Politik

Und immer ist die Merkel schuld Berlusconi sucht neue Ausreden

Auch wenn Berlusconi die Wahl nicht gewinnen kann, kann er sich zumindest erneut vor Haftbefehlen schützen.

Auch wenn Berlusconi die Wahl nicht gewinnen kann, kann er sich zumindest erneut vor Haftbefehlen schützen.

(Foto: REUTERS)

Italiens Ex-Regierungschef will zurück an die Macht. Europa hatte ihn einst aus dem Amt gekippt, jetzt kippt er den Kontinent erneut in die Krise. Seinen Landleuten will er vermitteln, dass die Deutschen an allem schuld sind. Doch das zieht nicht mehr. Die Italiener sind lernfähig, auch wenn sie laut Berlusconi nicht sehr "helle" sind.

Schuld ist immer die Angela. Etwas verkürzt, aber das ist die Wahlkampflinie Berlusconis. Das Ganze mit ein paar aus dem Zusammenhang geklaubten Zahlen aufgebauscht, mit ein paar Ressentiments gegen Deutsche gewürzt, gegen die arrogante und schulmeisterliche Merkel und ihren Finanzminister. So erklärte es mir der ehemalige Minister Berlusconis, Renato Brunetta, live im italienischen Fernsehen "La 7", im Streitgespräch "8 ½".

Berlusconi mit seiner aktuellen Freundin Francesca Pascale. Offiziell ist die 26-Jährige seine Beraterin.

Berlusconi mit seiner aktuellen Freundin Francesca Pascale. Offiziell ist die 26-Jährige seine Beraterin.

(Foto: dpa)

Angesichts der Chuzpe des Ministers die Fakten zu seinen Gunsten umzudeuten schaute Talkmeisterin Lilly Gruber nur noch Brunetta großäugig. Der Euro habe Italien schlecht getan, nur die Deutschen bereichert und die EZB Italien nie geholfen? So einfach gestrickt ist Berlusconis Wahlkampfstrategie. Ob das wohl noch trägt? Auf meinen Einwand, dass es schon komisch sei, den massiven Kauf von italienischen Staatstiteln im Sommer 2011 zugunsten der damals noch Berlusconi-Regierung zu leugnen, fiel dem Minister nichts ein, außer das Eingreifen der EZB zugunsten Italiens - Frankfurt kaufte über 50 Milliarden Euro italienische Staatstitel - schlichtweg zu leugnen, indem er behauptete, die EZB habe massiv italienische Schuldtitel aufgekauft, weil dies ein gutes Investment sei. Wegen der hohen Zinsen eben. Was soll man da noch sagen? Betreten wegschauen? Mitleidig lächeln? Oder an die Zuschauer denken, die bis heute mit Finanzmärchen dieser Art rund um die Uhr gefüttert wurden, also anderes nicht kennen?

Es ist schon traurig. Ein Minister, der die Lächerlichkeit nicht scheut. Nur um zu den letzten Treuen zu gehören, die noch auf dem Mini-Karren Berlusconis in der nächsten Legislaturperiode sitzen? Natürlich ist das Gegenteil wahr. Als Mario Draghi im Sommer die Bazooka herausholte und mit dem unbegrenzten Kauf von Schuldtitel der Problemländer drohte, die Märkte umgehend einknickten und gerade Italien wieder billig an Geld kam, war dies vor allem ein Werk der deutschen Kanzlerin – viele Italiener wissen das, Berlusconi muss das ableugnen.

Das Spielzeug ist kaputt

Die Fakten zu leugnen und anderen die Schuld zu geben: Bis heute hat das in der italienischen Politik immer bestens funktioniert. Doch heute ist das Spielzeug, wie man auf Italienisch sagen würden, kaputt: il giocattolo si è rotto. Die Schuld an der eigenen Misere der bösen Angela Merkel zu geben, ist lächerlich. Es funktioniert immer weniger. Sicher, wenn man die 11 Prozent Berlusconi-Wähler mit den 5 Prozent Liga Nord Anhängern und den 15 Prozent Proteststimmen der Bewegung Beppe Grillos zusammenrechnet, ist das Anti-Europa-Protestpotential immer noch beträchtlich. Aber nicht mehr mehrheits- oder koalitionsfähig.

Heute erinnern sich zum Glück immer mehr Italiener, dass Berlusconi seit der Einführung des Euro praktisch ununterbrochen regiert hat, dass Berlusconis "Goldene Zeit" von 2001 -2006 sich vor allem auf die billige Verschuldung zu deutschen Zinsen (Zinsabstand deutscher zu italienischen Titel für 7 Jahren: 20 Punkte) beruhte. Über eine halbe Billion Euro neuer Schulden hat Berlusconi als Regierungschef aufgehäuft. Natürlich sind die Italiener nicht glücklich über die Spar- und Steuernrauf-Arie von Mario Monti. Aber sie wissen, dass er das Richtige getan hat.

Montis Politik greift

Monti unterwegs in Mailand mit seiner Tochter Federica.

Monti unterwegs in Mailand mit seiner Tochter Federica.

(Foto: dpa)

Als Monti vor einem Jahr an die Macht kam, trat er mit düsterem Gesicht vor die Italiener dann legte er los: "Meine Damen und Herren, vielleicht ist es Ihnen nicht klar, aber die Staatskasse ist so leer, dass wir hier riskieren, die Gehälter nicht mehr zahlen zu können". Montis Minister erzählen das bei Hintergrundgesprächen offen: Damals stand die Regierung der Euro-Gruppe vor einer ganz anderen Frage: Soll Italien direkt kommissarisch geleitet werden oder noch eine letzte Chance bekommen? Monti hat sich wahrlich nicht beliebt gemacht bei seinen Landsleuten, aber seine Rosskur war wirkungsvoll. Er hat wirklich das Steuer herumgerissen. Im Durchschnitt hat die italienische Familie heute fast 800 Euro weniger in der Kasse, aber vier Prozent der Staatsausgaben sind eingespart worden. Es hat keine Massenentlassungen gegeben, die Inflation ist unter Kontrolle und die Exporte haben deutlich zugelegt.

Berlusconi kann all das nicht verwinden. Der Glaube an die eigene Kraft als Wunderheiler Italiens ist ungebrochen, er muss das exorzistische Bad der Menge suchen, sie muss ihm bestätigen, dass sie ihn noch liebt, so wie er sie.

Wieder Politik gegen die Justiz

Schade. Früher, als er nur Fernsehmacher war, war er vielleicht etwas zynischer, aber er hatte dafür noch eine gesündere Einschätzung seines Publikums: Denkt dran, so erzählte er es seinen Werbe-Managern, der Durchschnittszuschauer hat die Intelligenz eines Mittelstufenschülers, aber eines nicht besonders hellen. Nun kann es nicht sein, was nicht sein darf: Die Italiener müssen mich lieben, ich bin doch wie sie, mag er denken. Die anderen beiden Gründe für die Rückkehr sind weniger prosaisch. Zu den letzten Dekreten der Regierung Monti, die nun nicht mehr verabschiedet werden können, gehörte auch der Vorschlag, dass Vorbestrafte unwählbar werden. Das hierfür vorgesehene Strafmaß von zwei Jahren würde Berlusconi bei einer Verurteilung sowohl im Steuerbetrugsprozess als auch beim Ruby (Bunga-Bunga) -Prozess deutlich überschreiten.

Der andere Grund ist der Vermögensschutz. Sollte die Regierung - wie von Monti geplant - neue digitale Fernsehlizenzen zulassen, würde das weitere Verluste für die Mediaset-Gruppe Berlusconis bedeuten. Schon heute ist Mediaset nur noch 1,5 Milliarden Euro an der Börse wert, ein Drittel davon gehört der Familie Berlusconi. Zwar hat die Familie auf Schwarzkonten – nach Schätzung der Mailänder Staatsanwaltschaft – mehr als eine Milliarde Euro gebunkert, aber die Cash-cow der Familie ist nun einmal das Fernsehen. Berlusconi weiß, dass er die Wahlen verlieren wird. Doch auch mit den nun prognostizierten 11 Prozent (2008 waren es noch 37) kann Berlusconi immer noch ein paar Dutzend Getreue, Anwälte, Manager, einige saubere Gesichter, ins Parlament schicken, die letzten Prätorianer eben. Und sich selber natürlich, als Parlamentarier erst einmal vor Haftbefehlen gefeit.

Quelle: ntv.de

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