Woodward gegen Weißes Haus Bizarrer Streit um eine E-Mail
01.03.2013, 10:18 Uhr
In der Nacht zum Freitag lief die Frist zur Einigung ab - jetzt treten Schritt für Schritt automatische Ausgabenkürzungen in Kraft.
(Foto: dpa)
Seit "Watergate" ist Bob Woodward eine Ikone des Enthüllungsjournalismus in den USA - und ein Hassobjekt der Konservativen. Zumindest Letzteres ändert sich derzeit: Woodward wirft einem Mitarbeiter von Präsident Obama vor, ihn bedroht zu haben. Die Republikaner sind begeistert.
US-Starjournalist Bob Woodward und das Weiße Haus sind heftig aneinandergeraten. Der durch die Enthüllung der Watergate-Affäre in den 70er Jahren berühmt gewordene Woodward sagte dem Online-Magazin "Politico", ein enger Mitarbeiter von Präsident Barack Obama habe ihn am Telefon angebrüllt und dann in einer E-Mail bedroht.
Der Mann, dessen Namen Woodward nicht nannte, habe ihn "für ungefähr eine halbe Stunde angebrüllt". Der Journalist hatte den Obama-Mitarbeiter angerufen, um mit ihm über einen Artikel zu sprechen, der am vergangenen Freitag von der "Washington Post" veröffentlicht wurde. Darin zog Woodward Obamas Darstellung über den Haushaltsstreit mit den Republikanern in Zweifel.
Während Obama die Republikaner für die massiven Einschnitte verantwortlich macht, schreibt Woodward, dass die Idee für die automatischen Kürzungen aus dem Weißen Haus gekommen sei. Der Vorschlag sei vom damaligen Haushaltschef Jack Lew, der seit Donnerstag neuer Finanzminister ist, erdacht worden. Obama habe die Strategie persönlich abgesegnet, um die damals tobende Debatte um eine Erhöhung der Schuldenobergrenze zu entschärfen.
"Sie werden bereuen, dies behauptet zu haben"
Die Position hatte Woodward bereits in dem Buch "The Price of Politics" verbreitet, das im vergangenen Herbst erschienen war. Der Journalist wiederholte diese Sicht der Dinge Ende vergangener Woche in der "Post".
Der Obama-Vertraute, der Woodward am Telefon anbrüllte, wurde später vom Weißen Haus als Wirtschaftsberater Gene Sperling identifiziert. Woodward sagte "Politico", Sperling habe sich später in einer E-Mail für seinen lauten Ton entschuldigt. Allerdings ließ er den Journalisten auch wissen, dass er die Veröffentlichung noch "bereuen" werde. Woodward sagte, er habe dies als versteckte Drohung aufgefasst.
"Sie konzentrieren sich (in Ihrem Artikel) auf ein paar spezielle Bäume, die einen völlig falschen Eindruck vom Wald vermitteln", heißt es in der Mail. "Ich glaube, Sie werden bereuen, die Behauptung aufgestellt zu haben."
Woodward machte deutlich, dass die Mail ihn in keinster Weise eingeschüchtert habe. Wenn so ein Tonfall jedoch gegenüber jüngeren Reporter angewandt werde - "Sie wissen schon, zitter, zitter. Ich glaube nicht, dass man so vorgehen sollte", so Woodward.
"Ich habe nie von 'Drohung' gesprochen"
Der Tonfall der E-Mail legt nicht gerade nahe, dass Woodward bedroht werden sollte - ganz im Gegenteil, der Schwerpunkt des Textes liegt auf der Entschuldigung. Später ging Woodward selbst auf Distanz zu seinen Vorwürfen. Er habe die Mail nie als Drohung bezeichnet, "ich glaube, das waren die Worte von Politico", sagte er der "Washington Post". Er glaube, Sperlings Wortwahl sei "unglücklich" gewesen.
Viel Aufregung um sehr wenig also? Die "New York Times" schreibt, viele Reporter in Washington seien fassungslos gewesen und hätten sich gefragt, ob Woodward nicht "ein bisschen überempfindlich" sei.
"Woodward im Krieg"
Für die Republikaner ist das Ganze ein Fest. Mitarbeiter des republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, John Boehner, verschickten Woodwards Artikel gleich nach seinem Erscheinen an Journalisten. Auch der Artikel in "Politico", in dem Woodward davon spricht, eine halbe Stunde lang angeschrien worden zu sein, heizte das Thema noch einmal kräftig an. Die Überschrift lautete: "Woodward im Krieg".
Für Republikaner, so die "New York Times", sei die Affäre ein neuerlicher Beleg dafür, dass die Obama-Regierung heftigen Druck auf ohnehin eingeschüchterte Medien ausübt. "Dieses Weiße Haus ist eines der dünnhäutigsten, das es je gab", sagte der Moderator Steve Doocy vom konservativen Sender Fox News.
Wirklich überzeugend klingt das nicht. Selbst bei Fox News gibt es Gegenstimmen. Der Washingtoner Korrespondent des Senders, Ed Henry, sagte, man müsse den Mitarbeitern des Weißen Hauses zugestehen, dass auch für sie der erste Zusatzartikel der US-Verfassung gelte. Darin wird unter anderem die Meinungsfreiheit garantiert.
Das Weiße Haus kommt damit vermutlich als doppelter Sieger aus dieser Affäre heraus: Einerseits darf Sperling sich entlastet fühlen. Zum anderen ist kaum noch davon die Rede, wie viel Wahrheit in Woodwards - von vielen Rezensenten bereits im vergangenen Jahr kritisierten - Darstellung steckt.
Quelle: ntv.de, mit AFP