Karikaturen-Streit Botschaften und Flaggen brennen
04.02.2006, 08:34 UhrAus Protest gegen die von einer dänischen Zeitung veröffentlichten umstrittenen Mohammed-Karikaturen haben Demonstranten in der syrischen Hauptstadt Damaskus am Samstag die dänische und die norwegische Botschaft angegriffen und in Brand gesetzt.
In der Stadt Gaza griffen mehrere Hundert Palästinenser die deutsche Vertretung und das EU-Büro in Gaza an. Dutzende zum Teil maskierte junge Männer und Schüler hätten Steine auf die deutsche Vertretung in Gaza geworfen, Scheiben eingeschlagen und Mobiliar zertrümmert, berichteten Augenzeugen. "Die deutsche Fahne wurde abgerissen und angezündet", sagte ein Nachbar. Erst Polizeiverstärkung brachte die aufgebrachte Menge unter Kontrolle.
Nach Berichten von Augenzeugen wurde das dreistöckige Gebäude der dänischen Vertretung zunächst von mehreren tausend Demonstranten belagert. Dann hätten Demonstranten das Gebäude gestürmt und in Brand gesetzt. Alle drei Stockwerke des Hauses, in dem auch die diplomatischen Vertretungen von Schweden und Chile untergebracht sind, seien in Flammen aufgegangen, hieß es. Aufgebrachte Demonstranten zogen dann zu der sechs Kilometer entfernten norwegischen Botschaft und setzten auch diese in Brand.
Dänen sollen Syrien verlassen
Die dänische Regierung forderte alle in Syrien lebenden Dänen auf, sofort das Land zu verlassen. Außenminister Per Stig Mller verurteilte den Angriff syrischer Demonstranten auf die Vertretung seines Landes als "völlig inakzeptabel". Mller sagte am Samstagabend im Fernsehsender TV2, er habe dies seinem syrischen Amtskollegen Faruk al-Schara telefonisch mitgeteilt. Dabei habe er darauf hingewiesen, dass die Regierung in Damaskus die Verantwortung für Sicherheit diplomatischer Vertretungen trage. "Wir verlangen von Syrien, dass diese Aktionen gestoppt werden", sagte Mller. Schwedens Außenministerin Laila Fraivalds ließ noch für den Abend Syriens Botschafter in Stockholm einbestellen.
Weitere Botschaften im Visier
Nachdem die wütende Menge die dänische Botschaft ohne Eingreifen der Behörden gestürmt hatte, stellten sich den Tausenden von Protestierenden vor der norwegischen Vertretung Hunderte Polizeikräfte in den Weg, die auch Tränengas einsetzten. Eine größere Menschenmenge versuchte nach Augenzeugenberichten auch zu der französischen Botschaft zu gelangen, wurde aber von der Polizei aufgehalten. Die Demonstranten riefen vor der französischen Botschaft immer wieder "Allahu Akbar" (Gott ist groß), bis sie von der Polizei auseinandergetrieben wurden.
Proteste werden angeheizt
Die Botschaften waren zum Zeitpunkt des Angriffs nicht besetzt. Der dänische Diplomat Hans Skov sagte im Rundfunk, nach seinen Informationen hätten die syrischen Behörden nichts unternommen, um die rasende Menge vor dem Gebäude der dänischen Vertretung zu stoppen. "Darüber wundern wir uns natürlich", sagte Skov.
Wie es weiter hieß, geriet die Demonstration völlig außer Kontrolle, nachdem in Damaskus Gerüchte über angeblich in Kopenhagen geplante Koranverbrennungen verbreitet worden waren. Die protestierende Menge trug Möbel aus dem Gebäude, zog die dänische Flagge ein und hisste stattdessen eine islamische. Schwedens Botschafterin Catharina Kipp sagte nach dem Ende der Demonstration im Rundfunk, dass die Fassade komplett von Rauch eingeschwärzt sei.
Vor der US-Botschaft in Damaskus marschierten in der Nacht 500 Polizisten auf, um das Gebäude vor möglichen Angriffen von Demonstranten zu schützen. Frankreich und die USA üben seit dem Tod des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri vor knapp einem Jahr politisch Druck auf Damaskus aus.
Syrien hat wie auch Saudi-Arabien, Libyen und Kuwait seinen Botschafter aus Kopenhagen wegen der von der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" vor mehr als vier Monaten veröffentlichten Mohammed-Karikaturen abgezogen.
Merkel verurteilt Gewaltaufrufe
Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die Gewaltaufrufe von Muslimen im Karikaturenstreit scharf. Zwar könne sie durchaus verstehen, dass die Bilder die religiösen Gefühle von Muslimen verletzt haben. Es sei jedoch "inakzeptabel, auf dieser Grundlage eine Legitimierung von Gewalt zu sehen".
US-Regierung sieht Karikaturen als Beleidigung
Nach Großbritannien bezeichnete auch die US-Regierung die Veröffentlichung der Karikaturen als "beleidigend", verteidigte aber das Recht auf Meinungsfreiheit. US-Außenamtssprecher Sean McCormack rief in Washington zum Dialog und Gewaltverzicht auf. Auch der EU-Koordinator für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, rief zur Mäßigung auf. "Toleranz und gegenseitiger Respekt spielen eine ebenso große Rolle wie das Prinzip der Meinungsfreiheit", sagte Solana der "Bild am Sonntag".
Die arabischen Staaten wollen sich wegen des Streits an die Vereinten Nationen wenden. Diese sollten einen Beschluss fassen, der "beleidigende Angriffe gegen religiöse Überzeugungen" verbiete. Die Informationsminister der arabischen Staaten einigten sich in Kairo zudem, eine Medienkampagne zu starten, "um das schlechte Image des Islam gerade zu rücken".
Quelle: ntv.de