"Nahost-Fahrplan" Burns in Israel
23.10.2002, 10:02 UhrDie USA haben am Mittwoch in Israel Sondierungen über den von US-Präsident George W. Bush vorgeschlagenen "Fahrplan" zur Beendigung des blutigen Nahost-Konflikts begonnen. Der Nahostgesandte Washingtons, William Burns, traf am Abend mit dem israelischen Außenminister Schimon Peres zusammen, um über den Plan zu sprechen. Die Konfliktparteien gaben sich über den Drei-Stufen-Plan betont zurückhaltend.
Dieser soll voraussichtlich im Dezember vom Nahost-Quartett (USA, UN, EU und Russland) offiziell angenommen werden. Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon äußerte sich bereits vor Burns' Ankunft kritisch zu dem US-Konzept, das die Einrichtung eines souveränen Palästinenserstaates bis 2005/2006 vorsieht.
Der Plan sei zu "einseitig", kritisierte Scharon. Er verlange von Israel "nicht rückgängig zu machende Maßnahmen" wie den Rückzug aus den besetzten Gebieten. Die Palästinenser müssten hingegen nur Erklärungen abgeben. Beide Konfliktparteien bemängelten, dass der neue Friedensplan in wesentlichen Punkten zu ungenau sei. Die Palästinenser drängen zudem auf eine Begleitung des Friedensprozesses durch internationale Beobachter und US-amerikanische Garantien zur Einhaltung des Zeitplans.
Burns wird an diesem Donnerstag mit Scharon zusammentreffen, nicht jedoch mit Palästinenserführer Jassir Arafat, dessen Entmachtung die USA fordern. Stattdessen wird er mit palästinensischen Unterhändlern sprechen, die von Arafat benannt wurden. Der Palästinenserpräsident legte in der Nacht zum Mittwoch eine Liste seines neuen Kabinetts vor, das jedoch die Zustimmung des Palästinenserparlaments benötigt.
Am Dienstag hatte der palästinensische Kabinettsminister Nabil Schaath Einzelheiten des Plans bekannt gegeben. Demnach sollen in der ersten Phase von November bis April 2003 beide Seiten eine Waffenruhe schließen, Israel soll sich auf die Positionen vor Beginn des Aufstands im September 2000 zurückziehen, und die Palästinenser sollen eine neue Führung wählen.
In der zweiten Phase von Mai bis Dezember 2003 soll in Teilen des Westjordanlandes und des Gazastreifens ein provisorischer palästinensischer Staat entstehen. Israel soll einige Siedlungen abbauen und sich weiter zurückziehen, damit die palästinensischen Gebiete miteinander verbunden sind.
Die Gespräche über einen endgültigen Friedensvertrag sollen laut dem von Schaath vorgelegten US-Plan 2004 beginnen und bis Mitte 2005 mit der Gründung eines palästinensischen Staats abgeschlossen sein.
"Uns gehen die Optionen aus"
Israels Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser hat im israelischen Fernsehen erklärt, die Zeit sei reif, im Nahost-Konflikt über eine Rückkehr an den Verhandlungstisch nachzudenken. Zur Begründung führte er an, Israel gingen bei seinem Vorgehen gegen palästinensische Selbstmordattentäter mehr und mehr die militärischen Optionen aus.
Israel hatte in den vergangenen Monaten häufig mit Offensiven der Armee auf Attentate reagiert. Mit Rücksicht auf die amerikanischen Kriegsvorbereitungen gegen den Irak legte Israel nach dem jüngsten Terrorschlag im Norden des Landes, bei dem am Montag 14 Israelis getötet worden waren, Zurückhaltung an den Tag. "Es wird nichts unternommen, was die Amerikaner verärgern könnte", verlautete aus israelischen Sicherheitskreisen.
Gleichwohl rückte die israelische Armee am Dienstagabend in das palästinensische Flüchtlingslager Rafah im Süden des Gazastreifens ein. Augenzeugenberichten zufolge waren etwa 15 Panzer und ein Bulldozer bei der Aktion im Einsatz. Sechs Häuser und ein weiteres Gebäude seien zerstört worden, erklärten palästinensische Sicherheitskräfte.
"Arbeitsunfall"
Bei der Explosion einer Autobombe im Flüchtlingslager Balata bei Nablus sind am Mittwochabend mehrere Palästinenser verletzt worden. Israelische Medien berichteten, offenbar handele es sich um einen "Arbeitsunfal", die vorzeitige Explosion eines von palästinensischen Extremisten gebauten Sprengsatzes.
Von palästinensischer Seite hieß es hingegen, ein israelisches Kommando sei zuvor in das Flüchtlingslager gekommen und habe einige von Israel gesuchte Männer festgenommen. Die Soldaten hätten ein Auto hinterlassen, das palästinensische Kinder anschließend in Brand setzten. Dabei sei es zu einer Explosion gekommen, bei der mehrere Kinder verletzt wurden. Die Palästinenser warfen Israel vor, es habe mit der Bombe absichtlich Zivilisten treffen wollen.
Quelle: ntv.de