SPD befürchtet "Lagerwahlkampf" CDU und FDP haben es eilig
19.01.2009, 21:21 UhrUnion und FDP nehmen nach ihrer gemeinsamen Mehrheit in Hessen Kurs auf eine bürgerliche Koalition auch bei der Bundestagswahl. Die in Hessen abgestürzte SPD befürchtet deswegen einen "Lagerwahlkampf". Die FDP, neben den Grünen großer Sieger der Landtagswahl vom Sonntag, will das Konjunkturpaket der Regierung von Angela Merkel im Bundesrat auch nicht blockieren, aber nachbessern. In Hessen unterbreitete die CDU von Ministerpräsident Roland Koch der FDP ein Koalitionsangebot. Die christlich-liberale Regierung soll bis zum 5. Februar stehen.
Bei der vorgezogenen Wahl stagnierte die bislang alleinregierende CDU bei 37,2 Prozent (2008: 36,8). Allerdings sicherte die FDP mit ihrem Zuwachs auf 16,2 Prozent (2008: 9,4) die auch von Koch angestrebte schwarz-gelbe Koalition. Sie hätte im Landtag mit 66 von 118 Sitzen eine bequeme Mehrheit.
Anzeichen eines Lagerwahlkampfes
SPD-Chef Franz Müntefering sieht in der Annäherung von Union und FDP nach der Hessen-Wahl Anzeichen eines neuen Lagerwahlkampfes vor der Bundestagswahl im September. Nach den Worten der CDU-Vorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel hat Hessen zum Auftakt des Superwahljahres gezeigt, dass "eine bürgerliche Mehrheit trotz eines Fünf-Parteien-Systems möglich ist".
FDP-Chef Guido Westerwelle mahnte in moderater Form Nachbesserungen am 50-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket der Bundesregierung an. Müntefering wies die Forderung zurück. Westerwelle verlangte "eine stärkere Entlastung der Bürger und weniger Schulden". Die Freidemokraten wollten die stärkere Position im Bundesrat "klug nutzen", aber "nicht abheben".
Die Grünen versprechen sich von ihrem historisch guten Wahlergebnis (13,7 Prozent) einen Schub für das gesamte Wahljahr. Der Linke-Vorsitzende Lothar Bisky wertete das Ergebnis seiner Partei (5,4 Prozent) als wichtiges Signal für Deutschland wie Europa.
FDP soll Möglichkeiten nicht "überreizen"
"Schwarz-Gelb ist dabei, wieder ein Lager aufzubauen", sagte Müntefering nach einer SPD-Präsidiumssitzung. Für die SPD mache dies "die Situation klarer". Das miserable Abschneiden seiner Partei in Hessen bezeichnete er als "Denkzettel für den Verlauf des Jahres 2008".
Merkel sprach nach einer Sitzung der Führungsgremien zwar mehrfach von einem Erfolg des "bürgerlichen Lagers", will aber keinen Lagerwahlkampf mit der FDP wie vor vier Jahren führen. Die gewachsene Macht der FDP im Bundesrat infolge eines Bündnisses mit der Union in Hessen sah die Kanzlerin nicht als Gefahr für die Handlungsfähigkeit der großen Koalition in Berlin. Die FDP könne nun auch nicht mehr so einfach "Opposition spielen". Sie solle ihre Möglichkeiten nicht "überreizen".
Westerwelle will sich an diesem Mittwoch zu einem länger verabredeten Gespräch mit Merkel treffen. Dabei geht es voraussichtlich auch um das Konjunkturpaket II. FDP-Vertreter der Länder, in denen die Freidemokraten an der Regierung beteiligt sind, wollten noch am Montag erste Gespräche zur Koordinierung ihrer Position in dieser Frage führen.
Parteien drücken in Hessen aufs Tempo
Der baden-württembergische CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger mahnte mehr Distanz der Union zur FDP an. "Die CDU sollte alles tun, um die für uns erreichbaren Wähler durch ein klares Programm zu erreichen." Auch der nordrhein-westfälische CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der selbst einer Regierung mit der FDP vorsteht, sah dies so. Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer wertete den schwarz-gelben Erfolg als gute Ausgangsbasis für das Wahljahr. Allerdings müsse die Union "schon noch zulegen".
Bundespräsident Horst Köhler kann nun damit rechnen, bei der Wahl am 23. Mai drei Stimmen über der absoluten Mehrheit zu liegen und im ersten Durchgang wiedergewählt zu werden. Die SPD-Kandidatin für die Präsidentenwahl, Gesine Schwan, hält trotzdem an ihrer Bewerbung fest. Das schlechte Abschneiden der SPD in Hessen habe ihre Position "zwar nicht erleichtert, aber auch nicht so erschwert, dass es sinnlos wäre, weiterzumachen".
In Hessen drücken CDU und FDP aufs Tempo: Noch an diesem Dienstag sollen die Gespräche aufgenommen und ein Zeitplan für die Verhandlungen vereinbart werden, teilte Koch nach einer CDU-Sitzung mit. Koch selbst will die Delegation seiner Partei führen. Mit Blick auf den mageren CDU-Zuwachs von 0,4 Punkten sagte er: "Wir sind nicht überheblich, wenn wir dieses Wahlergebnis sehen." Die Union wolle innerhalb des bürgerlichen Lagers wieder stärker werden. Der hessische FDP-Spitzenkandidat Jörg-Uwe Hahn beanspruchte für seine Partei bereits mehrere Ministerposten.
SPD stellt sich neu auf
Der hessische FDP-Spitzenkandidat Jörg-Uwe Hahn meldete seinen Anspruch auf mehrere Ministerposten an, nannte aber keine Namen: "Es ist vollkommen klar, dass die FDP mit einem Stimmenanteil von 16 Prozent liberale Politik nicht nur inhaltlich, sondern auch verstärkt personell umsetzen will." Den größten Verhandlungsbedarf sieht sein Stellvertreter Posch in der Schul- und der Wirtschaftspolitik. Zentrale Punkte seien eine verpflichtende Vorschule für Fünfjährige, Schulautonomie, das Konjunkturprogramm der Bundesregierung und die Beschleunigung von Infrastrukturmaßnahmen.
Nach ihrer Wahlschlappe wird sich die Hessen-SPD nach Worten ihres scheidenden Generalsekretärs Norbert Schmitt personell neu aufstellen. "Thorsten Schäfer-Gümbel wird Partei und Fraktion führen", sagte Schmitt. Der ehemalige hessische SPD-Landesvorsitzende Gerhard Bökel sprach sich im Radiosender HR-Info für eine Integration der vier SPD-Abweichler aus, die im Vorjahr eine Wahl von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin verhindert hatten.
Al-Wazir soll in Bundespolitik
Bei den Grünen will Landeschef und Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir Fraktionsvorsitzender im Landtag bleiben. Dies habe ihr Al-Wazir in einem Telefonat mitgeteilt, berichtete die Co-Landesvorsitzende Kordula Schulz-Asche. Grünen-Bundeschef Cem Ödzemir hatte am Sonntagabend erklärt, er halte einen baldigen Wechsel Al-Wazirs in die Bundespolitik für wünschenswert.
Nach ihrem Wiedereinzug in den Wiesbadener Landtag setzt die hessische Linke künftig auf "glasklare" Oppositionsarbeit. Seine Partei werde die nächsten fünf Jahre nutzen, ihre Konzepte zu konkretisieren und sich damit für die Wähler attraktiver zu machen, sagte der Landesvorsitzende Ulrich Wilken.
Quelle: ntv.de