Politik

Armutsforscher warnt Bildungsoffensive ist "Heuchelei"

Der Armutsforscher Christoph Butterwegge warnt vor zu hohen Erwartungen an die Auswirkungen der von Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigten Bildungsoffensive. Mehr Bildung helfe nicht beim Weg aus der Armut, wenn nicht gleichzeitig auch mehr soziale Gleichheit hergestellt werde, schreibt Butterwegge in einem Beitrag für die "Frankfurter Rundschau". "Es ist pure Heuchelei, den Armen 'Bildet Euch!' zu predigen, im Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger dafür jedoch keinen Cent vorzusehen."

Bildung sei keine "politische Wunderwaffe im Kampf gegen Kinderarmut", vor allem nicht, da sie immer mehr zur Ware werde, erklärte Butterwege. "Eine bessere (Aus-)Bildung erhöht die Konkurrenzfähigkeit eines Heranwachsenden auf dem Arbeitsmarkt, ohne Erwerbslosigkeit und (Kinder-)Armut als gesellschaftliche Phänomene zu beseitigen." Dazu seien Umverteilung von Arbeit, Einkommen und Vermögen nötig.

"Wenn alle Jugendlichen - was durchaus wünschenswert wäre - mehr Bildungsmöglichkeiten bekämen, würden sie um die wenigen Ausbildungs- beziehungsweise Arbeitsplätze womöglich nur auf einem höheren Niveau, aber nicht mit besseren Chancen konkurrieren. Dann gäbe es wieder mehr Taxifahrer mit Abitur und Hochschulabschluss, aber nicht weniger Arme", kritisiert der Armutsforscher. Je mehr Bildung, Freizeit und Kultur ökonomisiert, privatisiert und kommerzialisiert würden, umso mehr manifestiere sich Kinderarmut in fehlender Chancengerechtigkeit.

"Schöne Worte ohne Taten"

Die Grünen kritisierten den von Merkel geplanten nationalen Bildungsgipfel als Symbolpolitik. "Merkels schöne Worte entsprechen nicht ihren Taten", sagte ihr hochschulpolitischer Sprecher Kai Gehring der "WAZ". "Was will Merkel fast am Ende der Legislaturperiode noch auf den Weg bringen?" Durch die jüngste Föderalismusreform habe sich die Kanzlerin "selbst aus der Verantwortung für die Bildungspolitik katapultiert".

Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer möchte den für den Aufbau Ost eingeführten Solidaritätszuschlag über 2020 hinaus fortführen und in einen "Bildungssoli" umwandeln. Bereits heute könnten Mittel aus den "Soli"-Einnahmen in die Bildung fließen, da nicht mehr alle Mittel für den Osten benötigt würden, sagte Bütikofer der "Saarbrücker Zeitung". In einer solchen Maßnahme sieht der Parteivorsitzende der Grünen auch einen Beitrag zu einem fairen Zugang zur Bildung in Deutschland.

L änder pochen auf Kompetenzen

Die Bundesländer haben unterdessen ihre Zuständigkeit betont. "Wir haben eine klare Kompetenzordnung in Deutschland", sagte der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) in Berlin. Auch sein bayerischer Kollege Günther Beckstein (CSU) stellte klar: "Zunächst ist Bildungspolitik ein zentrales Thema der Länder." Die Landeschefs begrüßten das Vorhaben aber im Grundsatz. Bundesbildungsministerin Annette Schavan erklärte die Kompetenzstreitigkeiten für beendet.

Der Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner sagte, es sei gut, wenn die Bundesregierung tätig werde, vor allem in jenen Bereichen, für die sie zuständig sei. "Besonders bei der Weiterbildung gibt es enormen Reformbedarf", sagte er der "Berliner Zeitung". Auch bei der vorschulischen Bildung könne der Bund etwas tun.

Schavan sagte im Deutschlandfunk: "Wir können uns nicht leisten, über Zuständigkeiten zu streiten. Das ist beendet. Wir haben einen wirklichen Durchbruch erzielt." Bund und Länder wollten eine gemeinsame Verantwortung bei unterschiedlichen Aufgaben wahrnehmen. Der Bund sei stark beteiligt, wenn es um die berufliche Bildung gehe, die Länder seien bei den Schulen stark gefragt.

Merkels Aktionismus

Merkel hatte angekündigt, sie werde die Bildungspolitik zur Chefsache machen. Am 22. Oktober will sie mit den Länder-Ministerpräsidenten über die Probleme reden. Der am Donnerstag veröffentlichte Bildungsbericht 2008 von Bund und Ländern zeichnet trotz vieler Reformen erneut ein kritisches Bild über den Zustand von Schulen und Hochschulen in Deutschland: zu viele Schulabbrecher und Hauptschüler ohne Berufschance, zu wenig Studenten.

Quelle: ntv.de

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