Mix aus höheren Beiträgen und Einsparungen Beschlüsse zur Gesundheitsreform
29.10.2010, 15:59 Uhr
Die Ärzte sollen mindestens 850 Millionen Euro einsparen.
(Foto: dpa)
Nach der nächtlichen Einigung ist die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in trockenen Tüchern. Durch einen Mix aus höheren Beiträgen und Einsparungen soll die erwartete Finanzlücke von fast zehn Milliarden Euro verhindert werden. Langfristig werden die steigenden Gesundheits- von den Arbeitskosten entkoppelt. Die Kostensteigerungen in der Zukunft müssen im Zuge der Gesundheitsreform allein von den Beschäftigten über steigende Zusatzbeiträge geschultert werden.
Beiträge: Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber erhöht sich der allgemeine Beitragssatz zum 1. Januar um jeweils 0,3 Prozentpunkte. Der allgemeine Satz steigt damit von 14,9 auf 15,5 Prozent. Die Arbeitnehmer tragen 8,2 und die Firmen 7,3 Prozent. Der Arbeitgeberbeitrag wird auf diesem Niveau festgeschrieben. Zusammen tragen Arbeitnehmer und Arbeitgeber 6,3 Milliarden Euro zur Sanierung der Kassenfinanzen bei.
Zusatzbeiträge: Die Zusatzbeiträge, die klamme Kassen von ihren Mitgliedern einfordern können, werden ausgeweitet. Die Obergrenze von einem Prozent des Einkommens eines Versicherten entfällt. Auch Rentner und Bezieher von Arbeitslosengeld I müssen den Beitrag zahlen; für Hartz-IV-Empfänger wird er aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und somit aus Bundesmitteln finanziert.
Sozialausgleich: Künftig wird in jedem Herbst vom Gesundheitsministerium ein durchschnittlicher Zusatzbeitrag ermittelt. Übersteigt er zwei Prozent des beitragspflichtigen Einkommens eines Versicherten, wird die Differenz ausgeglichen. Dies soll automatisch durch Arbeitgeber oder Rentenversicherung geschehen, indem der allgemeine Beitragssatz für dieses Mitglied reduziert wird und sich der Netto-Auszahlungsbetrag entsprechend erhöht. Von 2011 bis 2014 wird der Sozialausgleich aus der Reserve des Gesundheitsfonds gedeckt.
Einsparungen: Die Koalition will im nächsten Jahr 3,5 Milliarden und 2012 vier Milliarden Euro einsparen. Darin einberechnet sind die Effekte durch das Arznei-Paket in Höhe von rund zwei Milliarden Euro. Kliniken, Ärzte und Zahnärzte müssen geringere Zuwächse hinnehmen, indem die Grundlohnsumme anders als üblich nicht in voller Höhe angerechnet wird.
Die Krankenhäuser sollen im kommenden Jahr 500 Millionen Euro und 570 Millionen Euro 2012 zur Verbesserung der Finanzlage beitragen. Zudem sollen Operationen, die eine Klinik über die mit den Kassen verabredete Menge hinaus leistet, um 30 Prozent schlechter bezahlt werden.
Die Ärzte sollen mindestens 850 Millionen Euro sparen, wozu das Gesetz mehrere Mechanismen vorsieht. So wird etwa der Ausgabenanstieg bei sogenannten extrabudgetären Leistungen für die Kassenärzte wie etwa ambulantes Operieren, Vorsorge- und Früherkennung oder Dialyse gebremst, was 350 Millionen Euro bringen soll. Weitere 500 Millionen Euro will die Koalition sparen, indem für die umstrittenen Hausarztverträge das Vergütungsniveau gesenkt wird. Bestehende Verträge erhalten nach Druck aus Bayern Bestandsschutz bis Mitte 2014.
Auch bei den Zahnärzte wird der Anstieg der Preise gekappt: 2011 um 20 Millionen und 2012 um 40 Millionen Euro.
Die Verwaltungskosten der Kassen dürfen in den nächsten beiden Jahren im Vergleich zu 2010 nicht steigen. 2011 und 2012 sollen so je 300 Millionen Euro zusammenkommen.
Private Krankenversicherung: Der Wechsel in die PKV wird erleichtert. Wer ein Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze (2010: 49.950 Euro) erzielt, muss nicht mehr drei Jahre sondern nur noch zwölf Monate warten, bis er in die PKV wechseln kann.
Quelle: ntv.de, Thorsten Severin, rts