Einsame Entscheidungen Bundespräsidenten in der Zwickmühle
24.03.2002, 11:45 UhrBundespräsidenten müssen manchmal einsame Entscheidungen treffen. Schwer genug ist allein die Überprüfung der Gesetze nach formellen und inhaltlichen Verfassungsfragen. Die Entscheidung fordert darüberhinaus aber auch ein hohes Maß an Objektivität ab.
Oft genug gerät der erste Mann im Staate dabei in eine Zwickmühle zwischen Volkes Wille, Grundgesetz und Parteien. Jetzt ist es Johannes Rau, auf den sich in diesen Tagen alle Augen richten. Er muss das umstrittene Zuwanderungsgesetz prüfen. Es liegt in seiner Hand, das Gesetz zu unterschreiben und damit in Kraft zu setzen oder es zu verweigern.
Sein Vorgänger, Richard von Weizsäcker, hatte 1994 das Gesetz zur Neuregelung der Parteifinanzierung nur unter großen Bedenken unterzeichnet. Er sei bei der Prüfung "auf ein erhebliches Maß an verfassungsrechtlich fragwürdiger Grenzfragen gestoßen". Vier Jahre zuvor lehnte Weizsäcker sogar das Gesetz zur Privatisierung der Flugsicherung ab. Es sei unvereinbar mit dem Grundgesetz, da hoheitliche Befugnisse in der Regel durch Beamte ausgeführt würden.
Trotz großer Bedenken, verkündete Karl Carstens 1981 das Gesetz zur Reform der Staatshaftung. Er wies den damaligen Bundeskanzler aber ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, das Gesetz vom Bundesverfassungsgericht durch ein Normenkontrollverfahren auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz prüfen zu lassen.
Walter Scheel verweigerte 1976 die Unterzeichnug der Wehrpflichnovelle. Seine Ablehnung bezog sich auf die Form des Zustandekommens des Gesetzes, nicht auf den Inhalt. Eine ähnliche Konstellation, wie sie jetzt gegeben ist.
1970 befand Gustav Heinemann: Das von Bundestag und Bundesrat beschlossene Architektengesetz ist nicht rechtmäßig. Heinemann stützte sich dabei auf die Entscheidung der Karlsruher Richter, die dem Bund die Zuständigkeit für die Regelung der Befugnis zum Führen einer Berufsbezeichnung abgesprochen hatten.
Heinrich Lübke sah sich 1960 außer Stande, nach Einholung eines Rechtsgutachtens, das Gesetz gegen den Betriebs- und Belegschaftshandels, zu unterzeichnen. Lübke begründete seinen Entschluss mit dem Verstoß des Gesetzes gegen Artikel 12 Satz 1 des Grundgesetzes. Darin wird allen Deutschen das Recht auf frei Wahl des Berufs-, Arbeits-, und Ausbildungsplatzes garantiert.
Quelle: ntv.de