Wahlkampf in Niedersachsen CDU setzt auf Jubel statt auf FDP
05.01.2013, 17:37 Uhr
In Niedersachsen üben sich die Christdemokraten in Zweckoptimismus.
(Foto: dpa)
Kanzlerin Merkel setzt sich durch: Offiziell will die niedersächsische CDU von einer Leihstimmenkampagne für die Krisenpartei FDP nichts wissen. Stattdessen üben sich die Christdemokraten um Ministerpräsident McAllister in Zweckoptimismus. Überraschend daran: Die CDU scheint wirklich an den Sieg zu glauben.
Der Moderator stellt sich als Mitarbeiter von Sat1 vor, als CDU-Mitglied und "absoluter Fan" von David McAllister. Mit dem Publikum übt er den Gebrauch von Applaus-Utensilien, die Showband nennt sich "Die Allerwertesten" und ein Kabarettist tritt als Steuerfahnder auf. Willkommen in Braunschweig zum offiziellen Auftakt der niedersächsischen CDU in die heiße Phase des Landtagswahlkampfs.
Fast alle Plätze in der Volkswagenhalle sind belegt, die CDU spricht von 5000 Menschen im Publikum. Beim Einzug von McAllister und Bundeskanzlerin Angela Merkel schwenken die CDU-Mitglieder Schilder mit der Aufschrift "I'm a Mac". Der Ministerpräsident, der am 12. Januar 42 Jahre alt wird, spielt im Wahlkampf mit seinen schottischen Wurzeln.
Merkel lässt FDP hängen
In seiner Rede spricht McAllister über die, wie er sagt, erfolgreiche Arbeit der Landesregierung, die er seit zweieinhalb Jahren anführt, die allerdings insgesamt schon seit zehn Jahren amtiert. Seinen Vorgänger Christian Wulff erwähnt er mit keinem Wort. Zwei Botschaften sind ihm wichtig: Seine Loyalität zu Merkel und die Ablehnung einer Zweitstimmenkampagne für die schwer angeschlagene FDP. Zwischen beiden Punkten dürfte es einen engen Zusammenhang geben - der Kurs der Eigenständigkeit, dem die FDP im Zweifel geopfert wird, geht auf die Parteichefin zurück.
Für McAllister dagegen hängt Merkel sich rein, insgesamt acht Termine nimmt sie in diesem Wahlkampf wahr - ein schönes Stück Arbeit für eine nicht gerade unterbeschäftigte Bundeskanzlerin. Doch es geht ja auch um einiges. Die jüngste Umfrage sieht die FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde und Rot-Grün vor der CDU. McAllister scheint dies keine Sorgen zu bereiten. "Entscheidend ist, was am 20. Januar zwischen 8.00 und 18.00 Uhr in den Wahllokalen im ganzen Land passiert." Die Umfrage zeige doch, dass die CDU in Niedersachsen die stärkste Kraft sei. Und die FDP hole auf. Von ihren aktuell 4 Prozent seien 5 Prozent und mehr "schnell in Sicht".
Diese 5 Prozent werde die FDP "aus eigener Kraft schaffen", gibt sich McAllister sicher. Also doch keine Leihstimmen von der CDU? "Ich werbe in diesem Landtagswahlkampf jeden Tag, jede Stunde, jede Minute um beide Stimmen für die CDU." Auch auf den Videoleinwänden heißt die Parole: "am 20. Januar mit beiden Stimmen".
CDU-Abgeordneter wählt FDP
Noch vor wenigen Tagen klang das ganz anders. "Viele CDU-Wähler haben mir in den vergangenen Tagen gesagt, sie überlegten, zum ersten Mal in ihrem Leben mit der Zweitstimme FDP zu wählen", hatte der Ministerpräsident nach einem Bericht der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" auf einem Neujahrsempfang der CDU gesagt. "Wenn nur ein Bruchteil von ihnen das wirklich tut, dann wird die FDP fünf Prozent erreichen und wieder in den Landtag kommen."
Mittlerweile gehört zu diesem "Bruchteil" sogar ein Landtagsabgeordneter der CDU, der Hannoveraner Rainer Beckmann. Der sagte der HAZ, er selbst habe per Briefwahl "zum ersten Mal die Zweitstimme der FDP geschenkt".
Der Haken ist allerdings, dass CDU und FDP auch ohne Fünf-Prozent-Hürde in den Umfragen derzeit hinter Rot-Grün liegen. Damit wäre eine Zweitstimmenkampagne ohnehin eine Milchmädchenrechnung. Vielleicht hat McAllister nachgerechnet, vielleicht hat Merkel ihn überzeugt.
Das Publikum muss er von seinem Optimismus nicht überzeugen. Die Stimmung ist gelöst. Als McAllister ankündigen will, dass er plant, der erste niedersächsische Ministerpräsident zu werden, der einen ausgeglichenen Haushalt vorlegt, verhaspelt er sich. Das Publikum klatscht und lacht. McAllister fängt noch einmal an, mit einer anderen Formulierung. Ein Witz, der wiederum mit Lachen quittiert wird.
Seitenhieb auf Steinbrück
Inhaltlich ist die Rede nichts Neues. McAllister lobt seine Wirtschaftspolitik, nimmt die niedersächsischen Landwirte gegen "Diffamierungen" der Grünen in Schutz - Niedersachsen ist das Land der Massentierhaltung. Außerdem spricht sich der Ministerpräsident für ein in viele unterschiedliche Schultypen gegliedertes Bildungssystem aus und kündigt für das Ende der kommenden Legislaturperiode eine Kita-Quote von rund 50 Prozent an.
Dann hat er noch einen Seitenhieb auf Lager. "Es geht ums Dienen, es geht nicht ums Verdienen", sagt McAllister mit Blick auf SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, dem er eine namentliche Erwähnung nicht zuteil werden lässt. Es gibt also doch noch Parallelen zwischen CDU und Grünen: Exakt diese Formulierung hatte der grüne Spitzenkandidat in Niedersachsen, Stefan Wenzel, zuvor benutzt.
"Die Merkel hatte ein rotes Jackett an"
Dann tritt die Kanzlerin ans Rednerpult. "Für diesen Mann, für David McAllister Wahlkampf zu machen, das macht Spaß", sagt sie. "Schade, dass es nur 15 Tage sind." Merkels Rede ist eher fahrig, doch an diesem Tag, vor diesem Publikum, könnte sie auch das Telefonbuch von Hannover vorlesen und bekäme dafür Applaus. Merkel fragt, rein rhetorisch natürlich, warum das Publikum überhaupt gekommen sei. "Die ganze Tour von Osnabrück und Aurich und was weiß ich nicht noch alles, hat man sonst nichts zu tun?" Ihre Antwort: Heute könnten die CDU-Anhänger zuhören, in den kommenden 15 Tagen müssten sie dann die Wähler überzeugen.
Wie die das machen sollen, gibt Merkel ihnen auch noch mit auf den Weg. "Dass Sie nicht sagen, die Merkel hatte ein rotes Jackett an und ansonsten hat sie auch ganz gut gesprochen", sondern "wie 5000 Leuchttürme im Land" solle jeder aus dem Publikum in seinem Umfeld wirken und Werbung für die CDU machen. Übrigens spricht auch Merkel den Bauern pauschal das Vertrauen aus: "Alle arbeiten vernünftig, manche arbeiten unterschiedlich".
Das Publikum jubelt, hält Schilder in die Höhe und skandiert "David, David", auch "Angie, Angie". Auf die Uhr guckt hier niemand, es ist schließlich kein Parteitag. Der Moderator sorgt dafür, dass zwei Mädchen der Kanzlerin Blumen überreichen. Dann spielen die "Allerwertesten" noch einmal den CDU-Wahlkampfschlager. Beim Refrain singt Merkel ein bisschen mit. Auf die 5000 Leuchttürme im Publikum ist der Funke längst übergesprungen. Ein Landesminister sagt beim Rausgehen: "Jetzt müssen wir nur noch gewinnen." Er klingt wirklich so, als glaube er daran.
Quelle: ntv.de