Politik

Polizei greift zu Christina M. ist frei

Knapp eineinhalb Tage nach ihrer Entführung in Kabul ist die 31-jährige Deutsche Christina M. in der Nacht von afghanischen Sicherheitskräften befreit worden. Der Chefermittler der Kabuler Polizei, Alishah Paktiawal, sagte, Christina M. sei in Sicherheit und wohlauf. Auch das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte die Befreiung. "Sie befindet sich in sicherer Obhut der deutschen Botschaft in Kabul", sagte eine Sprecherin.

Nach Angaben der Hilfsorganisation ora international wird Christina M. spätestens am Dienstag nach Deutschland zurückkehren. Der im fünften Monat Schwangeren gehe es trotz der Entführung gut, sagte Matthias Floreck, Geschäftsführer der im nordhessischen Korbach ansässigen Organisation. Die 31-Jährige sei sofort nach ihrer Befreiung untersucht worden.

Die vier Entführer der Deutschen seien festgenommen worden, teilte das Außenamt weiter mit. Bei den Geiselnehmern handele es sich um eine kriminelle Bande. Sie hätten zwar nach außen hin die Freilassung von Häftlingen gefordert, tatsächlich sei es ihnen aber um Lösegeld in Höhe von etwa einer Million Dollar gegangen.

In der Nacht habe die Polizei das Versteck der Entführer im Westen Kabuls umstellt. Rund 300 Sicherheitskräfte hätten an der Operation teilgenommen.

Zudem sei der Drahtzieher der Morde an zwei deutschen Journalisten gefasst worden. Die beiden Mitarbeiter der "Deutschen Welle" waren im vergangenen Oktober in Nordafghanistan erschossen worden. Der vor einem Monat verschleppte deutsche Bauingenieur ist unterdessen weiter in den Händen seiner Entführer.

Gemeinsame Operation

Der Sprecher des afghanischen Innenministeriums, Semarai Bashary, sagte, die 31-Jährige Mitarbeiterin der Hilfsorganisation "ora international" sei bei einer gemeinsamen Operation des Innenministeriums und des afghanischen Geheimdienstes befreit worden.

Christina M. war am Samstag in Kabul aus einem Restaurant heraus vor den Augen ihres Mannes von vier bewaffneten Männern verschleppt worden. Eine sofort eingeleitete Verfolgungsjagd durch die Polizei verlief zunächst ohne Erfolg. Dabei starb ein Taxifahrer durch eine verirrte Kugel.

Steinmeier dankt den Behörden

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich erleichtert über die Befreiung der Deutschen. "Mein Dank gilt dem Krisenstab und der deutschen Botschaft in Kabul. Besonders danken möchte ich der afghanischen Regierung und den Behörden, mit denen wir eng, vertrauensvoll und erfolgreich zusammengearbeitet haben", ließ Steinmeier über sein Ministerium mitteilen. Das Auswärtige Amt werde in seinen Anstrengungen nicht nachlassen, auch die Freilassung des weiterhin in Geiselhaft befindlichen deutschen Bauingenieurs zu ermöglichen, betonte der Minister.

Aufstockung der Truppen

Trotz der jüngsten Gewalttaten gegen Deutsche in Afghanistan bekannten sich die Koalitionspartner Union und SPD zur Fortsetzung des deutschen Engagements am Hindukusch. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nannte die anstehende Verlängerung der Bundeswehreinsätze "alternativlos". Es gebe einen direkten Zusammenhang zwischen der Entwicklung in Afghanistan und der Terrorgefahr in Deutschland. SPD- Parteichef Kurt Beck zeigte sich offen für eine Aufstockung der deutschen Einheiten.

Die Hilfsorganisation "ora international" verteidigte ihren Einsatz. "Wir sind ganz sicher nicht unvorsichtig oder dumm vorgegangen", sagte Ulf Baumann, der Sprecher von ora international in Deutschland. Die Organisation sei seit 1991 in Afghanistan tätig und habe viele Erfahrungen in dem Land gesammelt. Christina M. sei als Büroleiterin nach ihrer Ankunft in Kabul von langjährigen Mitarbeitern eingewiesen worden und habe ein Sicherheitstraining erhalten.

Hilfsorganisationen ziehen sich zurück

Unterdessen wollen sich immer mehr Hilfsorganisationen angesichts von Entführungen und Anschlägen aus Afghanistan zurückziehen. Malteser-Sprecherin Claudia Kaminski sagte, der letzte deutsche Mitarbeiter werde im Oktober zurückkehren. Die vor 26 Jahren von Bundestagsabgeordneten gegründete Organisation "help" sei inzwischen nur noch mit Mitarbeiter aus Deutschland in Herat vertreten. Die Welthungerhilfe, die im März einen Mitarbeiter verloren hat, der von den Taliban erschossen worden war, beginne derzeit keine neuen Projekte mehr.

Rupert Neudeck, Gründer der Hilfsorganisation "Grünhelme", hält den Einsatz von deutschen Mitarbeitern in Afghanistan für zu gefährlich. "Wir haben vor eineinhalb Jahren alle deutschen Mitarbeiter aus Afghanistan abgezogen", sagte Neudeck. Neudeck sprach sich auch dagegen aus, zivile Helfer militärisch schützen zu lassen. "Dann ist es sogar besser, aus einer Situation rauszugehen. Besser keine Arbeit machen, als mit einer parteilichen bewaffneten Begleitung aufzutreten."

Quelle: ntv.de

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