EU entsendet Beobachter Brüchiger Frieden in Georgien
13.08.2008, 18:06 UhrIm Südkaukasus-Konflikt dauern die Spannungen zwischen Russland und Georgien auch nach der Waffenstillstands-Erklärung an. Auch die militärische Lage war unklar. Russische Truppen hielten sich mit gepanzerten Fahrzeugen in der Stadt Gori auf, 60 Kilometer vor der Hauptstadt Tiflis.
Georgische Medien berichteten über Plünderungen in der weitgehend zerstörten und von den Bewohnern verlassenen Stadt. Ein russischer Militärsprecher sagte, die Truppen hätten in Gori lediglich ein georgisches Waffendepot geräumt.
R ückzug am Donnerstag
Nach georgischen Angaben ziehen sich die russischen Truppen am Donnerstag aus der umkämpften Stadt Gori zurück. "Es sieht so aus, als ob die Russen die politische Entscheidung gefällt haben, sich aus Gori zurückzuziehen", sagte der Chef des Nationalen Sicherheitsrats, Alexander Lomaja, in Tiflis.
Ihm sei vom russischen Militär zugesichert worden, dass die Soldaten sich am Donnerstag zurückziehen würden. Die georgische Polizei würde dann beginnen, wieder durch die Stadt zu patrouillieren.
"Wir haben sehr glaubhafte Berichte, dass Dörfer niedergebrannt und beschossen werden, darüber, dass unschuldige Menschen, Zivilisten getötet werden", sagte der US-Diplomat Matthew Bryza dem georgischen Fernsehen. "Ich bin in Tiflis, wir bemühen uns noch immer, diese Berichte zu bestätigen", sagte Bryza.
Bush sagt Hilfe zu
US-Präsident George W. Bush hat unterdessen Russland aufgefordert, seine Zusagen einzuhalten und die Krise in Georgien zu beenden. Russland müsse das Vorrücken seiner Truppen stoppen und sich aus Georgien zurückziehen, sagte Bush in Washington. Die US-Luftwaffe und US-Marine würden als Zeichen der amerikanischen Solidarität mit Georgien unverzüglich mit der Lieferung von Hilfsgütern beginnen.
Nach Angaben des Weißen Hauses traf eine erste Transportmaschine vom Typ C-17 bereits in Tiflis ein, ein zweites Flugzeug soll am Donnerstag landen. Auch andere ausländische Hilfslieferungen für die nach UN-Schätzungen 100.000 Flüchtlinge trafen in der Region ein. Das Rote Kreuz beklagte verheerende Zustände im Krisengebiet. In weiten Teilen Südossetiens sei die Infrastruktur komplett zerstört.
"Aus dem Loch kommen"
US-Außenministerin Condoleezza Rice warnte die russische Regierung vor Großmachtambitionen im Stil der ehemaligen Sowjetunion. Russland müsse nach Rices Worten zudem mit weiterer internationaler Isolierung rechnen, sollte sie ihre Ankündigung eines Einsatzendes in Georgien missachten. Russland müsse umgehend alle militärischen Operationen beenden und "anfangen, aus dem Loch herauszukommen, in dem es steckt".
Spekulationen über ein militärisches Eingreifen in der Kaukasus-Krise hat das Weiße Haus zurückgewiesen. Die USA nutzen Luftwaffen-Flugzeuge und ihre Flotte zum Transport humanitärer Güter, "weil das Militär dazu am besten in der Lage ist", sagte Sprecherin Dana Perino. Die Frage, ob die USA bei andauernden Verletzungen der Waffenruhe durch Russland militärisch aktiv werden würden, wies Perino ebenfalls zurück. "Das ist völlig verfrüht, hypothetisch und spekulativ. Das will ich nicht kommentieren", sagte die Sprecherin.
USA sollen sich entscheiden
Russland forderte die USA auf, sich zu einer "echten Partnerschaft" mit Moskau zu bekennen. Washington müsse sich entscheiden zwischen der Fortführung des "virtuellen Projekts" einer georgischen Führung oder der Zusammenarbeit mit Russland in international wichtigen "Fragen, die wirklich kollektives Handeln erfordern", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte Russland und Georgien zur sofortigen Einhaltung der Waffenruhe auf. Moskau und Tiflis müssten den von Frankreich vorgeschlagenen Friedensplan umgehend umsetzen, ließ Ban in New York erklären.
EU entsendet Beobachter
Die EU-Staaten sind derweil zur Entsendung von Beobachtern nach Georgien und in die abtrünnige georgische Region Südossetien bereit. Das sagte Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner nach einem Krisentreffen der EU-Außenminister in Brüssel.
Möglicherweise werde später auch die Entsendung von bewaffneten EU-Friedenstruppen nötig. Dies sei jedoch nur mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrats möglich, in dem Russland ein Vetorecht hat. Die EU-Außenminister einigten sich darauf, erst bei einem späteren Treffen über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Russland zu sprechen.
Deutscher Beitrag
Deutschland könne sich einem europäischen Beitrag zur Stabilisierung "nicht entziehen", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier: "Wir werden dann konkret zu entscheiden haben, in welcher Form wir uns an einem solchen europäischen Beitrag beteiligen müssen."
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird unterdessen in der kommenden Woche in die georgische Hauptstadt Tiflis reisen und Georgiens Präsident Michail Saakaschwili treffen. An diesem Freitag trifft Merkel in der russischen Schwarzmeer-Stadt Sotschi den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew.
Merkel machte zugleich klar, dass für Deutschland die territoriale Integrität Georgiens außer Frage stehe und es "völlig inakzeptabel" sei, wenn die Legitimität der demokratisch gewählten georgischen Regierung in Zweifel gezogen werde.
Vorwurf des "Völkermords"
In Südossetien nahmen etwa 200 russische Ermittler ihre Arbeit auf. Sie sollen Verbrechen dokumentieren, die von den Georgiern bei dem Angriff auf das Separatistengebiet begangen wurden. Der russische Präsident Dmitri Medwedew wirft den Georgiern "Völkermord" in Südossetien vor. Georgien verklagte Russland vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen "ethnischer Säuberungen".
Die Präsidenten Polens, Litauens, Lettlands und Estlands kritisierten den Friedensplan für Georgien. Der vom französischen Staatschef und EU-Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy entworfene Plan erkenne das Recht Georgiens auf territoriale Integrität nicht an, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.
"Russland ist Teil des Konflikts"
Der schwedische Außenminister Carl Bildt sagte, Russland könne nicht länger Friedenstruppen in Südossetien stellen: "Russland ist Teil des Konflikts." Steinmeier sagte dagegen, er sei weiter dafür, den Kontakt zu Russland nicht abreißen zu lassen: "Wir werden am Ende Stabilität im Kaukasus nicht ohne oder gegen Russland erreichen, sondern nur mit Russland."
Moskauer Angaben zufolge starben bei den am Freitag ausgebrochenen Kriegshandlungen in Georgien 74 russische Soldaten. Die georgische Regierung sprach von 165 eigenen Kriegstoten im Land - mit Ausnahme des Gebietes Südossetien. Dort sollen nach russischen Angaben etwa 2000 Menschen gestorben sein.
Quelle: ntv.de