Politik

"Hat Grauen nicht verloren" Buchenwald erschüttert Obama

Obama in Begleitung von Kanzlerin Merkel sowie den Zeitzeugen Elie Wiesel (rechts) und Bertram Herz (links) beim Betreten der Gedenkstätte.

Obama in Begleitung von Kanzlerin Merkel sowie den Zeitzeugen Elie Wiesel (rechts) und Bertram Herz (links) beim Betreten der Gedenkstätte.

(Foto: REUTERS)

Seinen Besuch in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald nutzt der sichtlich bewegte US-Präsident, um die Verantwortung zu betonen, "dass so etwas nie wieder passiert". Er werde nicht vergessen können, was er in dem ehemaligen Konzentrationslager gesehen habe. Plastisch macht dies der KZ-Überlebende Elie Wiesel, der auf ergreifende Weise von seiner Zeit in dem Lager erzählt.

Sichtlich bewegt hat US-Präsident Barack Obama im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald zu dauerhafter Wachsamkeit gegenüber Rassenhass und Intoleranz aufgerufen. "Diese Stätte lehrt uns, ständig wachsam zu sein in unserer eigenen Zeit, dass so etwas nie wieder passiert", sagte der sichtlich erschütterte Präsident nach einem Rundgang durch das Lager, in dem bis 1945 insgesamt 56.000 von 250.000 Häftlingen ums Leben kamen.

Die Erinnerung an den Terror müsse in der Welt wachgehalten werden. Er werde nicht vergessen können, was er in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers gesehen habe. Der Ort sei immer noch voller Schrecken und der Beweis dafür, dass die Leugnung des Holocaust nicht richtig sei. Obama dankte dem deutschen Volk für seinen Umgang mit der Vergangenheit.

Zum Gedenken an die KZ-Opfer legte der US-Präsident eine weiße Rose nieder.

Zum Gedenken an die KZ-Opfer legte der US-Präsident eine weiße Rose nieder.

(Foto: REUTERS)

Als Zeichen des Respekts und des Erinnerns legte der US-Präsident gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie mit dem Friedensnobelpreisträger und früheren Lager-Insassen Elie Wiesel gelbe Rosen auf einem Mahnmal nieder, das stets auf die Temperatur von 37 Grad und damit des menschlichen Körpers erwärmt wird.

Erinnerung an Obamas Großonkel

"Diese Stätte hat ihr Grauen nicht verloren", sagte Obama. Der Präsident erinnerte an seinen Großonkel, der Anfang April 1945 als US-Soldat an der Befreiung des Buchenwald-Außenlagers Ohrdruf beteiligt war. Der Kriegsheimkehrer habe sich monatelang abgesondert, um allein mit seinen schrecklichen Erinnerungen zu sein, sagte er.

Merkel "verneigt sich" vor Opfern

Bundeskanzlerin Merkel sagte nach dem Besuch: "Ich verneige mich vor den Opfern." Die Erinnerung an den Zivilisationsbruch des Massenmordes an den Juden sei Teil der deutschen Staatsräson geworden. Aus der Geschichte erwachse die Verpflichtung, gegen Terror, Extremismus und Antisemitismus einzutreten und sich für Frieden, Freiheit und Demokratie einzusetzen.

Außerdem dürfe nie vergessen werden, welch große Opfer erbracht wurden, um den Terror des Nationalsozialismus zu beenden. "Wir Deutschen werden nicht vergessen, dass wir nach dem Krieg die Chance zum Neuanfang, zu Frieden und zu Freiheit, der Entschlossenheit und dem Einsatz - und ja, auch das: dem Blutzoll - der Vereinigten Staaten und all denen zu verdanken haben, die an ihrer Seite als Alliierte oder Widerstandskämpfer standen", sagte Merkel.

Wiesel wirbt für Neuanfang

"Wir wollen nicht mehr auf Friedhöfe gehen": Elie Wiesel erinnerte in einer ergreifenden Ansprache an seine Zeit im KZ Buchenwald.

"Wir wollen nicht mehr auf Friedhöfe gehen": Elie Wiesel erinnerte in einer ergreifenden Ansprache an seine Zeit im KZ Buchenwald.

(Foto: dpa)

Die bewegendste Ansprache hielt Friedensnobelpreisträger Wiesel, der selbst Insasse des Lagers war und dort seinen Vater verloren hatte. Mit leisen, aber eindringlichen Worten appellierte der 80-Jährige: "Die Zeit ist gekommen, wir wollen nicht mehr auf Friedhöfe gehen. Es gibt genug Waisen, es gibt genug Opfer." Die Menschen müssten entschlossen sein, aufeinander zuzugehen, um dafür zu sorgen, dass das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert des Neuanfangs sei.

Harmonie in Dresden

In Dresden hatten Merkel und Obama zuvor gemeinsam in der Frauenkirche gebetet, die als Symbol für das Leid der Deutschen im Krieg, aber auch den Willen zum Wiederaufbau und zur Versöhnung steht. Zum Auftakt des zweiten Deutschlandbesuchs von Obama als US-Präsident untermauerten beide Politiker auch ihren Willen zu enger Partnerschaft. Sie betonten, dass sie bei der Überwindung der internationalen Krisen auf einer Linie lägen.

Merkel und Obama in der Frauenkirche: "Es macht wirklich Spaß, mit dem amerikanischen Präsidenten zusammenzuarbeiten."

Merkel und Obama in der Frauenkirche: "Es macht wirklich Spaß, mit dem amerikanischen Präsidenten zusammenzuarbeiten."

(Foto: REUTERS)

Obama wollte am Abend noch das US-Militärhospital in Landstuhl in der Pfalz besuchen, wo amerikanische Kriegsverwundete aus dem Irak und Afghanistan behandelt werden. Im Anschluss war der Weiterflug nach Frankreich vorgesehen, wo Obama am Samstag an den Feiern zum 65. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie teilnehmen will.

Zum Auftakt seines zweiten Deutschland-Besuchs innerhalb von neun Wochen hatte Obama entschieden Darstellungen zurückgewiesen, dass sein Verhältnis zu Merkel getrübt sei: "Dies sind Spekulationen ohne konkrete Tatsachen." Das knappe Programm in Deutschland begründete er damit, dass "ein Tag nur 24 Stunden hat". Merkel sagte, auch bei unterschiedlichen Sichtweisen hätten sie und Obama immer eine gemeinsame Lösung erzielt. Anders als noch in Baden-Baden im April suchte Obama aber in Dresden nicht den Kontakt mit den Bürgern. Die Innenstadt war hermetisch abgeriegelt.

Merkel macht Zugeständnisse

Merkel hatte zu Beginn des Kurzbesuchs in Dresden deutsche Hilfe zur Lösung des Nahost-Konflikts versprochen. Sie wertete Obamas Angebot an Muslime zur Versöhnung als bedeutend. "Die Rede gestern war so etwas wie ein Türöffnen auch gerade in die arabische Welt", sagte Merkel. Nun müssten konkrete Schritte folgen. Obama betonte, Washington sei fest entschlossen, das Problem anzugehen.

Nachdem Innenminister Wolfgang Schäuble erhebliche Vorbehalte gegen die Aufnahme von Häftlingen aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba in Deutschland geäußert hatte, zeigte sich Merkel gesprächsbereit. Sie sei überzeugt, dass es eine Lösung geben werde. "Deutschland hat sich immer dafür eingesetzt (...), dass Guantánamo geschlossen wird." Derzeit gebe es Gespräche von Schäuble mit der US-Regierung. Obama sagte, Merkel habe sich "sehr offen" gezeigt. Es habe aber keine konkreten Zusagen gegeben. Obama sprach von sehr "komplexen Fragen".

Quelle: ntv.de, dpa/rts/tis

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