Ohne Ruby und ohne Berlusconi "Bunga-Bunga" für fünf Minuten
06.04.2011, 14:04 Uhr
Berlusconi und die Frauen - ein leidiges Thema.
(Foto: dpa)
Hunderte Journalisten aus der ganzen Welt kommen nicht auf ihre Kosten bei der Eröffnung des "Rubygate-Prozesses". Keine Ruby, kein Berlusconi, kein Sex; die ganze Chose dauert ganze fünf Minuten. Ob Italiens Regierungschef irgendwann wegen Sex mit einer minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauchs verurteilt wird oder nicht, steht in den Sternen. Eine kleine Überraschung am Rande gab's dennoch.

Ruby, einst nur einschlägigen Kreisen bekannt, ist nun "weltberühmt" und hat es bis zum Wiener Opernball geschafft.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der mit Spannung erwartete Sexprozess gegen den italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi vor drei Mailänder Richterinnen hat begonnen - und wurde nach nur fünf Minuten vertagt. Hunderte von Medienvertretern aus aller Welt hatten sich vor und im Justizpalast versammelt, obwohl bereits vor diesem ersten Gerichtstermin bekannt war, dass weder Berlusconi noch die schöne "Herzensdiebin" Ruby anwesend sein werden.
Statt um wilde "Bunga-Bunga"-Partys in der Villa des Cavaliere bei Mailand ging es zum Auftakt des Prozesses lediglich um Formalien. Nach deren überaus kurzen Klärung soll nun der Rubygate-Prozess am 31. Mai fortgesetzt werden. Dann sollen sich die Zivilparteien konstituieren. Berlusconis Verteidiger haben 78 teils prominente Zeugen vorgeladen - von Hollywoodschauspieler George Clooney bis hin zum Weltfußballer Cristiano Ronaldo, die an Feiern mit Berlusconi teilgenommen haben sollen.
Eine kleine Überraschung am Rande
Paolo Boccardi, der Anwalt der heute 18-jährigen "Ruby", wartete aber mit einer Überraschung auf: Sie wird nun doch nicht als Zivilklägerin gegen den 74-Jährigen auftreten, denn sie habe niemals Sex mit ihm gehabt. "Und sie hat auch immer gesagt, dass sie sich nie prostituiert hat." Bei den Partys mitgemacht zu haben, soll für "Ruby" nicht von Schaden gewesen sein. Angeblich wurde sie mit Geschenken nur so überhäuft.
Also hat der skandalumwitterte Berlusconi, der derzeit immerhin in vier Gerichtsverfahren steckt, sofort wieder Oberwasser. "Wichtig an der Sitzung heute war, dass auch die Signorina Ruby sich in diesem Prozess nicht als Zivilpartei konstituiert hat", so frohlockte sein Verteidiger Giorgio Perroni. Felsenfest ist der Anwalt bereits davon überzeugt: "Dieser Prozess wird ergeben, dass Berlusconi mit beiden Anklagepunkten nichts zu tun hat." Es gehört dabei zur Strategie des Berlusconi-Teams, immer wieder zu beteuern, der Cavaliere wolle an allen Prozesstagen wirklich dabei sein. Es sei denn, es kommt ihm etwas dazwischen! Wie an diesem Mittwoch, als er in seinem römischen Regierungspalazzo Chigi eine Ministerrunde zu Libyen leiten musste.
Jede Menge pikante Vorwürfe
Das Verfahren gilt als "Prozess des Jahres": Äußerst pikant sind die Vorwürfe gegen den 74-jährigen Medienmogul und die aus den Prozessakten veröffentlichten schlüpfrigen Details - sämtlich von Berlusconi bestritten.
Dutzendfach soll der 74-Jährige bei wilden "Bunga-Bunga"-Festen in seiner Villa bei Mailand Sex mit der damals 17-jährigen "Ruby Rubacuori" (Ruby Herzensdieb) gehabt haben. Der Premier soll das Mädchen auch per Telefon persönlich vor dem Gefängnis bewahrt haben. In dem im Schnellverfahren vorbereiteten Strafprozess muss sich Berlusconi auch wegen Amtsmissbrauchs verantworten. Allein dafür drohen Berlusconi bis zu zwölf Jahre Haft.
Ein "außergewöhnlicher" Prozess
Der "Rubygate-Prozess" ist nach Auffassung des Chefredakteurs von "Il Fatto Quotidiano", Antonio Padellaro, "außergewöhnlich". "Ich glaube, in keiner anderen westlichen Demokratie sah sich ein amtierender Regierungschef Anklagen wie etwa der Begünstigung von Prostitution von Minderjährigen ausgesetzt", sagte Padellaro, dessen Zeitung im vergangenen Oktober als erste über die Affäre berichtet hatte. Nach seinen Worten wartet nicht nur Italien, sondern die ganze Welt mit Spannung auf den Ausgang des Prozesses, "ob Silvio Berlusconi verurteilt wird oder nicht".
Die Verteidigungsstrategie des italienischen Ministerpräsidenten und seiner Anwälte hält Padellaro dagegen für wenig ungewöhnlich. "Jedes Mal, wenn Berlusconi angeklagt wird, wird es politisch - seine Umgebung klagt, er werde politisch und rechtlich verfolgt. Verfolgt, so ein Quatsch!" Scharf kritisiert der Journalist Versuche der Verteidigung, die Glaubwürdigkeit der Hauptzeugin "Ruby" durch spektakuläre Zeugen in Frage zu stellen. "Wir werden ja sehen, ob sie aussagen werden! Dahinter steckt in Wirklichkeit der Plan, den Prozess in eine Art 'Show' umzuwandeln, aus der Berlusconi mit weißer Weste herauskommt - als eine Art Vaterfigur, die sich gegenüber jungen Mädchen gerne großzügig zeigt."
Dass sich manche Medien im Ausland vor allem auf die "amüsanten" Aspekte der Affäre konzentrieren, stößt bei Padellaro auf wenig Verständnis: "Für uns Italiener, die nun schon seit 17 Jahren mit ihm zu tun haben, ist das nicht lustig." Padellaro wirft dem 74-jährigen Premier und Multimilliardär vor, Italiens Politik mit Hilfe seines Geldes korrumpiert zu haben: "Er hat das politische System, das in einer normalen Demokratie eine gleichberechtigte Konfrontation zwischen Ideen und Persönlichkeiten sein sollte, manipuliert und zerstört".
Berlusconi probiert alles
Einen Tag vor Beginn des Rubygate-Prozesses hatte das Abgeordnetenhaus die Mailänder Justiz in dem Verfahren schnell noch für nicht zuständig erklärt. Mit einer Mehrheit von zwölf Stimmen folgten die Abgeordneten in Rom einem Antrag aus Berlusconis Mitte-Rechts-Lager.
Nach dem Votum müsste sich nun das Verfassungsgericht mit der Frage befassen, ob der Prozess bei der Mailänder Justiz in den richtigen Händen ist. Weil es bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichts Monate dauern dürfte, hat die Abstimmung zunächst aber keine unmittelbare Auswirkung auf das Verfahren gegen den Regierungschef.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa