Reisen nach Oslo nicht möglich China setzt Dissidenten fest
08.12.2010, 11:19 Uhr
Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo.
Die chinesische Regierung stemmt sich mit allen möglichen Mitteln gegen die Verleihung des Friedensnobelpreises an den Systemkritiker Liu. Aufhalten wird sie den Festakt nicht - zumindest aber soll verhindert werden, dass weitere Kritiker Zugang zur internationalen Öffentlichkeit bekommen.
Kurz vor der Vergabe des Friedensnobelpreises in Oslo haben die chinesischen Behörden ein weitreichendes Reiseverbot für Regimekritiker und ihre Familien verhängt. Nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International dürfen mehr als 200 Personen nicht ins Ausland reisen, stehen unter Hausarrest oder wurden festgenommen. Auch die Frau des inhaftierten Preisträgers Liu Xiaobo steht unter Hausarrest und darf nicht zur Feier am Freitag nach Oslo reisen. Es ist das erste Mal seit 1935, dass weder der Preisträger noch einer seiner Vertreter die Auszeichnung entgegennehmen können. Damals wurde dem Pazifisten Carl von Ossietzky von den Nazis verboten, nach Norwegen zu reisen. Das Reiseverbot in China betrifft auch Angehörige von weitgehend unbekannten Dissidenten.
Unterdessen wurde in China als Reaktion auf die Auszeichnung Lius eine eigene Auszeichnung geschaffen. Der Konfuzius-Friedenspreis soll am Donnerstag an den früheren taiwanischen Vizepräsidenten Lien Chan vergeben werden. Lien habe sich für friedliche Beziehungen zwischen der Volksrepublik China und Taiwan eingesetzt, teilten die Organisatoren mit. Die Regierung in Peking sieht die Insel auch Jahrzehnte nach der Teilung als abtrünnige Region. Der Bürochef Liens erklärte, er kenne den Preis nicht und könne deswegen keinen Kommentar abgeben. Die Einladung zur Preisverleihung wurde offensichtlich von einer Abteilung des chinesischen Kulturministeriums verschickt. Ein Vertreter des Ministeriums erklärte aber auf Nachfrage, er wisse nichts darüber.
Die Wahl Lius zum diesjährigen Friedensnobelpreisträger hatte bei China Empörung ausgelöst. Die Regierung hat Druck auf ausländische Diplomaten ausgeübt, nicht an der Zeremonie am Freitagmittag im Rathaus von Oslo teilzunehmen.
Serbien boykottiert
Als einziges europäisches Land will Serbien keinen Vertreter zur Verleihung schicken. Die Entscheidung löst in dem Land selbst heftige Kritik aus. Statt sich der EU anzuschließen, deren Mitglied man werden wolle, reihe sich Serbien "Schulter an Schulter mit Saudi Arabien, Pakistan, dem Iran, Afghanistan und Kuba ein", kommentierte die größte Zeitung "Blic".
Der serbische Boykott beweise, "dass das Land noch weit entfernt ist von einem aufrichtigen Kampf für eine moderne, europäische und demokratische Gesellschaft", kritisierten Menschenrechtler. "Das ist noch ein Beispiel für das skandalöse Einreihen Serbiens in den Kampf gegen die Menschenrechte", schrieb "Blic".
Serbiens Außenminister Vuk Jeremic begründet das Fernbleiben seines Botschafters in Oslo mit der chinesischen Unterstützung Belgrads im Konflikt um die frühere südserbische Provinz Kosovo. Sein Vorgänger Vuk Draskovic bezeichnet den Boykott als schweren Fehler. Vor zwei Jahren hatte Serbien in den Vereinten Nationen bereits eine breite Verurteilung der Menschenrechtsverletzungen im Iran abgelehnt.
Quelle: ntv.de, rts/dpa