Politik

"Die kriegen den Hals nicht voll" Bsirske verteidigt Postbank-Streik

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Die Mitarbeiter der Postbank wehren sich gegen Lohnkürzungen und längere Arbeitszeiten.

(Foto: dpa)

Die Postbank im Ausstand: Verdi will den Arbeitskampf zu einem erfolgreichen Ende führen. Ihr Vorsitzender Frank Bsirske verteidigt den Streik und hält die Forderungen der Gewerkschaft trotz und gerade in der Eurokrise für richtig und realistisch. Diese könne nur überwunden werden durch Stabilisierung, Belebung und eine Befreiung vom "Würgegriff der Finanzmärkte".

n-tv.de: Auf Initiative von Verdi wird die Postbank bestreikt. Sind die Forderungen angesichts der Krise realistisch?

Frank Bsirske: Absolut. Was die Postbank im Auftrag der Deutschen Bank macht, stellt einen Angriff auf zentrale Arbeits- und Entlohnungsbedingungen dar. Die Arbeitszeit soll auf 42 Stunden verlängert werden, um anschließend Arbeitsplätze abbauen zu können. Gleichzeitig soll der Jahresurlaub um drei Tage verringert, die Löhne sollen gesenkt werden. Das ist völlig abwegig, schon alleine deswegen, weil die Deutsche Bank auf ihrer Quartalsbilanzkonferenz eine Rendite von 14,3 Prozent und einen Vorsteuergewinn in den ersten neun Monaten 2011 von 4,1 Milliarden ausweist. Die kriegen den Hals nicht voll. Sie haben auch aus der Krise nichts gelernt. Die glauben, einfach so weiter machen zu können wie vorher. Hier müssen Grenzen gesetzt und Riegel vorgeschoben werden. Das werden wir mit diesem Arbeitskampf auch erreichen.

Das Thema Finanz- und Eurokrise wird uns ja sehr wahrscheinlich noch lange beschäftigen. Welche Lösung schlagen Sie vor?

Wir müssen die Staaten aus dem Würgegriff der Finanzmärkte befreien. Eurobonds sind dafür ein richtiges, wenngleich kein Allheilmittel. Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (ESFS) sollte mit einer Banklizenz ausgestattet werden. Wir haben schon vor Monaten zusammen mit dem DGB für eine europäische Bank für öffentliche Anleihen plädiert. Damit würde Schluss gemacht mit der Praxis der Privatbanken, sich bei der Europäischen Zentralbank für einen Zinssatz von einem Prozent Geld zu leihen und dann mit sechs, sieben Prozent an die Staaten weiterzuverleihen. Weiter brauchen wir eine Art Marshallplan für die Länder des Südens. Bei allem, was sie im Lande selbst machen müssen, kommen sie nicht aus der Misere heraus, wenn sie in die Krise hineinsparen. Da braucht es Investitionshilfen. Wir dürfen aber nicht nur auf den Süden schauen: Vonnöten ist auch eine Belebung und Stabilisierung des Binnenmarktes in den Ländern mit einem Leistungsbilanzüberschuss.

Das würde unter anderem Lohnerhöhungen bedeuten.

Das bedeutet Reregulierung des Arbeitsmarktes in der Bundesrepublik, gesetzlicher Mindestlohn, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, egal, ob Leih- oder Stammarbeit von der ersten Stunde an, das bedeutet nachhaltige Lohnsteigerungen, mindestens eine Ausschöpfung des kostenneutralen Verteilungsspielraums, eher mehr. Und wir brauchen öffentliche Investitionen, weil die Konjunktur zu schwächeln beginnt. Da muss gegengesteuert werden.

Wie soll das finanziert werden?

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Frank Bsirske verteidigt den Streik.

(Foto: dapd)

Eben nicht über eine ungehemmte Neuverschuldung, sondern über eine Umverteilung von oben nach unten, über eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Erhöhung der Erbschaftssteuer bei der Besteuerung großer Erbschaften, über eine stärkere Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Kapital. Deutschland ist bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Kapital ein Niedrigsteuerland. Deutschland war über Jahre ein Motor des Steuersenkungswettlaufs. Die Bundesrepublik ist eine Steueroase bei der Besteuerung großer Erbschaften und Vermögen. Das können wir uns nicht mehr leisten. Da muss ein Richtungswechsel vollzogen werden. Es müssen also mehrere Faktoren zusammenwirken, um der Eurokrise zu begegnen.

Weiter muss ein fundamentaler Konstruktionsfehler angegangen werden: Es muss eine gemeinsame Wirtschafts-, Fiskal- und Steuerpolitik her. Wir brauchen eine Wirtschaftsregierung, demokratisch kontrolliert durch ein in seinen Rechten gestärktes Europäisches Parlament und ausgestattet mit einer eigenen Einnahmequelle in Gestalt einer europäischen Finanztransaktionssteuer auf Kapitalbewegungen. Dieses Gesamtkonzept ist geeignet, die EU zu stabilisieren, den europäischen Integrationsprozess voranzubringen. Es ist ein Konzept für mehr Europa, aber anders als bisher.

Noch einmal Themenwechsel: Die Nazimordserie hat das Verbot der NPD erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Wie stehen Sie dazu?

Ein NPD-Verbot macht die Auseinandersetzung mit rechtsextremen Auffassungen nicht überflüssig, aber es ist ein richtiger Schritt. Es ist unerträglich, dass solche Gestalten mit Steuergeldern subventioniert werden. Ich bin für ein Verbot der NPD, das begleitet wird von der Förderung von Initiativen, die sich gegen Rechts stemmen. Zugleich müssen Menschen, die sich in diese Richtung orientieren, Alternativen angeboten werden.

Was macht Verdi?

Es gibt bei Verdi eine ganze Reihe von antifaschistischen Initiativen, die sich aktiv mit dem Rechtsextremismus auseinandersetzen. Hier in der Bundesverwaltung werden diese Initiativen koordiniert. So leisten wir unseren Beitrag, dem Rechtsextremismus entgegenzutreten.

Quelle: ntv.de, Mit Frank Bsirske sprach Manfred Bleskin

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