Politik

Zwölfjährige Tochter schaut zu Bin Laden war nicht bewaffnet

Pakistanische Sicherheitsbeamte vor dem Gebäude, in dem Bin Laden sich versteckt hielt.

Pakistanische Sicherheitsbeamte vor dem Gebäude, in dem Bin Laden sich versteckt hielt.

(Foto: AP)

Die US-Regierung räumt ein, dass Terrorchef Bin Laden nicht bewaffnet war, als er erschossen wurde. Experten halten seine Tötung dennoch für gerechtfertigt, begründen dies allerdings nicht mit dem Völkerrecht, sondern mit den Einsatzregeln der US-Soldaten. CIA-Chef Panetta geht davon aus, dass Fotos des toten Bin Laden veröffentlicht werden.

Das Weiße Haus hat seine Darstellung von der Tötung des Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden teilweise revidiert. Bin Laden sei während der dramatischen Kommandoaktion in seinem pakistanischen Versteck nicht bewaffnet gewesen, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney.

Allerdings seien andere Männer in dem Anwesen bewaffnet gewesen und hätten Widerstand geleistet. Bin Laden sei bei einem "unberechenbaren Schusswechsel" ums Leben gekommen. Carney bekräftigte, das Ziel des Einsatzes sei die Festnahme und nicht die Tötung Bin Ladens gewesen. Wegen des "großen Widerstandes" sei der Al-Kaida-Chef aber erschossen worden.

Dagegen hatte CIA-Chef Leon Panetta dem Sender NBC News gesagt, Auftrag der Soldaten sei es gewesen, Bin Laden zu töten. Allerdings sei klar gewesen, dass sie ihn hätten gefangen nehmen müssen, wenn er sich plötzlich - gemeint ist offenbar: wider Erwarten - ergeben hätte.

Die US-Regierung korrigierte auch die Darstellung, Bin Laden habe sich während des Feuergefechts hinter einer seiner Frauen versteckt. Die Frau, die sich mit ihm in einem Zimmer befunden habe, sei auf die Angreifer zugestürzt, sagte Carney. Ihr sei ins Bein geschossen worden, aber sie sei nicht getötet worden.

"Unbewaffnet, aber nicht bereit aufzugeben"

Carney sagte, die Tatsache, dass Bin Laden unbewaffnet gewesen sein, bedeute nicht, dass er bereit zur Aufgabe war. Die US-Soldaten im Haus hätten zudem nicht gewusst, ob die Bewohner Sprengstoffgürtel oder andere Bomben bei sich getragen hätten.

Der US-Fernsehsender ABC veröffentlichte Videoaufnahmen aus dem Innern des Hauses, in dem Bin Laden getötet wurde.

Der US-Fernsehsender ABC veröffentlichte Videoaufnahmen aus dem Innern des Hauses, in dem Bin Laden getötet wurde.

(Foto: dpa)

Obamas oberster Anti-Terror-Berater John Brennan hatte zuvor gesagt, Bin Laden habe an dem Schusswechsel teilgenommen. Ob er selbst gefeuert habe, wisse er nicht, so Brennan. Von ihm stammt auch die Darstellung, Bin Laden habe seine Frau als Schutzschild benutzt.

Regierungsvertreter sagten laut "New York Times", dass es klar gewesen sei, dass Details des Einsatzes sich ändern würden, wenn die Teilnehmer des Einsatzes befragt und ihre Aussagen miteinander verglichen würden.

25 Soldaten beteiligt

Im Sender PBS stellte Panetta klar, dass 25 Soldaten direkt an dem Einsatz beteiligt waren. "Es gab 25 Soldaten, die von zwei Hubschraubern auf dem Anwesen abgesetzt wurden. Der eine Hubschrauber sollte Soldaten im Hof herunterlassen, damit sie von dort ins Haus konnten. Der zweite Hubschrauber sollte die anderen Soldaten auf dem Dach des Gebäudes abgesetzen. Allerdings hatte der zweite Hubschrauber Probleme, so dass beide landen mussten. Die Soldaten mussten dann drei, vier Mauern niederreißen. Dann sind sie zusammen in das Gebäude gestürmt."

Insgesamt sollen vier Hubschrauber nach Abbottabad geflogen sein - zwei blieben offenbar als Nachhut in der Luft.

Die Einsatzkräfte waren laut Panetta erfahrene Spezialisten. "Sie haben sehr viel Erfahrung, wie man das macht. Sie machen das in Afghanistan fast jede Nacht." Laut US-Sender MSNBC erforderte diese Mission Übung. Deshalb sei auf der US-Luftwaffenbasis im afghanischen Bagram das Anwesen Bin Ladens in Abbottabad nachgebaut worden. Dort sei der spätere Einsatz in Pakistan seit diesem April geprobt worden

War der Schuss richtig?

Während der Bruch der pakistanischen Souveränität durch den Einsatz in US-Medien kaum eine Rolle spielt, läuft durchaus eine Debatte darüber, ob die Tötung Bin Ladens gerechtfertigt war. Dabei geht es allerdings weniger um das Völkerrecht, sondern um die Einsatzregeln der Soldaten.

Skizze des Anwesens in Abbottabad.

Skizze des Anwesens in Abbottabad.

(Foto: dpa)

"Hätte er sich ergeben, wäre er niedergeschlagen worden und hätte ohnmächtig auf dem Boden gelegen, dann würde das schwerwiegende Fragen aufwerfen", sagte etwa John B. Bellinger, ein Berater der Regierung von Präsident George W. Bush. Bin Laden sei allerdings extrem gefährlich gewesen. "Wer er jemandem im Flur zunickt oder zum Bücherregal rennt oder man denkt, dass er einen Selbstmordgürtel trägt, dann hat man eine klare Grundlage, ihn zu töten."

Ein US-Sonderkommando hatte den Gründer und Chef des Terrornetzwerks Al-Kaida in der Nacht zum Montag in seinem Anwesen in Abbottabad nahe der pakistanischen Hauptstadt Islamabad erschossen. Bei der Kommandoaktion wurden nach Angaben des Weißen Hauses neben Bin Laden vier weitere Menschen getötet. Zwei Kuriere des Terrornetzwerks und eine Frau seien im ersten Stock des Hauptgebäudes getötet worden, während der Terrorchef und seine Angehörigen sich im zweiten und im dritten Stock aufgehalten hätten, sagte Carney. Bei dem fünften Getöteten handele es sich vermutlich um einen Sohn Bin Ladens.

Bin Laden einfach aufgetaut?

Derweil wurden Forderungen nach einer Veröffentlichung von Fotos des toten Bin Ladens laut, um Verschwörungstheorien entgegenzuwirken. Die Bilder seien "grauenvoll", sagte Carney. Panetta sagte: "Ich denke, wir sollten dem Rest der Welt zeigen, dass wir in der Lage waren, ihn zu kriegen und zu töten." Der CIA-Chef geht davon aus, dass ein Foto des toten Terroristenchefs veröffentlicht wird. Die Entscheidung müsse letztlich vom Weißen Haus getroffen werden.

Die afghanischen Taliban zogen Bin Ladens Tod bereits in Zweifel. Die Beweise der USA seien nicht überzeugend, erklärten sie. US-Radiomoderator Alex Jones stellte die These auf, dass die US-Regierung Bin Laden bereits seit Jahren als gefrorene Leiche im Tiefkühlfach aufbewahrt. Auch bei Facebook tummeln sich einige Gruppen, in denen sich Zweifler der offiziellen US-Version zusammenfinden.

Bin Laden soll zweimal in den Kopf getroffen worden sein, einmal direkt über dem linken Auge. Wie es in Medienberichten hieß, "explodierte sein Kopf". Auf einem Foto, das von dem Toten gemacht wurde, soll Bin Laden dennoch klar erkennbar sein. "Es sieht aus wie er, voller Blut mit einem Loch im Kopf", zitiert die "New York Times" einen Regierungsvertreter.

Von der Aktion gibt es auch Video-Aufnahmen - Obama und mehrere seiner Minister und Mitarbeiter verfolgten den Einsatz live aus dem "Situation Room" des Weißen Hauses. Dass dieses veröffentlicht wird, gilt derzeit als unwahrscheinlich. Schließlich wägt die US-Regierung schon bei den Fotos ab, ob der Schaden den Nutzen überwiegt. Bei einem Video, das den Tod Bin Ladens zeigt, dürfte die Entscheidung einfacher sein.

Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa

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