritik angesichts des nur wenige und zudem nicht mit Sprengköpfen ausgestattete Raketen umfassenden Systems als absurd zurückgewiesen.
Lawrow bezweifelt Gefahr
Lawrow wandte sich in einem Gastkommentar in der "Financial Times Deutschland" direkt an ein deutsches Publikum: "Wir sind davon überzeugt, dass weder heute noch in absehbarer Zukunft eine derartige Bedrohung für Europa und die USA besteht", begründete er die Ablehnung des Raketenschilds. Europa stehe an einem Scheideweg: "Jedes einseitige Raketenabwehrprojekt würde die geostrategische Landschaft des Kontinents verändern", warnte Lawrow. Dadurch würden zudem paneuropäische und multinationale Organisationen abgewertet. Russland sei bereit, sich in jeder Form an der Diskussion über das US-Raketenabwehrsystem zu beteiligen.
Die Debatte um die Notwendigkeit des Raketenschirms war durch die Ankündigung der iranischen Regierung verschärft worden, nun in der Lage zu sein, Uran in industriellem Umfang anreichern zu können. Der CDU-Außenexperte Ruprecht Polenz bekräftigte, man müsse über den US-Raketenschutzschild reden. "Schon bei der nächsten Reichweitensteigerung liegt Mitteleuropa in der Reichweite potenzieller iranischer Raketen", sagte er der "Berliner Zeitung". Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Walter Kolbow widersprach: "Jetzt die Schlussfolgerung zu ziehen, das umstrittene US-Raketenabwehrsystem müsse installiert werden, halte ich für falsch." Der SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen plädierte in der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" dafür, die jüngste 60-Tage-Frist der UN-Resolution gegen den Iran abzuwarten und die Sanktionen notfalls noch einmal zu verschärfen.
Die islamische Republik steht im Verdacht, heimlich Atomwaffen zu entwickeln. Die UN hatten das Land daher wiederholt aufgefordert, sein Programm zur Uran-Anreicherung zu stoppen, und diese Forderung mit Sanktionen unterstrichen.
Quelle: ntv.de