Parlament bleibt "strukturell schwach" CSU kritisiert EU-Kompromiss
19.08.2009, 07:05 UhrDie CSU will enge Grenzen für eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit in der Europäischen Union durchsetzen. Auf ihre Initiative hin verhandelten die Koalitionsfraktionen im Bundestag über einen Entschließungsantrag zur Interpretation des Karlsruher EU-Urteils. Daraus soll deutlich werden, dass die restriktive Interpretation des neuen EU-Vertrags durch das Bundesverfassungsgericht zur verbindlichen Richtschnur der künftigen deutschen EU-Politik werden soll.

Kritiker befürchten, dass mit dem Vertrag von Lissabon wichtige Rechte an Brüssel abgetreten werden.
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FDP und Grüne haben das bereits strikt abgelehnt. Auch in der CDU gibt es erhebliche Zweifel an einem deutschen "völkerrechtlichen Vorbehalt" bei allen gravierenden EU-Entscheidungen. Mit dem Entschließungsantrag sollen auch Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Europäischen Gerichtshof und dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht geklärt werden. Die CSU dringt darauf, dass verbindlich festgelegt wird, dass in rechtlichen EU-Streitfällen für Deutschland die Karlsruher Haltung entscheidend ist.
Die CSU warf den anderen Parteien in EU-Fragen ein zweifelhaftes Demokratieverständnis vor. "Dass sich jetzt einige damit brüsten, Volksabstimmungen und stärkere Mitwirkungsrechte des Parlaments verhindert zu haben, ist schon aberwitzig und zeugt von einem unterentwickelten Demokratieverständnis", sagte Generalsekretär Alexander Dobrindt dem "Münchner Merkur". SPD, Grüne und FDP würden zwar "gerne blumige Sonntagsreden zu Europa halten, schlagen sich dann aber in die Büsche, wenn es konkret um mehr Demokratie und Bürgernähe geht".
Zustimmung des Bundestags erforderlich
Koalition und Bundesrat hatten sich am Dienstag auf neue Begleitgesetze zum Lissabon-Vertrag verständigt. Das Bundesverfassungsgericht hatte Bundestag und Bundesrat zu mehr Mitsprache als bisher bei EU-Entscheidungen aufgefordert, damit die Europapolitik im Rahmen des Grundgesetzes parlamentarisch kontrolliert wird.
Die Fraktionen von SPD und Union wollen sich an diesem Donnerstag und Freitag mit den Entwürfen der vier Begleitgesetze befassen. Für die erste Lesung ist eine Sondersitzung des Bundestages am 26. August geplant. Am 8. September entscheidet der Bundestag abschließend darüber, am 18. September der Bundesrat.
Mit den neuen Regeln zur innerstaatlichen Umsetzung des Lissabonner Reformvertrags darf die Bundesregierung künftig bei vielen wichtigen EU-Entscheidungen in Brüssel nicht mehr frei entscheiden. Sie muss zuvor den Bundestag und zu einem Teil auch den Bundesrat nicht nur anhören, sondern bei Übertragung von neuen Rechten an die EU ausdrücklich die Zustimmung des Parlaments mit förmlichen Beschlüssen oder Gesetzen einholen.
Missstand bleibt bestehen
Bei Entscheidungen der EU zur Aufnahme von Verhandlungen mit Ländern, die der EU beitreten wollen, "soll" die Bundesregierung Einvernehmen mit dem Bundestag herstellen. "Aus wichtigen außen- und oder integrationspolitischen Gründen" kann sie aber von der Meinung des Parlaments abweichen, heißt es in den Gesetzentwürfen, die der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegen.
Die CSU-Führung in Bayern bilanzierte trotz der Vorwürfe an die anderen Parteien die Verhandlungen über die Begleitgesetze positiv. In 9 von 14 Kernforderungen für mehr Bürgernähe in Europa habe sich die CSU durchsetzen können. Der CSU-Europapolitiker Thomas Silberhorn kritisierte im "Münchner Merkur" die Kompromisse. "Der Missstand, dass ein Mehrheitsbeschluss des Bundestags von jedem Regierungsvertreter in Brüssel umgangen werden kann, bleibt bestehen." Das Parlament behalte seine strukturell schwache Position.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hartmut Koschyk, kritisierte die Haltung der SPD in den Verhandlungen. Sie habe den meisten Widerstand bei der Stärkung der Parlamentsrechte geleistet, während FDP und Grüne die Unions-Positionen konstruktiv unterstützt hätten, sagte Koschyk in Berlin. Von der SPD habe jeder Millimeter an mehr Parlamentsrechten erkämpft werden müssen. Der SPD-Verhandlungsführer Thomas Oppermann sei am kurzen Gängelband des Außenministeriums geführt worden.
Quelle: ntv.de, dpa