CIA-Chef nennt "ernste Probleme" Blutigster Monat in Afghanistan
28.06.2010, 15:49 Uhr
Eine Frau trauert um ihre sechsjährige Nichte, die zusammen mit ihrer Mutter in der Provinz Ghazni von einem Spregnsatz getötet wurde.
(Foto: AP)
Im Juni starben in Afghanistan bisher 99 NATO-Soldaten. Es ist für die internationalen Truppen der verlustreichste Monat seit 2001. CIA-Chef Panetta erteilte schnellen Erfolgen am Hindukusch eine Absage. Es gebe Probleme mit der Regierungsführung, mit Korruption, Drogenhandel und einem Taliban-Aufstand.
Die NATO-Truppen in Afghanistan erleben derzeit ihren blutigsten Monat seit dem Einmarsch der US-geführten Koalition Ende 2001. Mit dem Tod von vier norwegischen und einem britischen Soldaten stieg die Zahl der im Juni getöteten NATO-Soldaten auf 99, wie eine Zählung der Nachrichtenagentur AFP ergab. Damit ist der Juni der verlustreichste Monat für die NATO-Truppen am Hindukusch in den vergangenen fast neun Jahren.

Der Sarg des in Afghanistan gefallenen US-Soldaten Nathan W. Cox auf der Dover Air Force Base im US-Staat Delaware.
(Foto: AP)
Das Außenministerium in London bestätigte den Tod des britischen Soldaten in der Südprovinz Helmand. Vier norwegische NATO-Soldaten kamen ums Leben, als ihr Fahrzeug in der Nordprovinz Farjab von einem selbstgebauten Sprengsatz getroffen wurde.
Insgesamt starben damit in den ersten sechs Monaten 2010 bislang 319 ausländische Soldaten am Hindukusch. Im gesamten vergangenen Jahr waren es 520. Die NATO führt den dramatischen Anstieg der Opferzahlen darauf zurück, dass der Kampf gegen die Taliban intensiviert und in die Taliban-Hochburgen getragen wurde.
Korruption, Drogenhandel, Taliban
Der Chef des US-Geheimdienstes CIA, Leon Panetta, sprach unterdessen von "ernsten Problemen" der Mission in Afghanistan. "Wir haben es mit einem Land zu tun, das Probleme mit der Regierungsführung, Probleme mit Korruption, Probleme mit Drogenhandel, Probleme mit einem Taliban-Aufstand hat", sagte Panetta dem Fernsehsender ABC. Im Anti-Terror-Kampf seien keine schnellen Erfolge zu erwarten, sagte Panetta. Zwar gebe es "Fortschritte", aber "es ist mühsamer und es geht langsamer als alle erwartet haben".
Unter anderem habe die US-Regierung bislang keine "harten" geheimdienstlichen Erkenntnisse darüber, dass die Aufständischen tatsächlich zu Gesprächen über ein Ende des Konflikts bereit seien. Panetta reagierte damit auf Berichte, nach denen pakistanische Militärs und Geheimdienstbeamte ein Arrangement über eine Machtbeteiligung in Kabul vermitteln wollen. Mit Blick auf das Terrornetzwerk Al-Kaida führte Panetta aus, dass es in Afghanistan vielleicht noch "50 bis 100" Al-Kaida-Mitglieder gebe. Die meisten seien inzwischen in den pakistanischen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan.
"Produktiven Druck" ausüben
Nach Meinung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg muss Afghanistans Regierung mit festen Abzugsperspektiven für die internationalen Truppen unter Druck gesetzt werden. Es müsse klar sein, dass die Soldaten nicht "bis zum Sanktnimmerleinstag" am Hindukusch bleiben würden, sagte Guttenberg nach einem Treffen mit seinem britischen Amtskollegen Liam Fox in London. "Man muss sich natürlich bewusst sein über die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort", erläuterte der Minister. Gleichzeitig müsse man aber auch einen "produktiven Druck" ausüben.
Etliche Zivilisten getötet
Derweil haben Soldaten der Internationalen Schutztruppe ISAF bei einer Militäroperation in der südafghanischen Provinz Kandahar nach Polizeiangaben acht Zivilisten getötet. Wie der stellvertretende Polizeichef der Provinz, Mohammad Shah Farooqi, mitteilte, starben die Männer, als NATO-Soldaten zwei Gebäude in einem Vorort der Millionenstadt Kandahar stürmten.
Polizeichef Farooqi sagte weiter, es gebe keine Beweise dafür, dass die Todesopfer von Kandahar in "regierungsfeindliche Aktivitäten" verwickelt gewesen seien. In einer Erklärung der ISAF heißt es dagegen, bei dem Einsatz afghanischer und internationaler Truppen seien "ein Taliban-Kommandeur und mehrere Bewaffnete" getötet worden. Zuvor hätten die Aufständischen die Soldaten beschossen. In der südöstlichen Provinz Ghasni starben zudem vier Insassen eines Minibusses, als dieser von einem Sprengsatz getroffen wurde. Vier weitere Menschen wurden nach Polizeiangaben verletzt.
In der afghanischen Hauptstadt ernannte unterdessen das Parlament nach Angaben des staatlichen Fernsehens den früheren Armeechef Bismullah Mohammadi zum neuen Innenminister. Er folgt auf Mohammad Hanif Atmar, der Anfang Juni die Verantwortung für Taliban-Angriffe auf die sogenannte Friedens-Dschirga übernommen hatte und von Präsident Hamid Karsai zum Rücktritt gedrängt worden war.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP