Täter-Stimmen im Internet Bundesanwalt ermittelt
18.04.2006, 07:47 UhrNach dem rassistisch motivierten Überfall auf einen Deutsch-Afrikaner in Potsdam hat Generalbundesanwalt Kay Nehm die Ermittlungen wegen versuchten Mordes an sich gezogen. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft verwies auf den möglichen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat.
Am Dienstagabend veröffentlichte die Polizei Stimm-Aufzeichnungen der beiden mutmaßlichen Täter im Internet (siehe Link). Für Hinweise auf die Täter ist eine Belohnung von 5.000 Euro ausgesetzt. Der 37-Jährige Ingenieur war überfallen worden, während er seiner Frau eine Nachricht auf ihrer Mailbox hinterließ. Auf dem Band ist zu hören, wie einer oder beide Täter den Mann als "Nigger" beschimpfen.
Mit großer Bestürzung reagierte die Leibniz-Gemeinschaft auf den rassistischen Überfall auf ihren Wissenschaftler. Das Opfer arbeite seit 2001 am Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim, hieß es in einer Mitteilung. Der frühere Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Hans-Olaf Henkel, habe aus seinem Privatvermögen die bereits ausgesetzten Belohnungen für Hinweise zur Ergreifung der Täter um 5.000 Euro aufgestockt.
Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs äußerte sich entsetzt über die Tat. Der Zentralrat der Juden, Linkspartei und Grüne warfen der Politik schwere Versäumnisse vor. Derartige Fälle seien das Ergebnis einer verfehlten Jugend- und Bildungspolitik, sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, dem "Tagesspiegel". "Wer sich nicht um die Jugendlichen vor Ort kümmert, braucht sich nicht zu wundern, wenn dies NPD oder DVU übernehmen".
Der aus Äthiopien stammende Wasserbauingenieur lag nach Aussage seiner Ärzte am Dienstag noch im künstlichen Koma und schwebte weiter in Lebensgefahr. Ein Polizeisprecher sagte, bisher hätten die Ermittler acht Hinweise aus der Bevölkerung erhalten. Dabei gehe es um die Personenbeschreibung der Täter. Sie würden ebenso geprüft wie die Spuren vom Tatort. An der Straßenbahnhaltestelle hätten die Ermittler Finger- und Schuhabdrücke sowie biologische Spuren wie Hautabreibungen sichergestellt. Sie würden von Experten des Landeskriminalamtes untersucht. Auch die rechtsextreme Szene in der brandenburgischen Hauptstadt werde überprüft.
Weiter unklar sei, ob es sich bei den beiden Tätern um zwei Männer oder ein Pärchen handele, sagte der Sprecher. Auf dem Band sei eine hohe Stimme zu hören, die einer Frau gehören könne. Der Deutsch-Afrikaner war in der Nacht zum Sonntag kurz vor 04.00 Uhr an einer Haltestelle in Potsdam zunächst mit fremdenfeindlichen Äußerungen beschimpft und danach zusammengeschlagen worden. Der Vater zweier Kinder erlitt schwerste Schädel- und andere Knochenverletzungen. Ein Taxi-Fahrer fand den Mann, konnte zwei flüchtende Personen aber nicht mehr einholen.
Einer der beiden Täter soll eine Glatze und eine kräftige Statur haben und eine Bomberjacke getragen haben. Die andere Person wird als kleiner und kurzhaarig beschrieben. Dem Opfer wurden nach Polizeiangaben auch 200 Euro Bargeld geraubt. Unklar ist nach Aussage der Ärzte, ob der Mann bleibende Schäden davontragen wird. Als Reaktion auf die Tat demonstrierten am Montag etwa 400 Menschen in Potsdam gegen Rechtsextremismus und Neonazis.
Quelle: ntv.de