Trauernicht unter Druck Brunsbüttel abgeschaltet
21.07.2007, 11:55 UhrNach dem Kernkraftwerk Krümmel ist nun auch der Atommeiler Brunsbüttel vollständig abgeschaltet. Das teilte das schleswig-holsteinische Sozialministerium mit. Grund seien fehlerhafte Verankerungen, die bei Überprüfungen im Sicherheitssystem festgestellt worden waren. Die Atomaufsicht hatte vom Betreiber Vattenfall gefordert, im Rahmen des umfangreichen Prüfprogramms eine Begehung des Sicherheitsbehälters zu ermöglichen. Die Begehung erfolgt jetzt in der kommenden Woche.
Trauernicht unter Druck
Die schleswig-holsteinische Sozialministerin Gitta Trauernicht ist nach Medienberichten bereits am Abend des Störfalls im Atomkraftwerk Krümmel am 28. Juni umfassend über das Ausmaß des Transformator-Brands informiert gewesen. Betreiber Vattenfall habe der Ministerin auf mehreren Seiten per Fax einen detaillierten Ablauf über die Geschehnisse geliefert, berichten mehrere Medien nach Einblick in das Dokument übereinstimmend.
Auf einer Pressekonferenz am folgenden Tag habe die SPD-Politikerin aber nicht erwähnt, dass der Störfall ernster gewesen sei als bis dahin angenommen. Trauernicht habe erst mehrere Tage später von Auffälligkeiten gesprochen, wie der "Focus" schreibt. Laut dem Fax-Bericht seien Pumpen ausgefallen, Ventile unplanmäßig geöffnet worden und der Kühlwasserpegel sei abgesackt. Aus dem Vattenfall-Fax gehe die Dramatik der Vorgänge in Krümmel unmittelbar hervor, sagte auch der Greenpeace-Experte Heinz Smital dem "Flensburger Tageblatt". Das Kieler Sozialministerium weist die Vorwürfe dagegen zurück. Wichtige Details seien erst Tage später von Gutachtern geklärt und dann umgehend kommuniziert worden, erklärte ein Ministeriumssprecher.
Mangelnde Informationen vom Ministerium
Ihr Schweigen habe Trauernicht später damit begründet, dass Vattenfall das Ministerium nicht umfassend informiert habe. Ein Ministeriumssprecher bestätigte zwar den Eingang des Faxes. Bei den Informationen habe es sich aber lediglich um Stichworte gehandelt, die man nicht ohne umfassende Prüfung habe veröffentlichten dürfen. Außerdem sei aus den Informationen von Vattenfall keineswegs das Ausmaß abzulesen gewesen.
Dem widersprach der energiepolitische Sprecher der Kieler Grünen, Detlef Matthiessen: Von einer stichwortartigen Information könne nicht die Rede sein, sagte er dem "Flensburger Tageblatt". Sogar das Eindringen des Rauches in die Leitwarte könne daraus abgelesen werden. "Dafür muss man nicht einmal Atomexperte sein", sagte Matthiessen. Wenn Trauernicht Vattenfall vorwerfe, die Öffentlichkeit falsch informiert zu haben, treffe sie dieser Vorwurf selbst mindestens genauso.
Diesen Schluss wies Trauernichts Sprecher zurück: "Das ist schlicht absurd." Das Ministerium sei den Pflichten als Atomaufsichtsbehörde jederzeit nachgekommen. Dem "Focus" sagte die Ministerin: "Wir haben umgehend alle gesicherten Erkenntnisse mitgeteilt."
Beckstein für längere Laufzeiten
Der designierte bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein hat sich ungeachtet der Pannenserie für eine Verlängerung der Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke ausgesprochen. "Die CSU hat aus Achtung vor der Schöpfung Umweltthemen immer besonders betont. Allerdings halte ich die Kernkraft für eine Übergangszeit von einigen Jahrzehnten noch für unbedingt notwendig", sagte der bayerische Innenminister der "Berliner Zeitung".
Gewinne für den Ausbau regenerativer Energien
Man könne nicht Kohlendioxid reduzieren, wenn man gleichzeitig die Atomkraftwerke abschalte. Trotz der jüngsten Pannen gelte: "Die deutschen Kernkraftwerke sind sicher, ihre Laufzeiten sollten verlängert werden", sagte der CSU-Politiker. Man könnte die Energieunternehmen dann verpflichten, die Hälfte der dadurch erzielten Betriebsgewinne zum Ausbau regenerativer Energien zu verwenden.
Merkel: "Transparenz ist das A und O"
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rief angesichts der Pannen bei Vattenfall die Kraftwerksbetreiber dazu auf, sich an die Bestimmungen des Atomgesetzes zu halten. "Das Atomgesetz bietet die richtige Grundlage, um so etwas zu verhindern. Es ist eines der anspruchsvollsten weltweit", sagte sie der "Passauer Neuen Presse".
Außerdem erneuerte Merkel ihre Kritik am Konzern Vattenfall. "Bei der Aufklärungsarbeit und dem Krisenmanagement von Vattenfall gab es erhebliche Mängel. So etwas darf sich nicht wiederholen, wenn die Betreiber von Atomkraftwerken nicht noch mehr Vertrauen verspielen wollen. Transparenz ist das A und O." Sonst würden die Menschen weiter verunsichert.
Quelle: ntv.de