Medien-Kampagne Bundesregierung kritisiert China
10.04.2008, 12:51 UhrDie Bundesregierung hat die chinesischen Medien für ihre Kampagne gegen die westliche Berichterstattung über Tibet kritisiert. In China werde den westlichen Medien zu Unrecht eine einseitige Berichterstattung vorgeworfen, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), in einer Aktuellen Stunde des Bundestags zur Lage in Tibet. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte China auf, die mit den Olympischen Spielen in Peking verbundene große Öffentlichkeit zu akzeptieren.
"Niemand will bei uns China an den Pranger stellen", sagte Erler. Allerdings dürfe China nicht zuerst alle ausländischen Journalisten aus Tibet ausweisen und sich dann darüber beklagen, dass unzutreffend berichtet werde. Erler forderte China auf, die Abriegelung Tibets aufzuheben.
Appell an beide Seiten
Der Staatsminister appellierte außerdem an beide Seiten, auf Gewalt zu verzichten und sich ernsthaft um eine Deeskalation zu bemühen. Ein wichtiger Schritt sei die Aufnahme eines Dialogs zwischen China und Tibet. Die Vorwürfe Chinas gegen den Dalai Lama blockierten allerdings bisher diesen Austausch. Erler forderte China auf, Beweise für die Unterstellungen vorzubringen, dass der Dalai Lama zur Gewalt aufgerufen habe und separatistische Bewegungen unterstütze.
Schäuble sagte in Kiel, nach seiner Ansicht sei es im Interesse Chinas selbst, dem Volk der Tibeter kulturelle und religiöse Autonomie zu gewährleisten. "Niemand hat die Einheit des chinesischen Staates infrage gestellt." Der auch für den Sport zuständige Bundesinnenminister sprach sich erneut gegen einen Boykott der Olympischen Spiele aus.
Kritik an Olympia-Funktionären
Abgeordnete von FDP und Grünen forderten die Veranstalter der Spiele auf, Sportlern die Freiheit einzuräumen, in Peking ihre politische Meinung kundzutun. Die Athleten sollten für Menschenrechte eintreten können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, sagte Florian Toncar, der Menschenrechtsbeauftragte der FDP. Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, sagte, vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) könne erwartet werden, dass sie Sportlern den Rücken stärkten, statt mit Sanktionen zu drohen.
Mehrere Abgeordnete sprachen sich außerdem gegen einen Boykott der Spiele aus. Der außenpolitische Sprecher der SPD, Gert Weisskirchen, sagte bei n-tv, damit würde man den Menschen in China die Chance auf eine Demokratisierung des Landes verbauen. Dagegen sagte der CDU-Außenpolitiker Eckart von Klaeden bei n-tv, wenn unterbunden würde, "sich im Rahmen der Olympischen Spiele in Peking für die universalen Prinzipien Demokratie, Menschenrechte, Minderheitenschutz, bürgerliche Freiheiten wie die Pressefreiheit einzusetzen", dann sollte man sich überlegen, "nach Peking zu fahren".
China lässt UN nicht nach Tibet
Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, darf derzeit nicht nach Tibet reisen. Peking habe ihr Ersuchen abgelehnt, erklärte ihr Sprecher Rupert Colville in Genf. Arbour hatte noch in diesem Monat nach Tibet reisen wollen. "Die Hochkommissarin hatte gefragt, ob sie reisen könne, doch die chinesische Führung hat erklärt, dies passe derzeit nicht", sagte Colville. "China hat gesagt, Louise Arbour sei zu einem für beide Seiten passenden späteren Termin willkommen", fügte der Sprecher hinzu.
Angeblich Anschläge auf Olympia geplant
China hat nach den blutigen Unruhen in Tibet eine weitere Bedrohung ausgemacht. Nach offiziellen Angaben wurden in der von muslimischen Uiguren bewohnten Region Xinjiang zwei "Terrorgruppen" zerschlagen, die Anschläge auf die Spiele und Entführungen von Teilnehmern geplant haben sollen. Wie das Pekinger Polizeiministerium erklärte, wollten die Gruppen ausländische Athleten, Touristen und Journalisten verschleppen. Außerdem hätten sie Selbstmordanschläge mit Sprengsätzen geplant.
Uigurische Exilgruppen beklagen wie die Tibeter kulturelle und religiöse Unterdrückung in China. Sie fordern die Wiederherstellung der ehemaligen Republik Ostturkestan. Das Ministerium beschuldigte die Gruppen, von internationalen "Separatisten" aus dem Ausland gesteuert zu sein. Chinas Behörden rechnen heute viele uigurische Gruppen pauschal der Ostturkestanischen Muslimischen Bewegung (ETIM) zu, die auch von den USA als Terrorvereinigung eingestuft wird. Nach Ansicht von US-Experten spielt die Bewegung aber keine Rolle mehr.
Neue Verhaftungswelle in Tibet
Exiltibeter berichteten derweil von neuen Verhaftungen in tibetischen Klöstern. Nach Informationen des Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) wurden bei Razzien in der Nacht zum 7. April etwa 70 Mönche aus dem Ramoche-Tempel in Lhasa verhaftet. Am Donnerstag war zunächst noch unklar, ob Tibet wie angekündigt vom 1. Mai an wieder für Touristen und andere Besucher geöffnet wird. Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen hatten den freien Zugang gefordert.
Berichten zufolge hat China wegen der Sicherheitsvorkehrungen für die Olympischen Spiele auch die Vergabe von Kurzzeit-Visa eingeschränkt. Derzeit würden an den Grenzen zu Hongkong keine solchen Einreisedokumente mehr an Ausländer ausgegeben. Demnach sei auch die Vergabe von Visa für mehrere Einreisen über Hongkong begrenzt worden. Die neue Regelung betrifft vor allem Geschäftsleute, die bisher Visa für eine Aufenthaltsdauer von bis zu drei Jahren und mehrfache Einreisegenehmigungen bekommen konnten.
Quelle: ntv.de