Politik

Opposition macht Bangkok dicht "Bürgerkrieg ist nicht mehr ausgeschlossen"

Ein Demonstrant in Bangkok mit Guy-Fawkes-Maske. Normalerweise ist sie das Symbol der Anonymous-Bewegung.

Ein Demonstrant in Bangkok mit Guy-Fawkes-Maske. Normalerweise ist sie das Symbol der Anonymous-Bewegung.

(Foto: REUTERS)

Mit der Blockade der Hauptstadt Bangkok ist eine neue Eskalationsstufe erreicht, sagt Thailand-Expertin Anja Bodenmüller von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das Ziel der Opposition sei Chaos - und eine umfassende "Ent-Thaksinisierung" Thailands.

n-tv.de: Was ist das Ziel der Regierungsgegner in Thailand? Chaos und Anarchie?

Anja Bodenmüller: Chaos ist sicherlich ein Ziel der Regierungsgegner, weil sie so das Militär zum Eingreifen bewegen könnten. Ein Einschreiten des Militärs würde das Ende der Regierung von Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra bedeuten. Und darum geht es den Demonstranten.

Was will die Opposition - abgesehen davon, dass sie die jetzige Regierung beseitigen wollen?

Ein weitreichendes Ziel der Opposition ist die "Ent-Thaksinisierung" Thailands, also eine umfassende politische Entmachtung der gesamten Thaksin-Familie. Nach dem Militärputsch von 2006, als Ministerpräsident Thaksin Shinawatra gestürzt wurde, ist das nur unvollständig gelungen. Thaksin floh zwar ins Exil. Aber jetzt wird die Regierung von seiner Schwester geführt.

Welche Rolle spielt die Armee, wie wahrscheinlich ist es, dass sie eingreift?

Das Militär spielt in der thailändischen Politik traditionell eine sehr wichtige Rolle. Die direkte politische Einflussnahme des Militärs wurde durch den politischen Reformprozess der 1990er Jahre zurückgefahren. Das änderte sich jedoch wieder durch den Putsch von 2006. Derzeit ist die Gefahr eines erneuten Militärputsches wahrscheinlich so groß wie in den letzten sieben Jahren nicht.

Bisher hat sich die Armee eher zurückgehalten.

Was vornehmlich daran liegt, dass Ministerpräsidentin Yingluck es erfolgreich geschafft hat, gute Arbeitsbeziehungen zum Militär zu entwickeln - auch aufgrund von Zugeständnissen bei den jährlichen Besetzungen von Posten in der Armee oder beim Militärbudget. Derzeit hat die Armee keinen Grund, in das politische Geschehen einzugreifen, eigentlich haben sie alles, was sie wollen. Dennoch stehen sie politisch auf der Seite der Opposition. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sie sich gegen die Regierung stellen, wenn es hart auf hart kommt.

Besteht die realistische Gefahr eines Bürgerkriegs in Thailand?

Anja Bodenmüller arbeitet in der Forschungsgruppe Asien der Stiftung Wissenschaft und Politik. Thailand ist einer ihrer Schwerpunkte.

Anja Bodenmüller arbeitet in der Forschungsgruppe Asien der Stiftung Wissenschaft und Politik. Thailand ist einer ihrer Schwerpunkte.

(Foto: swp-berlin.org)

Mit dem Shutdown von Bangkok ist auf jeden Fall eine neue Eskalationsstufe erreicht. Ein Bürgerkrieg ist jetzt nicht mehr ausgeschlossen. Zumal auch ein Eingreifen des Militärs kaum ein Ende des Konflikts bringen würde: Die Regierungsanhänger haben bereits angekündigt, dass sie bereit sind, nach Bangkok zu ziehen, um ihrerseits zu demonstrieren.

Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra plant für Februar Neuwahlen. Kann die Bildung eines neuen Parlamentes etwas ändern?

Nein. Die oppositionelle Demokratische Partei boykottiert die Wahlen, sie hat sich gar nicht erst registrieren lassen. Damit nimmt die größte parlamentarische Oppositionspartei nicht an der Wahl teil. Sie und ihre Anhänger würden das Wahlergebnis also auch nicht akzeptieren. Allerdings würde auch ihre Teilnahme nichts ändern: Die Demokratische Partei hat seit 20 Jahren keine Wahl mehr gewonnen. Die Pheu-Thai-Partei von Ministerpräsidentin Yingluck dürfte zwar in den vergangenen Monaten Unterstützung eingebüßt haben. Dennoch ist zu erwarten, dass sie eine Wahl auch dann gewinnen würden, wenn die Demokratische Partei antritt.

Sehen Sie eine politische Figur, die integrativ wirken und das Land befrieden könnte?

Es gibt ein neues Netzwerk von Intellektuellen, Nichtregierungsorganisationen und Aktivisten, die gerade die politische Bühne betreten haben. Sie nennen sich "Two Yeses, Two Nos", also zweimal Ja, zweimal Nein: Ja zu politischen Reformen und demokratischen Wahlen, Nein zu Gewalt und zum Militärputsch. Eine solche Bewegung könnte vielleicht einen Kompromiss zwischen den sehr verhärteten Seiten herbeiführen.

König Bhumibol Adulyadej ist 86 Jahre alt und gesundheitlich angeschlagen. Könnte er den Thron einem Nachfolger überlassen?

Das ist in Thailand durchaus ein Thema, aber aufgrund der Lèse-Majesté-Gesetze ist es sehr schwierig, dort offen über die politische Rolle des Königshauses zu sprechen. Der König darf nicht direkt mit der Politik in Verbindung gebracht werden, darauf stehen 15 Jahre Haft. König Bhumibol ist in der Vergangenheit immer wieder als Vermittler aufgetreten, indem er zur Versöhnung aufgerufen hat. Seit dem Militärputsch hat er das nicht mehr gemacht, wohl auch, weil er nicht mehr von allen Parteien als neutral anerkannt wird.

Gilt das auch für Kronprinz Maha Vajiralongkorn?

Noch ist gar nicht offiziell bestimmt, wer den Thron nach Bhumibol besteigen wird; die Entscheidung darüber liegt beim König. Allerdings steht der Kronprinz in dem Ruf, politisch eher zur anderen Seite zu neigen. Insofern könnte wohl auch er nicht neutralisierend in den Konflikt eingreifen.

Würden Sie Freunden, die einen Urlaub in Thailand planen, raten, sich ein anderes Reiseziel zu suchen?

Es kommt darauf an, welche Region in Thailand das Ziel sein soll. Derzeit sollte man Bangkok sicherlich meiden. Ich glaube aber nicht, dass die innenpolitische Krise auf die Touristengebiete im Süden übergreift.

Mit Anja Bodenmüller sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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