Nach Grünen-Parteitag CSU verabschiedet "Jamaika"
16.09.2007, 10:01 UhrUnion und FDP haben die Entscheidung des Grünen-Sonderparteitags gegen eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr scharf kritisiert. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte, die Grünen hätten außenpolitische Verantwortungslosigkeit bewiesen. Mit der Entscheidung seien auch "grüne Jamaika-Illusionen" einer Regierungszusammenarbeit mit Union und FDP "in unendliche Ferne" gerückt.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte, der grüne Parteitagsbeschluss mache deutlich: "Die Grünen wollen und können anscheinend keine Verantwortung für die Menschen in Afghanistan übernehmen." Die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Birgit Homburger, warf den Grünen vor, sich "endgültig von der Realpolitik verabschiedet" zu haben.
Linksparteichef Oskar Lafontaine lobte, dass die Grünen "ihre Außenpolitik wieder auf den Boden des Völkerrechtes stellen".
Die Grünen-Spitze hatte am Samstag bei einem Sonderparteitag in Göttingen eine schwere Schlappe einstecken müssen. Die Basis empfahl den Bundestagsabgeordneten der Partei, den Tornado-Einsatz im Oktober im Bundestag abzulehnen. Einen Fraktionszwang gibt es allerdings nicht. Die Parteispitze wollte der Fraktion ausdrücklich keine Empfehlung geben.
Zwei Mandate im Paket
Im Oktober wird im Bundestag über eine Verlängerung des Tornado-Einsatzes sowie über die Verlängerung des Mandats für die deutsche Beteiligung an der internationalen Schutztruppe ISAF abgestimmt. Während die ISAF-Beteiligung bei den Grünen weitgehend unumstritten ist, geht beim Tornado-Einsatz ein Riss durch Partei und Fraktion. Das Problem der Grünen: Beide Mandate werden zusammen abgestimmt, so dass eine Zustimmung zu ISAF ohne Zustimmung zu den sechs Tornados-Aufklärungsflugzeugen nicht möglich ist.
Ursprünglich wollte die Bundesregierung auch das dritte Afghanistan-Mandat im Oktober vom Bundestag verlängern lassen. Dabei geht es um die deutsche Beteiligung an der US-geführten Anti-Terror-Operation "Enduring Freedom" (OEF). Diese wird von den Grünen abgelehnt. Da es in der SPD noch Diskussionsbedarf über OEF gibt, soll dieses Mandat erst im November verlängert werden - nach einem SPD-Parteitag Ende Oktober.
"Ausstieg aus Gewaltspirale"
Mit Blick auf ISAF forderte der Grünen-Parteitag einen "Ausstieg aus der Gewaltspirale". In letzter Konsequenz wird ein Komplettabzug der Bundeswehr aus Afghanistan verlangt. Die Parteiführung hatte ein klares Ja zu ISAF gefordert. Die Delegierten verlangten mehrheitlich auch ein sofortiges Ende von "Enduring Freedom".
Der Leitantrag des Bundesvorstands, der erst nach zähem Ringen für den Sonderparteitag beschlossen worden war, wurde von den Delegierten nicht zur endgültigen Abstimmung zugelassen und durch eine Antrag des Parteilinken Robert Zion aus Gelsenkirchen ersetzt. Für den Vorstandsantrag stimmten am Samstag 264, für den Gegenantrag 361 der 638 Delegierten. Er wurde schließlich mit einigen Modifizierungen angenommen.
Bütikofer kritisiert Drückeberger
Parteichef Reinhard Bütikofer sagte nach der Abstimmung: "Verloren haben diejenigen, die nicht gekämpft haben." Damit kritisierte er indirekt den Außenpolitik-Experten Jürgen Trittin sowie die Fraktionschefs Renate Künast und Fritz Kuhn. Diese hatten die von der Führung vorgelegte Vorlage mit ausgehandelt. Künast wies den Vorwurf zurück: "Ich habe gekämpft." Sie erwarte eine "große Debatte" bei den Grünen. "Sonst gehen wir viele Jahre rückwärts und verlieren viele Jahre Einfluss." Sie räumte ein: "Internationale Erfahrung positiv zu nutzen sieht anders aus."
Parteichefin Claudia Roth, die den Tornado-Einsatz ablehnt, betonte, unter anderem mit seiner Forderung nach einem Strategiewechsel drücke der Beschluss Gemeinsamkeiten der Grünen aus. Roth sagte zugleich, dass auch der siegreiche Antrag "Ja zu der militärischen Komponente" von ISAF sage. Von daher handele es sich nicht um eine Abkehr von der bisherigen Politik. In dem Antrag wurde heftig kritisiert, dass die Bundesregierung das ISAF-Mandat als "Geisel" für die Tornados genommen habe.
Während Künast und Kuhn inhaltlich mit Bütikofer auf einer Linie liegen, lehnt Trittin den Tornado-Einsatz ab. Alle drei unterstützten vehement die Verlängerung des ISAF-Mandats. Alle drei drückten sich jedoch davor, klar zu sagen, wie sie im Oktober im Bundestag abstimmen wollen.
Vor allem Trittins Rede war mit Spannung erwartet worden. Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion galt bisher als möglicher Spitzenkandidat für die nächste Bundestagswahl. Bütikofer wandte sich strikt gegen solche Vorentscheidungen: "Dies ist kein Schaulaufen für 2009."
Quelle: ntv.de