Millionen-Schaden Betrug beim Kurzarbeitergeld
12.09.2009, 07:52 UhrOffenbar ist die verstärkte staatliche Förderung der Kurzarbeit zu Zeiten der Finanzkrise recht lukrativ für einige Unternehmen. Denn immer mehr Arbeitgeber betrügen die Arbeitsagenturen beim Kurzarbeitergeld. Die meisten entdeckt die BA in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)
Durch einen Missbrauch der staatlichen Förderung von Kurzarbeit könnte nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) ein Millionen-Schaden entstanden sein. Nach Angaben eines Behördensprechers wird der Schaden auf ein bis zwei Millionen Euro geschätzt. Die Behörde geht bundesweit von mindestens 116 Fällen aus, in denen Firmen zu Unrecht Kurzarbeitergeld kassiert haben.
Gemessen an der großen Zahl der Kurzarbeiter hält die Behörde den Anteil der Verstöße aber für gering. "In Relation gesetzt zu den zurzeit 36.000 Betrieben in Kurzarbeit in Deutschland machen die Verdachtsfälle lediglich 0,2 bis 0,3 Prozent aus. Damit handelt es sich um kein dramatisches Problem. Aber natürlich ist jeder Betrugsfall einer zu viel", sagte der Sprecher.
Über die möglichen Missbrauchsfälle hatte die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Baden-Württemberg habe bundesweit die meisten schwarzen Schafe, bestätigte ein Sprecher der BA-Regionaldirektion in Stuttgart. Man verdächtige bereits 34 Firmen, zu Unrecht Kurzarbeitergeld kassiert zu haben. "Es könnte ein Schaden von 420.000 Euro entstanden sein." Laut "SZ" sind neben Baden-Württemberg vor allem Bayern mit 19 und Nordrhein-Westfalen mit 16 Fällen betroffen.
Zwei Betrugsmaschen
Vor allem um zwei Betrugsmaschen soll es gehen: Entweder die Unternehmen melden Kurzarbeit an, lassen ihre Mitarbeiter dennoch voll arbeiten und bekommen so einen Teil der Personalkosten durch die Arbeitsagentur erstattet. Oder die Firmen streichen die Lohnzuschüsse für Beschäftigte ein, die krank oder im Urlaub sind. "Häufig sind auch die Arbeitszeitkonten der Kurzarbeiter manipuliert worden", sagte der BA-Sprecher. Dies nachzuweisen, sei besonders schwierig.
Angewiesen auf anonyme Anzeigen
Auf die möglichen Missbrauchsfälle beim Kurzarbeitergeld sei man hauptsächlich durch Hinweise aus den Betrieben selbst oder von Konkurrenzunternehmen gestoßen, erklärte der Sprecher. Natürlich setze die Bundesagentur eigene Außendienste zur Prüfung ein, doch müsse immer erst ein Anfangsverdacht bestehen. Inzwischen habe man etwa ein Drittel der Verdachtsfälle der Staatsanwaltschaft übergeben. "Wird ein tatsächlicher Missbrauch festgestellt, müssen die Betriebe die Förderung zurückzahlen und mit einem Strafverfahren wegen Betruges rechnen."
Vermutlich große Dunkelziffer
Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, fürchtet aber, dass viele Beschäftigte aus Angst vor einem Verlust ihres Arbeitsplatzes schweigen. "Es wird nicht viele geben, die sich trauen, den Mund aufzumachen", sagte sie der SZ. Das Ganze sei "sehr dunkelziffergefährdet". Auch Gerhard Bosch, Direktor des Instituts Arbeit und Qualifikation in Duisburg, sieht kein großes Interesse bei den Arbeitnehmern, Missbrauch anzuzeigen. "Die BA zahlt, und ihr Arbeitsplatz wird durch diese Subvention möglicherweise sogar sicherer. Ein Interesse an einer anonymen Anzeige besteht nur, wenn auch den Beschäftigten in die Tasche gegriffen wird, etwa durch eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich", sagte Bosch.
Pothmer forderte deshalb schärfere Kontrollen: "Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Für die Arbeitslosen gibt es ein strenges Reglement, bei den Unternehmen wird nicht so genau hingeschaut." Zuletzt waren etwa 1,4 Millionen Menschen als Kurzarbeiter gemeldet.
Quelle: ntv.de, hdr/dpa/AFP