"Nennen Sie es, wie Sie wollen" Bersani pfeift auf Mehrheit
01.03.2013, 15:31 Uhr
Nicht mit Berlusconi: Pier Luigi Bersani, Chef der Mitte-Links-Allianz.
(Foto: dapd)
Grillo will nicht mit Bersani. Berlusconi kann nicht mit Grillo. Und jetzt schließt Bersani auch noch ein Bündnis mit Berlusconi aus. Die Regierungsbildung in Italien wird immer schwieriger. Bersani ist nun wild entschlossen, eine Minderheitsregierung anzuführen - so gut es geht.
Der Chef von Italiens Mitte-links-Allianz, Pier Luigi Bersani, will nach dem schwierigen Ausgang der Parlamentswahl eine Minderheitsregierung führen. Eine Koalition mit dem rechtsgerichteten Bündnis von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi schloss er gegenüber "La Repubblica" aus.
"Nennen Sie es Minderheitsregierung (...), ich nenne es Regierung des Wandels", sagte Bersani über seine Regierungspläne der Zeitung. Als zentrale Punkte seines Programms nannte er eine Neuausrichtung der europäischen Politik auf Wachstum, die Bekämpfung sozialer Missstände durch die Ausweitung staatlicher Hilfen, eine Verringerung der Kosten im politischen Führungsapparat, nachhaltige Entwicklung und eine umweltfreundliche Ausrichtung der Wirtschaft. Zu diesen Punkten wolle er sich im Parlament das Vertrauen aussprechen lassen, sagte er.
Bersani will das Programm kommenden Mittwoch der Führung seiner Demokratischen Partei (PD) und danach Staatschef Giorgio Napolitano vorlegen. Für den Fall, dass Berlusconis Bündnis oder die Fünf-Sterne-Bewegung des Protestpolitikers Beppe Grillo seine Vorhaben unterstützen, schloss Bersani die Besetzung der Spitzenposten in den beiden Parlamentskammern mit Vertretern dieser Parteien nicht aus. Eine Koalition mit Berlusconi lehnte er aber ab. Ein solches Bündnis "gibt es nicht und wird es nie geben", sagte Bersani.
Bersani verpasst eigene Mehrheit
Grillo lehnte es bislang ab, Bersanis Bündnis das Vertrauen auszusprechen. Am Freitag warf er der PD vor, sie verhalte sich "wie auf dem Viehmarkt". Die Fünf-Sterne-Bewegung "lässt sich nicht kaufen", erklärte Grillo.
Italiens Präsident Napolitano hat das Recht, den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen. Trotz des Patts bei den Wahlen spricht er sich gegen Neuwahlen aus. Daran habe er kein Interesse, sagte Napolitano bei seinem Aufenthalt in Berlin. Bei Napolitano hat das Wahlergebnis zwar als schwierig bezeichnet. Zugleich äußerte er sich sicher, dass in den kommenden Wochen eine Regierung gebildet werden könne.
Bei der Wahl hatte Bersanis Parteienbündnis knapp eine absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus errungen, eine Mehrheit im Senat aber verfehlt. Da für die Verabschiedung von Gesetzen eine Mehrheit in beiden Kammern benötigt wird, ist unklar, ob es eine handlungsfähige Regierung geben wird.
Berlusconi hat Ärger mit der Justiz
Die wirtschaftliche Lage Italiens bleibt derweil schwierig: Im vergangenen Jahr schrumpfte die Wirtschaft um 2,4 Prozent, wie das italienische Statistikamt mitteilte. Der staatliche Schuldenberg wuchs auf 127 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Das neu gewählte italienische Parlament muss bis zum 15. März zusammentreten. Bis Monatsende werden gegen Berlusconi, gegen den mehrere Prozesse laufen, zwei Urteile erwartet. In einem Berufungsprozess um seine Verurteilung wegen Steuerbetrugs beteuerte er am Freitag seine Unschuld.
Berlusconi war im Oktober in erster Distanz zur vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Wegen einer Regelung zum Straferlass wurde die Strafe auf ein Jahr reduziert. Mit einem neuen Urteilsspruch wird am 23. März gerechnet. Ebenfalls im März soll das Urteil im sogenannten Ruby-Prozess fallen, in dem Berlusconi Sex mit einer Minderjährigen und Amtsmissbrauch vorgeworfen werden.
Quelle: ntv.de, rts