Keine Absprache zu NSU-Informationen Anwaltschaft widerspricht Henkel
18.09.2012, 15:10 Uhr
Henkel hat möglicherweise etwas falsch verstanden.
(Foto: dapd)
Vor dem Innenausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses kann der Innensenator kaum befriedigende Antworten liefern. Doch in einem Punkt sagt er offenbar nicht die Wahrheit. Die Bundesanwaltschaft nennt seine Darstellung falsch, wonach die Behörde ihn darum gebeten habe, Informationen zur Aufklärung der Neonazi-Morde nicht weiterzugeben.

Polizeichefin Kopper und Innensenator Henkel mussten sich unangenehme Fragen gefallen lassen.
(Foto: dapd)
Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) drohen in der V-Mann-Affäre neue Probleme. Die Bundesanwaltschaft wies seine Darstellung zurück, wonach die Ermittlungsbehörde ihn gebeten habe, Berliner Erkenntnisse über einen Informanten mit möglichen Verbindungen zum NSU-Terrortrio zunächst nicht weiterzugeben.
"Absprachen über Zeitpunkt und Form der Übermittlung der Erkenntnisse an den NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages wurden nicht getroffen", teilte der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Marcus Köhler, mit. "Alle Beteiligten waren sich über die Sensibilität der Informationen für die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft bewusst."
Henkel hatte zuvor im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses gesagt, dass er im März von dem Vorgang erfahren habe und kurz darauf der Generalbundesanwalt informiert worden sei. Der Generalbundesanwalt habe darum gebeten, die Informationen bis auf weiteres nicht an den Untersuchungsausschuss weiterzugeben. Es habe die Gefahr bestanden, dass die Information die Ermittlungen zur Mordserie des NSU gefährden. Er wollte damit die späte Information des NSU-U-Ausschusses über Hinweise des Berliner V-Mannes Thomas S. auf das NSU-Terrortrio rechtfertigen.
Nachdem die Bundesanwaltschaft mitgeteilt habe, dass ein Ermittlungserfolg nicht mehr gefährdet sei, seien die Unterlagen zu dem V-Mann am Dienstagvormittag an den Untersuchungsausschuss des Bundestages weitergeleitet worden, sagte Henkel. Der Berliner Innensenator steht wegen der Informationspolitik seit Tagen in der Kritik.
Informantenschutz vor Aufklärung
Henkel verwies zudem darauf, dass das Leben des Informanten nicht hätte gefährdet werden dürfen. Hier habe der Informantenschutz dem Aufklärungsinteresse entgegengestanden. "Im Nachhinein und im Lichte der Veröffentlichung stellt sich die Frage, ob die Einschätzung zwingend war, oder ob nicht eine andere Lösung möglich gewesen wäre", sagte Henkel. "
Der Berliner Linken-Fraktionschef Udo Wolf sagte nach der Vernehmung Henkels, es sei "ein ziemlich starkes Stück", dass sich der Senator auf den Geheimschutz berufe. Als Innensenator sei er "selbstverständlich angeschlagen". Der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux warf Henkel vor, wenig aufklärende Worte und "viele fadenscheinige Argumente" vorgebracht zu haben. Henkel verstecke sich hinter der Aussage, dass es Absprachen mit dem Generalbundesanwalt gegeben habe, monierte der Fraktionschef der Piratenpartei, Christoph Lauer.
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte hingegen im RBB, wenn der Generalbundesanwalt das Strafverfahren für den Fall gefährdet sehe, dass Informationen öffentlich werden, könne er sich gegen eine Weitergabe stellen. "Insofern ist das völlig korrekt gelaufen."
Henkel wies in der Anhörung den Vorwurf zurück, er habe im Zusammenhang mit der Affäre um einen V-Mann aus der rechten Szene gelogen. "Welches Interesse sollte ich haben, Dinge zu verschleiern, die lange vor meinem Amtsantritt lagen", sagte Henkel vor dem Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses.
Henkel war vor den Ausschuss des Landesparlamentes geladen worden, nachdem ihm die Mitglieder des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur Neonazi-Mordserie vorgeworfen hatten, ihnen Erkenntnisse über den einstigen V-Mann vorenthalten zu haben. S. soll den Berliner Behörden bereits 2002 Hinweise auf den Verbleib des Nationalsozialistischen Untergrundes gegeben haben, dem der Mord an neun Migranten und einer Polizistin angelastet wird.
Viele Details, wenig Erkenntnis
Auch die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers hatte vor den Abgeordneten die Ermittlungsvorgänge akribisch nachgezeichnet. Koppers listete den Abgeordneten die Telefonate, Schreiben und Gespräche zwischen dem Generalbundesanwalt, dem Landeskriminalamt (LKA) und dem NSU-Untersuchungsausschuss auf. Fraglich ist weiterhin, ob die Tipps, die Thomas S. 2002 zum damaligen Aufenthaltsort des Terrortrios Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gab, beachtet wurden.
Unklar ist auch, warum das LKA zehn Jahre später nach mehreren Anfragen vom Bundeskriminalamt zu Thomas S. und seiner Verbindung zum NSU nicht alle Informationen auf den Tisch legte. Am Ende muss Koppers eingestehen: "Ob - und gegebenenfalls an welche Behörde - die hier in redestehenden Informationen weitergegeben wurden, wissen wir nicht." Das müsse weiter ermittelt werden. Das Thüringer LKA bestreitet jegliche Information aus Berlin.
Anfang 2001 hatten Berliner Staatsschützer Thomas S. als V-Mann angeworben. Am 13. Februar 2002 berichtete er: Er kenne jemanden, der in Kontakt zu drei untergetauchten Leuten aus Thüringen stehe. Sie würden wegen Waffen- und Sprengstoffbesitzes per Haftbefehl gesucht.
Am 14. Dezember 2011 und danach schickte das BKA mehrere Anfragen zu Personen, die im Zusammenhang mit dem NSU gestanden haben sollen - auch zu Thomas S.. Das LKA gab jedoch nur "allgemeinpolizeiliche" Erkenntnisse weiter. Die V-Mann-Stelle wurde nicht eingebunden. "Diese Vorgehensweise entspricht bei allgemeinen Erkenntnisabfragen selbst bei schwersten Straftaten dem Standard", betont Koppers.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP