Aids-Prozess in Libyen Besuch von Steinmeier
11.06.2007, 20:45 UhrAußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die in Libyen inhaftierten fünf bulgarischen Krankenschwestern und den palästinensischen Arzt im Gefängnis besucht und bei der libyschen Führung auf eine rasche Freilassung gepocht. "Wir lassen die sechs Inhaftierten nicht allein. Sie können fest auf unsere Unterstützung setzen. ... Europa bleibt an ihrer Seite", sagte der EU-Ratspräsident in Tripolis nach einem Treffen mit den seit mehr als acht Jahren Inhaftierten. Steinmeier wurde bei dem Besuch im Gefängnis von EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner begleitet.
Unterstützung von Bush
Auch US-Präsident George W. Bush sagte bei seinem Bulgarien-Besuch seine "starke Unterstützung" für die Freilassung zu. Die Verhandlungen darüber sind in einer entscheidenden Phase. Seif al-Islam, ein Sohn von Staatschef Muammar al-Gaddafi, sagte: "Wir befinden uns jetzt in der letzten und schwierigsten Phase des Marathons." Die Staatsführung könne aber nur vermitteln und nicht direkt in das Verfahren eingreifen: "Das letzte Wort in dieser Angelegenheit haben die Richter und die Familien der erkrankten Kinder." Bis zum Nachmittag war noch unklar, ob es zu einem Treffen zwischen Steinmeier und Gaddafi kommt.
Geständnisse unter Folter
Den fünf Krankenschwestern und einem palästinensischen Arzt droht die Hinrichtung. Sie waren in erster Instanz und auch von einem Berufungsgericht zum Tode verurteilt worden, weil sie angeblich in einer Klinik in Benghazi vorsätzlich mehr als 400 Kinder mit dem Aids-Virus HIV infiziert haben sollen. Die Verurteilten beteuern ihre Unschuld und erklärten, sie hätten ihre Geständnisse unter Folter abgelegt.
Besuch bei den Infizierten
Steinmeier sprach nach dem Treffen in Tripolis von einer menschlich sehr bewegenden Begegnung. "Ich freue mich, dass wir sie in zwar angespannter, aber doch gefestigter Verfassung angetroffen haben", sagte der Minister und fügte hinzu: "Wir werden alles tun, um ihre Freilassung zu erreichen." Ferrero-Waldner betonte im Deutschlandradio Kultur, sie habe mit Steinmeier auch das Hospital besucht, in dem die aidskranken Kinder versorgt würden, und dort lange Gespräche mit den betroffenen Familien geführt.
"Gnade vor Recht"
Der Aktionsplan der EU für aidskranke Kinder sei ein Akt der Solidarität mit dem libyschen Volk, sagte die EU-Politikerin. "Wir hoffen, dass diese Solidarität, die wir zeigen, auch dazu führt, dass das entsprechende Umfeld im Vorfeld zu der nächsten Gerichtsentscheidung geschaffen werden kann, dass die Familien hier auch mit einer anderen Attitüde die Dinge sehen, und dass damit auch Gnade vor Recht ergehen kann."
Behandlung auf modernstem Niveau
Steinmeier versicherte ein fortgesetztes Engagement, um das Los der HIV-infizierten Kinder in Benghazi weiter zu verbessern. Die EU habe hat erfolgreiche und sichtbare Anstrengungen unternommen, um den Kindern eine medizinische Behandlung auf modernstem Niveau zu gewährleisten. "Gemeinsam wollen wir dieses Engagement auch für die Zukunft sichern. Dies ist uns dauerhafte Verpflichtung."
Bei den Bemühungen um eine Freilassung geht es auch darum, wer den Familien der erkrankten Kinder Geld geben soll. Die bulgarische Regierung betonte immer wieder, sie wolle sich auf nichts einlassen, was als Schuldeingeständnis der Krankenschwestern interpretiert werden könne. Aids-Experten machen die schlechten hygienischen Verhältnisse in der Klinik in Benghazi, in der die Frauen und der Arzt gearbeitet hatten, für die Verbreitung des Virus verantwortlich.
Quelle: ntv.de