Betreuungsgeld bleibt umstritten Bundestag hört Experten
14.09.2012, 10:13 UhrDer Familienausschuss des Bundestages beschäftigt sich heute mit dem Betreuungsgeld. Der Ausschuss will Experten zu dem umstrittenen Gesetzentwurf der Koalition anhören, darunter Wirtschaftsexperten, Vertreter von Sozialverbänden und Rechtswissenschaftler. Inzwischen werden neue verfassungsrechtliche Zweifel laut.
Erneut werden Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Betreuungsgeldes laut. Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Wolfgang Ewer, sieht die umstrittenen Koalitionspläne nicht im Einklang mit dem Grundgesetz:"Der Bund hat dafür gar nicht die erforderliche Gesetzgebungskompetenz. Keine der möglichen Zuständigkeiten des Bundes sind für eine solche Regelung erfüllt", sagte der Fachanwalt für Verwaltungsrecht der Nachrichtenagentur dpa.
Heute will der Familienausschuss des Bundestages elf Experten zu dem umstrittenen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen anhören, darunter Rechtswissenschaftler, Wirtschaftsexperten und Vertreter von Sozialverbänden. Das Betreuungsgeld von monatlich zunächst 100 Euro, später 150 Euro sollen ab 2013 die Eltern erhalten, die für Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr keinen Kita-Platz oder keine öffentlich finanzierte Tagesmutter in Anspruch nehmen. Die Opposition spricht von einer "Fernhalteprämie".
Zum Betreuungsgeld gibt es bereits verschiedene Gutachten von SPD, Grünen und auch der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, in denen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit infrage gestellt wird. Hamburg hat eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt.
Schwieriger Pauschalbetrag
Ewer sagte, für die "öffentliche Fürsorge" dürfe der Bund zwar nach der Verfassung Regelungen treffen, solange es die Bundesländer nicht selbst tun. "Problematisch ist aber, dass nach dem Gesetzentwurf ein- und derselbe Betrag in allen Fällen zur Auszahlung kommt, ohne dass zwischen den Bedarfslagen im Einzelnen differenziert wird." Mit dem Pauschalbetrag von 150 Euro - unabhängig von der wirtschaftlichen Lage der Eltern - werde jedoch deutlich, dass es beim Betreuungsgeld gar nicht um Fürsorge gehe, "sondern um eine nicht bedarfsgesteuerte Belohnung für den Verzicht auf eine bestimmte Leistung". Dafür habe aber der Bund keine Gesetzgebungskompetenz.
SPD-Vize Manuela Schwesig sprach von einem "familienpolitischen Irrweg" der Koalition. Arbeitgeber, Gewerkschaften und zahllose Experten liefen gegen das Betreuungsgeld Sturm. Doch für die Kanzlerin zähle offenbar nur der Koalitionsfrieden mit der CSU, sagte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern. Schwesig: "Das Geld, das für das Betreuungsgeld verpulvert wird, fehlt beim Kita-Ausbau."
Mehrere katholische Verbände begrüßten dagegen die Absicht der Koalition, die Erziehungsleistung von Eltern stärker anzuerkennen. Allerdings sollte das Betreuungsgeld anders als geplant allen Eltern gezahlt werden, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme, die unter anderem vom Caritasverband, dem Familienbund der Katholiken, dem Kommissariat der deutschen Bischöfe und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken unterzeichnet wurde. Nach ihren Vorstellungen sollten Eltern für die ersten drei Lebensjahre ein Betreuungsgeld von monatlich 300 Euro bekommen.
Verhandlungen in der Koalition
Das Betreuungsgeld ist nach wie vor auch in der Koalition umstritten. Die Spitzen von Union und FDP suchen nach einem Kompromiss, um Kritiker einzubinden. "Ich appelliere dringend an die CSU, mehr Verhandlungsbereitschaft einzubringen und auf CDU und FDP zuzugehen", sagte der FDP-Politiker Patrick Meinhardt der "Welt". Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag sei etwa ausdrücklich ein Gutscheinmodell erwähnt, dem viele Kollegen zustimmen könnten.
Ändere sich nichts, könnte die Koalition nicht auf eine Mehrheit bauen, warnte Meinhardt. "Unter den derzeitigen Konditionen sehe ich für eine Mehrheit für das Betreuungsgeld sowohl in der CDU als auch in der FDP erhebliche Schwierigkeiten." Der CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek sprach sich ebenfalls für Änderungen aus. "Ein gangbarer Weg einer Einigung wäre, wenn eine Lösung für Mütter gefunden wird, die ihre Kinder nur halbtags betreuen lassen. Auch sie sollten vom Betreuungsgeld profitieren", sagte Jarzombek.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt signalisierte Gesprächsbereitschaft. Nach der Anhörung im Familienausschuss "gibt es weitere Gespräche, in denen wir die Enden zusammenführen", sagte Hasselfeldt dem Blatt. Die zunächst für Ende September geplante Verabschiedung des Betreuungsgeldes wurde auf den 18. Oktober verschoben.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa