Masochismus in Brüssel Cameron will öffentlich verlieren
24.06.2014, 16:59 Uhr
David Cameron bekam am Montag besuch von Herman Van Rompuy und versucht nun, in der sicheren Niederlage noch möglichst gut auszusehen.
(Foto: AP)
Dem britischen Premierminister reicht es nicht, dass er den Machtkampf um den Kommissionspräsidenten verloren hat. Er will, dass seine Niederlage deutlich dokumentiert wird.
Eigentlich ist die Schlacht schon entschieden, David Cameron könnte sich jetzt zurückziehen. Er hatte den Briten versprochen, Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission zu verhindern, er versuchte, Italien auf seine Seite zu ziehen, Schweden, die Niederlande und am liebsten Deutschland. Cameron kämpfte – nicht immer geschickt, aber mit allen Mitteln. Er wagte sogar die schlimmste aller Drohungen, die er aufbieten konnte: Den Austritt seines Landes aus der Europäischen Union.
Es wirkt wie Masochismus, wenn er nun trotzdem in die offene Schlacht zieht, anstatt sich zu verstecken. Normalerweise stellen die Regierungschefs einfach fest, dass sie sich einig sind, wenn niemand widerspricht. Cameron will nun aber über die Personalie abstimmen, wie es im EU-Vertrag vorgesehen ist. Das teilte er dem EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy mit, als der in London zu Besuch war. Allerdings begnügte sich der Premier nicht mit einem Gespräch vor dem Kamin in der Downing Street 10, sondern sprach die Forderung schon vor dem Treffen in die Fernsehkameras.
Um Juncker zu verhindern, müssten zum Beispiel zehn kleine EU-Länder oder vier große gegen ihn stimmen. Doch das scheint kaum mehr möglich. Außer Großbritannien will eigentlich keiner der Spielverderber sein und es sich gleichzeitig mit der Mehrheit der EU-Staaten und der Mehrheit im Europaparlament verscherzen.
Merkel verärgert
Cameron versucht mit einer doppelten Strategie, das Beste aus der Niederlage herauszuholen: Erstens will er sein Scheitern als die Niederlage des einzigen aufrechten Euroskeptikers inszenieren. Auch wenn er verliert, soll man ihm nicht nachsagen können, bis zum Letzten gekämpft zu haben. Zweitens arbeiten die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten schon wieder daran, die Personalfrage in den Hintergrund zu schieben. Bewusst seien die Debatten über das Arbeitsprogramm der EU vor die Debatte über Personalien gestellt worden, heißt es aus der Kommission. Es wird um einen gemeinsamen Energiemarkt gehen, um Wettbewerbsfähigkeit und eine sanfte Verschlankung der EU. Was auch immer en Detail beschlossen wird: Cameron wird es als Erfolg verkaufen, als seinen Erfolg.
Damit wäre die Grundlage gelegt, weitere Zugeständnisse der EU gegenüber Großbritannien auszuhandeln. Auch das hat Cameron versprochen. Sobald das Projekt abgeschlossen ist, will er die Briten über den Verbleib in der EU abstimmen lassen. Laut "Guardian" würde Cameron seinen Landsleuten dazu raten, für den Austritt zu stimmen, wenn die EU sich nicht zu weitreichenden Reformen bewegen lässt. Zumindest dementierten seine Sprecher eine entsprechende Aussage nicht. Cameron demonstriert auch hier, wie ernst er es meint.
Der Brite riskiert viel. Schon als er die deutsche Kanzlerin in Schweden traf, wies die darauf hin, dass Konfrontationen nicht dem "Europäischen Geist" entsprächen. Wenn er tatsächlich eine Reform der EU möchte, braucht er dazu Unterstützung, doch die verspielt er gerade.
Quelle: ntv.de