Wirbel um Betreuungsgeld CSU droht mit Koalitionsbruch
16.06.2012, 21:41 Uhr
Horst Seehofer, lautstark.
(Foto: picture alliance / dpa)
CSU-Chef Seehofer haut in der Bundesregierung auf den Tisch, ein Scheitern des umstrittenen Betreuungsgeldes werde seine Partei nicht akzeptieren. Plötzlich will auch die FDP das Paket neu zusammenstellen. Der Streit bei Schwarz-Gelb wird wieder offen geführt, die Opposition kann sich nach ihrem Abstimmungscoup im Bundestag auf die Schulter klopfen.
Nach dem Rückschlag bei der Durchsetzung des umstrittenen Betreuungsgeldes ist der Zwist in der schwarz-gelben Koalition neu entbrannt. Während die FDP Änderungen anmahnt, verbindet die CSU einen Erfolg beim Betreuungsgeld mit dem Fortbestand der Koalition. "Ich sage auch im Auftrag meiner ganzen Partei: Die CSU würde ein Scheitern des Betreuungsgeldes nicht hinnehmen", sagte CSU-Parteichef Seehofer. Er fügte hinzu: "Und die Stimmen der CSU sind in dieser Koalition notwendig."
Die schwarz-gelbe Regierung will, dass Eltern, die ihr Kind zu Hause erziehen, statt es in eine Kita zu geben, ab Januar 2013 für einjährige Kinder 100 Euro monatlich bekommen. Von 2014 an sollen auch Zweijährige einbezogen und die Zahlungen für alle auf 150 Euro monatlich erhöht werden.
Lammert: Verhalten zulässig
Wegen des Eklats um die geplatzte erste Lesung des Betreuungsgeldes erwartet Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) keine dauerhafte Belastung der Zusammenarbeit im Bundestag. "Das war sicher kein Höhepunkt des Parlamentarismus, aber es ist auch keine nicht mehr zu heilende Wunde entstanden", sagte Lammert den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. "Was da stattgefunden hat, mag man als trickreich oder unangemessen empfinden, aber es ist zweifellos zulässig." Die Koalition müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, mit der Aufsetzung des Tagesordnungspunktes zur Beratung des Betreuungsgeldes "etwas fahrlässig oder treuherzig" umgegangen zu sein.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) diskutiert mit seiner Stellvertreterin Petra Pau (Linke) über den Abbruch der Sitzung.
(Foto: dpa)
Empört reagierten Unions-Politiker auf das Abstimmungsmanöver der Opposition, mit der diese am Freitag eine Verschiebung der Beratungen erzwungen hatte - allen voran die CSU, die sich in der Koalition als treibende Kraft für Geldzahlungen an Eltern einsetzt, die ihre kleinen Kinder zu Hause betreuen, anstatt sie staatlich geförderten Krippen oder Tagesmüttern anzuvertrauen. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte der "Passsauer Neuen Presse", es sei "beschämend", dass die Opposition mit Geschäftsordnungstricks eine wichtige familienpolitische Debatte im Bundestag verhindert habe. "Wer das Wesen der Demokratie so mit Füßen tritt, disqualifiziert sich für die Aufgabe als Abgeordneter." Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Hasselfeldt, sie gehe fest davon aus, dass die Zahl der Kritiker auch in den eigenen Reihen bis zur endgültigen Abstimmung im Bundestag noch deutlich schrumpfen werde. Nach der geplatzten ersten Lesung am Freitag soll das umstrittene Projekt jetzt erst nach der Sommerpause Mitte September endgültig verabschiedet werden.
Koalition nicht einig
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier unterstellte, dass auch Abgeordnete der Regierungsparteien absichtlich der Sitzung ferngeblieben zu sein. "Viele in der Koalition wünschen sich, dass das Betreuungsgeld nicht kommt. Vielleicht war das auch der Grund, warum die Koalition nicht die notwendige Zahl ihrer Abgeordneten im Plenum hatte", sagte Steinmeier der "Welt". 126 Abgeordnete der Koalition seien der Abstimmung ferngeblieben. Steinmeier fordert sie auf, sich auch weiter zu enthalten: "Richtig mutig wäre es, wenn diese 126 das Gesetz in der zweiten und dritten Lesung ablehnen."
Als "infame Unterstellung" wies die Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion, Rita Pawelski, Spekulationen zurück, dass CDU-Frauen den Rückschlag bei der parlamentarischen Beratung mit bewirkt haben könnten. "Wer spekuliert, dass die Frauen die Sitzung platzen ließen, arbeitet unter der Gürtellinie", sagte Pawelski der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". "Wir werden mit Argumenten darum kämpfen, dass es ein gutes Gesetz wird - nicht mit Tricks."
Unterdessen übte auch der designierte Landesvorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen Kritik am Betreuungsgeld. "Ich bin skeptisch, ob jetzt die richtige Zeit ist, neue schuldenfinanzierte Sozialleistungen in bar auszuzahlen, die auch noch falsche Effekte haben können", sagte Armin Laschet dem Bielefelder "Westfalen-Blatt".
Auch FDP-Chef Philipp Rösler will die zusätzliche Zeit für weitere Verhandlungen nutzen. "Die Verabschiedung des Betreuungsgeldes steht jetzt erst nach der Sommerpause an", sagte Rösler der "Bild am Sonntag". "Die Zeit sollte genutzt werden, um in Ruhe darüber zu sprechen, welche Veränderungen noch notwendig sind." Zu den Verhandlungspunkten zähle für ihn, "dass wir ein Nebeneinander von Betreuungsgeld und Elterngeld vermeiden", sagte Rösler. "Ich kann mir auch ein Gutschein-Modell gut vorstellen." Das Elterngeld wurde Anfang 2007 eingeführt. Es wird bis zu 14 Monate nach der Geburt an Mütter und Väter gezahlt, die mit der Arbeit aussetzen. Das geplante Betreuungsgeld soll an Eltern gezahlt werden, die ihre Kinder im zweiten Lebensjahr nicht in einer öffentlichen Kita betreuen lassen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP