Sicherheitsdiskussion Brennende Autos und Gasmasken
28.05.2007, 14:23 UhrWenige Tage vor dem G8-Gipfel wird die Debatte über die Sicherheit in Heiligendamm immer aufgeregter. Die Suchmaschine Google verzeichnet unter dem Stichwort G8 rund 31,7 Millionen Fundstellen. Das enorme Interesse an dem Treffen der sieben führenden Industriestaaten und Russlands speist sich nicht nur aus offiziellen Mitteilungen und Medienberichten, sondern auch aus unzähligen Beiträgen von G8-Kritikern. Das Internet ist ein Marktplatz für Protestaufrufe und Ratschläge, wie man sich bei der Begegnung mit der Staatsmacht verhalten soll.
Die G8-Gegner wollen "dem legalen Recht unser eigenes Recht gegenüberstellen". Man wolle "demonstrieren, blockieren und feiern für eine bessere Welt". Ein anderer stellt die G8-Staaten als "machtgierig und Blut triefend" dar. Ein professionell gemachtes Protest-Video steigert die Dramatik bis zu dem Satz: "Wenn die selbst ernannten Führer dieser Welt sich zum G8-Gipfel 2007 versammeln, dann wird das das letzte Treffen der Alten Welt sein und der erste Tag für eine neue. Ihr System der Kontrolle geht zu Ende." Unterlegt wird die unterschwellige Drohung mit Bildern brennender Autos, maskierten, Gasmaske tragenden und Steine werfenden Demonstranten. "Organisiere Deine Wut", fordert ein anderer Beitrag die G8-Kritiker auf.
Sind also die Befürchtungen der Sicherheitsbehörden begründet und die enormen Sicherheitsmaßnahmen gerechtfertigt? Manch einer denkt an das G8-Treffen 2001 in Genua, das von gewalttätigen Krawallen und einem harten Vorgehen der Polizei überschattet wurde. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat keinen Zweifel. Die Vorkehrungen seien "richtig, notwendig und angemessen". Deutschland müsse die Sicherheit der Teilnehmer gewährleisten.
Auf Fragen nach der Angemessenheit reagiert Schäuble mitunter etwas genervt. "Sie sollten nicht immer falsch fragen", hielt er etwa in München beim Treffen der G8-Innen-und Justizminister einem Fragesteller entgegen. "Wir sind nicht ein Land, in dem Geisteskranke unterwegs sind." Auch Justizminister Brigitte Zypries (SPD) sprang ihrem Kabinettskollegen zur Seite: Die Aufgeregtheit der Debatte sei im Wesentlichen durch die Medien verursacht, eine Verbindung zum G8-Gipfel bei manchen Vorkommnissen an den Haaren herbeigezogen.
Es ging um die auf Anordnung der Bundesanwaltschaft entnommenen Geruchsproben. Sofort zogen Kritiker die Verbindung zu Stasi-Methoden. Allerdings wurden fünf Beschuldigten die Geruchsproben laut Bundesanwaltschaft im Rahmen der Strafverfolgung und nicht präventiv genommen. Für Aufregung sorgten auch die Androhung von "Unterbindungsgewahrsam" für mögliche Gewalttäter, die Razzien bei vermuteten militanten G8-Gegnern und schließlich die Sichtung von Postsendungen. Für Schäuble hat die Debatte inzwischen schon fast hysterische Züge angenommen. Gegner wie die Links-Politikerin Ulla Jelpke werfen den Behörden indes vor, die G8-Protestbewegung zu kriminalisieren und in die Nähe des Terrorismus zu rücken.
Diesen Schuh will sich Schäuble freilich nicht anziehen. Als Verfassungsminister sieht er sich auch als Verteidiger des Demonstrationsrechts. Wenn Bürger aufmerksam machten, "dass es nicht so weiter gehen kann mit Afrika oder mit der Klimapolitik, dann ist das nur zu begrüßen", sagte er der "Bild am Sonntag". Der von der Globalisierung profitierende wohlhabende Teil "hat die Pflicht, sich um die Benachteiligten zu kümmern". Damit bewegt sich Schäuble auf der Linie von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die in ihrer wöchentlichen Videobotschaft Aktionen für eine gerechte Globalisierung begrüßte. Merkel selbst wirbt für eine "Globalisierung mit menschlichem Antlitz".
Radikale Kritiker machen freilich die G8-Staaten für alle Übel in der Welt verantwortlich, für Armut, Hunger, Ausbeutung, Korruption, Krieg, Umweltzerstörung und Klimawandel. Und sie sehen in dem Jahrestreffen eine Art Politbüro des globalen Kapitalismus. Aus dem 1975 von Kanzler Helmut Schmidt (SPD) und dem französischen Präsidenten Valry Giscard d'Estaing initiierten Kamingespräch im kleinsten Kreis ist im Lauf der Jahre ein Mega-Spektakel geworden. Drinnen immer mehr Teilnehmer, draußen immer mehr Demonstranten.
Quelle: ntv.de