Peres warnt vor Sturz der Hamas Brüchige Waffenruhe
02.02.2009, 20:36 UhrDie vor zwei Wochen verkündete Waffenruhe im Gaza-Konflikt bleibt brüchig. Wenige Stunden nach dem erneuten Beschuss Israels mit palästinensischen Raketen griff die israelische Luftwaffe wieder Ziele im Gaza-Streifen an. Dort und im Westjordanland kamen zwei Palästinenser ums Leben. Präsident Schimon Peres warnte unterdessen vor einem Sturz der Hamas. Er forderte zudem, ebenso wie Außenministerin Zipi Livni,der Friedensprozess müsse auch von der neuen israelischen Regierung fortgesetzt werden. In Israel wird am 10. Februar gewählt.
Nach den Worten von Verteidigungsminister Ehud Barak wird Israel nicht mit einer weiteren militärischen Großoffensive auf den Raketenbeschuss reagieren. "Wir haben gesagt, es wird eine Reaktion geben, und die gab es in der vergangenen Nacht", sagte Barak dem israelischen Nachrichtenportal Ynet.
Mubarak fordert Aussöhnung
Baraks Äußerungen stehen im Gegensatz zu Stellungnahmen von Livni und Ministerpräsident Ehud Olmert. Livni hatte erklärt, notfalls werde Israel eine neue Offensive starten, um den Raketenbeschuss zu stoppen. Olmert drohte mit einer "unverhältnismäßigen" Reaktion.
Ägyptens Präsident Husni Mubarak verlangte derweil eine Aussöhnung zwischen den Palästinenserfraktionen als Voraussetzung für eine Öffnung der Grenzübergänge zum Gazastreifen. Dagegen beharrte ein Sprecher von Hamas in Beirut darauf, die Grenze müsse geöffnet werden, bevor sich die radikalislamische Organisation auf eine dauerhafte Waffenruhe mit Israel einlasse.
Tunnelanlagen angegriffen
Nach einem dreiwöchigen Gaza-Feldzug mit mehr als 1300 Toten war vor zwei Wochen eine von Israel verkündete Waffenruhe in Kraft getreten. Gleichzeitig hatte die Hamas erklärt, ihre Angriffe auf israelische Soldaten und den Raketenbeschuss israelischer Orte auszusetzen. Die Waffenruhe ist seither immer wieder gebrochen worden. Am Sonntag hatte Regierungschef Ehud Olmert mit Vergeltung für den anhaltenden Beschuss Südisraels gedroht.
In der Nacht griff die israelische Armee eine unbesetzte Polizeistation im Gazastreifen und Tunnelanlagen an der Grenze zu Ägypten an. Die von der Hamas geleitete Polizeistation stand Medienberichten zufolge zum Zeitpunkt des Angriffs leer. Die Tunnel im Grenzgebiet zu Ägypten dienen unter anderem dem Schmuggel von Waffen in den Gazastreifen. Diese Waffenlieferungen zu unterbinden, war eines der Ziele der israelischen Offensive in Gaza.
Im Laufe des Tages traf eine von der israelischen Luftwaffe abgefeuerte Rakete östlich der Grenzstadt Rafah ein Auto. Ein Palästinenser wurde getötet, ein weiterer lebensgefährlich verletzt. Ein israelischer Armeesprecher sagte, es handele sich um Militante, die kurz zuvor zwei Mörsergranaten auf Israel abgefeuert hätten. Im Westjordanland wurde beim Beschuss eines Autos nach palästinensischen Angaben ein Palästinenser getötet, vier weitere wurden verletzt.
Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC), Luis Moreno-Ocampo, hat unterdessen mit Vorermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen der Israelis während des Militäreinsatzes im Gazastreifen begonnen. Das Büro des Chefanklägers werde sämtliche relevanten Aspekte analysieren, hieß es in einer Erklärung. Dies bedeute aber noch nicht, dass eine offizielle Untersuchung eingeleitet werde.
Netanjahu ist Favorit
Präsident Peres appellierte an die Parteien in Israel: "Ganz gleich wie die nächsten Wahl ausgeht, der Friedensprozess kann nicht für vier Jahre aufgeschoben werden". Sollte Israel den Friedensprozess nach der Parlamentswahl in einer Woche nicht fortsetzen, müsse man längerfristig einen höheren Preis zahlen. Zugleich warnte er: "Wenn wir Hamas stürzen, werden wir verantwortlich sein für Gaza, für den Wiederaufbau, die Entwicklung und das Wohlergehen".
Livni legte für den Fall eines Wahlsiegs ein klares Bekenntnis für die Fortsetzung der Friedensgespräche mit den Palästinensern ab. "Bei den bevorstehenden Wahlen geht es um den Frieden", sagte die Vorsitzende der Regierungspartei Kadima. Es gebe viele Risiken, aber ein Frieden sei möglich.
Als Favorit bei der Parlamentswahl am 10. Februar gilt Oppositionsführer Benjamin Netanjahu. Der Vorsitzende des rechtsgerichteten Likud lehnt eine Fortsetzung des Friedensprozesses mit den Palästinensern in seiner derzeitigen Form ab. Netanjahu will nur einen "wirtschaftlichen Frieden" schließen. Für ihn steht die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates derzeit nicht zur Debatte. Er will zudem Hamas stürzen.
Ägypten verhandelt mit der Hamas
In Kairo hieß es nach einem Treffen Mubaraks mit dem saudischen Außenminister, Prinz Saud al-Faisal, und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas: Erst wenn es ein "gemeinsame Position der Palästinenser" gebe, sei es möglich, eine dauerhafte Waffenruhe und eine Öffnung der Grenzübergänge zu erreichen sowie den Friedensverhandlungen mit Israel "neues Leben einzuhauchen".
Ägypten will den Grenzübergang Rafah, der die Sinai-Halbinsel mit dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen verbindet, erst dann wieder öffnen, wenn dort Vertreter der Verwaltung von Abbas und EU-Beobachter stationiert sind. Derzeit dürfen nur Arzneimittel über Rafah transportiert werden und medizinische Helfer sowie Journalisten passieren. An diesem Dienstag will die ägyptische Führung erneut eine Delegation der Hamas empfangen, um mit ihr über die Voraussetzungen für eine umfassende Einigung zu sprechen.
Deutsche Experten prüfen Grenzsicherung
Deutsche Experten haben derweil sechs Tage lang die Sicherung der Grenze Ägyptens zum Gazastreifen geprüft. Die gewonnen Erkenntnisse würden derzeit ausgewertet, hieß es aus dem Bundesinnenministerium in Berlin. Dem sechsköpfigen Team, das in der Nacht aus Ägypten nach Berlin zurückkehrte, gehörten Experten des Innenministeriums, des Auswärtigen Amtes und der Bundespolizei an.
Abbas und Mitchell in Paris
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der US-Sondergesandte für den Nahen Osten, George Mitchell, sind unterdessen zu politischen Gesprächen über die Nahostkrise in Paris eingetroffen. Abbas sei am Abend mit Präsident Nicolas Sarkozy zusammengetroffen, sagte eine Sprecherin des lyses. Es ist für Abbas der Auftakt einer mehrtägigen Europareise. Am Dienstag soll er in der französischen Nationalversammlung empfangen werden.
Zuvor war Mitchell sowohl mit Sarkozy als auch mit Außenminister Bernard Kouchner zusammengekommen. Details der Gespräche wurden nicht bekannt. Frankreich bemüht sich auch nach dem Ende seiner EU-Ratspräsidentschaft stark um eine Vermittlung im Nahen Osten.
Quelle: ntv.de