Politik

FDP-Tief nur eine Momentaufnahme Brüderle ist "mit Volldampf dabei!"

Der FDP misslingt der Einzug in die Bremer Bürgerschaft - nicht die erste Wahlschlappe in diesem Jahr. Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Rainer Brüderle, glaubt fest daran, dass sich die Neuaufstellung der Partei noch bezahlt machen wird. Mit einer klaren Agenda, die weit über das Thema Steuersenkungen hinausgeht, sieht Brüderle die Partei gut aufgestellt, um künftig weiterhin als verlässlicher Partner fungieren zu können.

n-tv.de: Bisher galt die FDP in den Augen des gemeinen Mannes als Steuersenkungspartei. Nun soll es neue Themen geben. Welche?

FDP-Fraktionsvorsitzender Rainer Brüderle glaubt an die Erholung seiner Partei.

FDP-Fraktionsvorsitzender Rainer Brüderle glaubt an die Erholung seiner Partei.

(Foto: picture alliance / dpa)

Rainer Brüderle: Es gab schon immer mehr Themen. In der Koalition haben wir vereinbart, dass wir die Schuldenbremse von maximal 0,35 Prozent Neuverschuldung bis 2016, die auch wir Liberalen wollten, einhalten. Die Entlastung für kleine und mittlere Einkommen bleibt auf der Agenda, weil wir eine andere Balance zwischen eigenverantwortlicher Entscheidungsmöglichkeit und kollektiver Entscheidung wollen. Die Neuausrichtung der Energiepolitik war immer Thema der FDP, aber das rückt jetzt nach dem schlimmen atomaren Unfall von Fukushima mehr in den Vordergrund.

Heißt das, Ausstieg so rasch wie möglich?

So rasch wie möglich in dem Sinne, dass das Ganze auch machbar, bezahlbar und sicher sein muss. Die drei Punkte stehen immer ganz vorn: Sicherheit, Klimafreundlichkeit und Bezahlbarkeit.

Haben Sie eine Jahreszahl?

Das ist schwer zu sagen, weil die Ergebnisse der Prüfung der Ethikkommission noch nicht vorliegen. Die Kommission zur Prüfung der Reaktorsicherheit hat das relativ offen dargestellt. Da wird man noch einige Fakten hinzufügen müssen, um die Sache etwas deutlicher zu umreißen. Wahrscheinlich wird ein Korridor von zwei, drei Jahren herauskommen. So präzise ist das gar nicht greifbar.

Ihre Partei fällt nach dem Rostocker Parteitag laut Forsa wieder auf drei Prozent, auch, so heißt es, weil Rainer Brüderle seinen Posten als Wirtschaftsminister abgegeben hat.

Das sind immer nur Momentaufnahmen. Wir haben uns neu aufgestellt. Das muss erst noch wirken. Ich bin ja als Fraktionsvorsitzender mit Volldampf in einer wichtigen Schlüsselfunktion dabei. Wir werden, davon bin ich fest überzeugt, auch dieses Tief überwinden. So etwas habe ich ja in meinem politischen Leben mehrfach erlebt.

Und wie bewerten Sie das Abschneiden Ihrer Partei in Bremen?

Das vorläufige Ergebnis ist sicherlich nicht erfreulich. Die Neuaufstellung konnte nicht so kurzfristig wirken. Zumal es auch in Bremen landespezifische Probleme gab.

Eine Krankenkasse ist schon pleitegegangen, eine zweite steht kurz davor, dank der Gesundheitsreform von Herrn Rösler. Halten Sie an einer Reform fest, welche die steigenden Kosten immer nur den Arbeitnehmern auferlegt?

Entscheidend ist, dass man die Effizienz im System steigert. Das Gesundheitssystem darf nicht zu einer Bremse gegen Arbeitsplätze werden. Wir wollen Gesundheit bezahlbar halten und ein vernünftiges Versorgungssystem gewährleisten, was sich jetzt abzeichnet. Es ist in keinem Fall hinnehmbar, dass einzelne Versicherte einer insolventen Krankenkasse zu Opfern werden. Dazu darf es in keinem Fall kommen. Dafür sind die entsprechenden Vereinbarungen getroffen worden, die eingehalten werden müssen. In Deutschland haben wir ein paar hundert Versicherungen. Da ist ein Stückchen Flurbereinigung notwendig, die aber nicht zu Lasten der Versicherten gehen darf. Das ist völlig unmöglich und von der Reform so auch nicht auf den Weg gebracht.

Griechenland ist wieder in der Bredouille. Ist Umschuldung mittel- oder sogar kurzfristig, nicht der richtige Weg?

Zu einem Zeitpunkt X muss man schon eine Umschuldung vornehmen. Einmal, um den Griechen eine leichter verkraftbare Zinslast zu verschaffen. Sie müssen ja auch die Chance haben, durch Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, das ist das Kernproblem Griechenlands, wieder hochzukommen. Sie müssen das, was sie ausgeben, auch erwirtschaften. Die große Schwäche Griechenlands ist, dass das Land über Jahrzehnte weit mehr ausgegeben als es erarbeitet hat. Den Zeitpunkt X für eine Umschuldung habe aber nicht ich festzulegen. Griechenland ist ein souveränes Land, das selbst entscheidet. Dazu sind Umschuldungsregelungen erforderlich, wie wir dies ja auch bei anderen Ländern hatten, die in Schwierigkeiten geraten waren.

Griechen, Portugiesen und Spanier machen laut Kanzlerin mehr Urlaub und gehen früher in Rente. Nur sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache. Driftet Europa durch solche Äußerungen, zumal in einer Krisensituation, nicht auseinander?

Ich vermute, die Kanzlerin hat gemeint, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist. Wenn wir anderen helfen, müssen jene Länder, die Hilfe erhalten, auch alles daransetzen, die Ursachen ihrer Probleme zu beseitigen. Im Falle Griechenlands ist das die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Es ist hilfreich, dass man merkt, wenn man sich mehr erlaubt, hat das Konsequenzen.

Sie haben gesagt, Griechenland wäre ein souveränes Land, das selbst entscheidet, wann es eine Umschuldung beantragt. Manch böse Zunge sagt, eigentlich regierten die Europäische Zentralbank, die EU und der Internationale Währungsfonds. Das bringt mich, etwas ungeschickt, zu der Frage, wer Nachfolger von Dominique Strauss-Kahn an der Spitze des Währungsfonds werden soll.

Das ist eine hochsensible Frage. Es gibt klare Vorstellungen von den Schwellenländern, die mehr Gewicht bekommen wollen: Brasilien, Indien, China. Ich meine, weil die Entwicklung des Euro, neben dem Dollar die zweite große Währung, von zentraler Bedeutung ist, spricht vieles dafür, dass es wieder ein Europäer wird. Das ist aber nicht bis in alle Ewigkeit so festgeschrieben. Jetzt halte ich es für klug, wenn wieder ein Europäer diese Position einnimmt. Nachdem der Verzicht des bisherigen IWF-Direktors einen bedrückenden Fortgang genommen hat, sollte jetzt erst einmal diskret vorsortiert werde. Das ist sinnvoller als marktschreierisch Kandidaten durchs Dorf zu treiben.

Bleibt die Union auch künftig Ihr Traumpartner?

Traumpartner sind die Ehefrau oder der Lebensgefährte. In der Politik gibt es keine Traumpartner. Es geht immer um eine Zusammenarbeit auf Zeit; man schließt einen Koalitionsvertrag für eine bestimmte Periode. Das ist nicht einfach bei drei Parteien. Wir haben aber eine klare Agenda. Die FDP ist ein verlässlicher Partner. Das erwarten wir auch von den anderen. In einer Demokratie muss es ja auch unterschiedliche Konstellationen geben. Aus der heutigen Sicht ist die Union der Partner, mit dem wir am meisten umsetzen können.

Quelle: ntv.de, mit Rainer Brüderle sprach Manfred Bleskin

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