Nach dem Amoklauf Bundestag debattiert Folgen
18.03.2009, 18:25 UhrAls Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden haben Politiker aller Parteien im Bundestag mehr Aufmerksamkeit für Probleme von Kindern und Jugendlichen angemahnt. Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) warnte bei einer Aktuellen Stunde im Bundestag davor, die Debatte auf eine Verschärfung von Gesetzen zu beschränken. Wer Warnsignale bei Jugendlichen früher erkennen wolle, müsse deren Lebenswelt besser verstehen. Die jugendpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Caren Marks, sprach von einer "öffentlichen Verantwortung" für das Aufwachsen von Kindern, Kai Gehring von den Grünen forderte eine "Kultur des Hinsehens".
Von der Leyen nahm Eltern, Schulen und Politik gleichermaßen in die Pflicht. Gerade während der Pubertät sei es wichtig, dass Eltern den Kontakt zu ihren Kindern halten. Gleichzeitig stelle sich aber auch die Frage, ob es an den Schulen ausreichend Zeit für Gespräche mit den Schülern gebe. "Zeit kostet Personal", räumte die Ministerin ein. "Aber diese Investition nicht zu machen, kommt uns viel, viel teurer zu stehen."
Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, forderte eine bessere außerschulische Kinder- und Jugendarbeit, die nicht von Mittelkürzungen und -streichungen bedroht sein dürfe. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) regte als Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden an, Gewalt-Seiten im Internet zu sperren. "Nach einem solchen Massaker erwartet die Öffentlichkeit zu Recht, dass wir Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes und der Sicherheit ergreifen", sagte sie dem "Hamburger Abendblatt". "Deshalb muss man auch prüfen, wie Gewalt befördernde Elemente im Internet eingedämmt oder blockiert werden können." Schavan appellierte an Eltern, nicht tatenlos zuzusehen, wenn sich ihre Kinder stundenlang am Computer mit sogenannten Killerspielen beschäftigen.
Weiterhin umstritten sind Forderungen nach einer Verschärfung des Waffenrechts. Der Berliner SPD-Landeschef Michael Müller verlangte ein komplettes Waffenverbot für Privathaushalte. "Es gibt keinen Grund für Waffen in privaten Haushalten", sagte er. Der Deutsche Jagdschutz-Verband (DJV) lehnt Kontrollen ohne konkreten Anlass ab. "Besitzer legaler Waffen dürfen nicht unter Generalverdacht gestellt werde", sagte DJV-Präsident Jochen Borchert. Auch der CDU-Innenexperte Reinhard Grindel warnte, eine reflexhafte Forderung nach schärferen Waffengesetzen greife zu kurz. Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) sagte: "Das Versprechen, dass man Amoktaten mit großer Sicherheit verhindern kann, ist unrealistisch." Allerdings stelle sich die Frage, ob Waffenbesitzer auch Munition in ihren Wohnungen haben sollten.
Notrufknopf für Chatter
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) forderte unterdessen einen "110-Button" für Internet-Chatrooms. Dieser solle wie ein Notrufknopf im Fahrstuhl funktionieren, erklärte der BDK-Vorsitzende Klaus Jansen. Wer im Internet etwa auf die Ankündigung eines Amoklaufs stoße, könne mit diesem Button eine spezielle Rettungs-Leitstelle alarmieren.
Jugendliche als Testkäufer?
Von der Leyen setzt bei der Kontrolle des Verkaufsverbots von Killerspielen an Jugendliche weiter auf den Einsatz minderjähriger Testkäufer. Dies sei auch ohne ein Bundesgesetz durchsetzbar, sagte sie der "Financial Times Deutschland". "Landkreise können nach heutiger Rechtslage 17-jährige Jugendliche zu Testkäufen losschicken."
Die Ministerin hatte im Oktober 2007 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der es ermöglichen sollte, Kinder und Jugendliche als Testkäufer von Schnaps, Zigaretten und Gewaltfilmen einzusetzen. Nach massivem Protest verzichtete von der Leyen schließlich auf das Gesetz. Der Deutsche Städtetag bestätigte den Einsatz von minderjährigen Testkäufern. Der Landkreistag bezeichnete dies als "gutes Mittel", um Jugendliche zu schützen.
Mehrheit ist gegen Waffenbesitz
Eine Mehrheit der Deutschen - 59 Prozent - ist nach dem Amoklauf von Winnenden dafür, dass der Besitz von Waffen und Munition in Privathaushalten verboten wird. Das ergab eine Forsa-Umfrage für den "Stern" und RTL. Vor allem Menschen aus den ostdeutschen Bundesländern (68 Prozent) und Frauen (65 Prozent) sprechen sich demnach für ein solches Verbot aus.
Die Diskussion über die Verschärfung des Waffenrechts spaltet die Bevölkerung in politische Lager. Während die Anhänger von Union und FDP gegen ein Verbot sind (52 und 51 Prozent), gibt es bei Wählern von SPD, Grünen und der Linkspartei breite Zustimmung. So sprechen sich 68 Prozent der SPD-Wähler und 61 Prozent der Grünen-Sympathisanten für eine Gesetzesverschärfung aus. Bei den Anhängern der Linkspartei ist die Zustimmung besonders groß: 78 Prozent von ihnen wollen den privaten Waffenbesitz per Gesetz verbieten lassen.
Quelle: ntv.de