Anti-Juncker-Gipfel in Schweden Cameron beruhigt sich
10.06.2014, 12:46 Uhr
Die Regierungschefs der Niederlande, Deutschlands, Schwedens und Großbritanniens im schwedischen Harpsund.
(Foto: dpa)
Schlechter geworden sind Jean-Claude Junckers Chancen beim kleinen EU-Gipfel nicht. Beginnt der Rückzug von David Cameron?
Um Personalfragen ging es natürlich nicht im schwedischen Harpsund. Geht es ja sowieso nie. Das hatten die Regierungschefs auch schon vor zwei Wochen in Brüssel behauptet, nachdem sie sich in großer Runde getroffen hatten, und jetzt behaupten sie es wieder. Wie vor zwei Wochen wird es auch dieses Mal nicht lange dauern, bis dann doch nach außen dringt, wer wem welches Angebot gemacht hat, damit Jean-Claude Juncker Kommissionspräsident wird oder eben gerade nicht.
Der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt hatte seine Kollegen aus Großbritannien, den Niederlanden und aus Deutschland an seinen Landsitz eingeladen. Zwar betonten alle vier nach den Gesprächen, dass sie praktisch nur über Inhalte gesprochen hätten. Doch ihre Statements lassen trotzdem Rückschlüsse auf den Lage im Machtkampf um das Amt des Kommissionspräsidenten erkennen.
Dass dieses Thema zweitrangig war, konnten die Regierungschefs nicht glaubhaft machen: Auf der einen Seite verkündeten sie fast wortgleich, wie sie sich die EU-Politik in den kommenden vier Jahren vorstellen. Auf der anderen Seite betonten sie, dass man vor den personellen erst einmal inhaltliche Fragen zu klären habe. Wo in diesem harmonischen Quartett aber noch Unstimmigkeiten sein sollen, lässt sich nicht erahnen.
Cameron mäßigt sich
Einig ist man sich darin, dass es einen Binnenmarkt für Energie und einen für die digitale Wirtschaft geben soll. Der Binnenmarkt für Dienstleistungen soll ausgebaut werden, mehrfach wurde auch das geplante Freihandelsabkommen mit den USA erwähnt. Ziel ist es jeweils, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Außerdem sehen die vier Regierungschefs zunehmend die Gefahr, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Sozialtourismus missbraucht wird und die EU sich zu viele Kompetenzen der Mitgliedstaaten aneignet.
Bei dieser inhaltlichen Harmonie wird an dem von Montagabend bis Dienstagvormittag dauernden Treffen Zeit genug für die unterschiedlichen personellen Vorstellungen gewesen sein. Der Brite David Cameron ist ein Gegner von Jean-Claude Juncker, Schweden und Niederlande gelten als seine wichtigsten Unterstützer. Angela Merkels Kurs ist unklar: Sie lehnt zwar wie ihre Juncker-skeptischen Kollegen das System der Spitzenkandidaten generell ab, hat sich aber mittlerweile auf den Luxemburger festgelegt, dem sie immerhin selbst die Spitzenkandidatur angetragen hatte.
In Schweden mäßigte Cameron seinen Ton in seinen Einlassungen über Juncker. Er gebrauchte den Namen nicht mehr. Stattdessen betonte er nur noch, dass sich die Regierungschefs nicht vom Parlament vorschreiben lassen wollen, wen sie vorschlagen. Nach dem Vertrag von Lissabon gelten bei dieser Wahl erstmals leicht veränderte Regeln bei der Ernennung des Kommissionspräsidenten: Der Europäische Rat, also die Staats- und Regierungschefs, müssen mit qualifizierter Mehrheit einen Kandidaten vorschlagen, das Parlament wählt diesen Kandidaten, kann das aber auch verweigern. Vor der Wahl legten sich die großen Fraktionen im Parlament darauf fest, nur einen der zuvor aufgestellten Spitzenkandidaten zu wählen und benannten nach der Wahl Juncker als ihren Wunschkandidaten, weil dessen EVP die meisten Stimmen bekommen hatte.
Junckers Chancen steigen
In Großbritannien habe es keine Spitzenkandidaten gegeben, aus der Europawahl könne man darum auch keinen Anspruch auf das Amt des Kommissionspräsidenten ableiten wiederholte Cameron nun. Eine Spitze wie die, dass Juncker ein "Mann der Vergangenheit" sei, ließ sich er sich nicht mehr entlocken.
Das könnte der Beginn eines Rückzugs sein. Denn die Zeit spielt gegen die Briten: Die einzige Unterstützung kommt immer noch aus Schweden, den Niederlanden und aus Ungarn. Die Rolle Deutschlands und Italiens war lange unklar. Dass sie Cameron nun noch zur Seite springen, wird immer unwahrscheinlicher. Und selbst wenn es Cameron schaffen sollte, Juncker an der EU-Spitze zu verhindern – bislang hat er sich nicht getraut, einen Gegenkandidaten zu präsentieren.
Damit wird es wahrscheinlicher, dass die Regierungschefs Juncker vorschlagen und die Briten mit etwas anderem entschädigen, etwa mit einer Einschränkung der Reisefreiheit oder damit, dass diese den Binnenmarktkommissar bestimmen dürfen. Ratspräsidentin könnte dann die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt werden, deren Land sich wie die Briten bewusst gegen die Einführung des Euro entschieden hat. Als Außenbeauftragter könnte der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski ins Konzept passen. Genaueres dazu gab es in Schweden nicht zu hören, über Personalfragen wurde ja angeblich kaum gesprochen.
Quelle: ntv.de