Politik

Grimassen-König tritt kürzer Pirat Lauer sagt leise Adieu

Sein Nein zur Kandidatur kommt überraschend - aber irgendwie auch nicht.

Sein Nein zur Kandidatur kommt überraschend - aber irgendwie auch nicht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seine Sprüche sind berüchtigt, seine Grimassen bei Auftritten skurril. Christopher Lauer von der Piratenpartei ist ein Querkopf - aber nun hat der Spaß ein Ende. Lauer will nicht mehr für die Spitze der Berliner Fraktion kandidieren. Hintergrund dürfte eine pikante Amigo-Affäre sein.

Weit aufgerissene Augen und gerne große Klappe: Lauers Auftritte sind berüchtigt.

Weit aufgerissene Augen und gerne große Klappe: Lauers Auftritte sind berüchtigt.

(Foto: REUTERS)

Die Berliner Piratenfraktion schlittert immer tiefer in die Führungskrise: Co-Chef Christopher Lauer wirft das Handtuch, nachdem schon Andreas Baum seinen Rückzug von der Spitze angekündigt hatte. Beide wollen nicht erneut für den Fraktionsvorsitz kandidieren. Seine Entscheidung habe private Gründe, sagte Lauer. Damit meint er womöglich einige persönliche Affären, die den Fraktionsfrieden seit Wochen belasten.

Der 28-jährige Lauer gehört zu den prominenteren Piraten, allerdings ist er in der Partei zunehmend umstritten: Kritik zog er auf sich, als er den damaligen politischen Geschäftsführer der Piraten, Johannes Ponader, per SMS in drastischen Worten zum Rücktritt drängte. Unter Druck geriet er auch durch Berichte, nach denen er die Mutter seiner Lebensgefährtin zur Pressechefin der Fraktion machte.

Die 15-köpfige Fraktion macht seit langem mit internen Querelen von sich reden. Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus waren die Piraten im September 2011 mit 6,5 Prozent zum ersten Mal in ein Parlament eingezogen. Aktuellen Umfragen zufolge würden sie bei der Wahl im September den Einzug in den Bundestag klar verfehlen.

Am Dienstag wollen die Berliner ihren Fraktionschef neu wählen. Wie eine Fraktionssprecherin ergänzte, gibt es mit Oliver Höfinghoff derzeit nur einen Bewerber für einen der Führungsposten. "Ich gehe aber davon aus, dass sich bis morgen noch der eine oder andere bereit erklären wird, für diese wichtigen Ämter zu kandidieren", sagte die Sprecherin.

Was ist los? Die "Affäre Lauer"

Christopher Lauer ist einer der begabtesten Politiker, die die Piratenpartei zu bieten hat. Er ist rhetorisch stark, hoch intelligent und arbeitet sich akribisch in die Details von Anträgen und Gesetzen ein. Auch wenn die Piratenpartei nach der Bundestagswahl untergehen würde, der Berliner Fraktionsvorsitzende Lauer würde seinen Weg auch woanders machen - dachte man bislang zumindest.

Bis zum 17. Mai schien es sicher, dass die Abgeordnetenhausfraktion Lauer wieder zu ihrem Vorsitzenden wählen würde. Der Posten ist vielleicht der wichtigste in der Partei: Die Berliner haben die älteste Fraktion, bessere Umfragewerte als in den meisten anderen Ländern und die Abgeordneten werden im Gegensatz zum Parteivorstand bezahlt.

Bei einer Pressekonferenz mit seinen Vorstandskollegen drohte Christopher Lauer einem nicht bekannten Denunzianten mit Fraktionsausschluss.

Bei einer Pressekonferenz mit seinen Vorstandskollegen drohte Christopher Lauer einem nicht bekannten Denunzianten mit Fraktionsausschluss.

(Foto: picture alliance / dpa)

Doch am 17. Mai machte Lauer einen Fehler: Er lud die Presse ein, ohne seine Vorstandskollegen zu informieren, und zeterte vor den Journalisten darüber, dass seine Beziehung zu einer Fraktionsmitarbeiterin öffentlich gemacht worden war. Er drohte mit Fraktionsausschluss, ohne dass klar war, wen er eigentlich meinte. Lauer wirkte unsouverän und unfair.

Was war passiert? Journalisten hatten ein Gerücht aufgeschnappt, das für Lauer unangenehm war. Gegenstand war eine Beziehung zu einer Mitarbeiterin der Abgeordneten Susanne Graf. Die deutsche Politik diskutierte erst neulich über die neue Amigo-Affäre in der CSU, aber dass Lauer mit einer Mitarbeiterin einer Fraktionskollegin zusammen ist, fällt erst einmal nicht in den Bereich der Kungelei. Interessant wird die Geschichte dadurch, dass Lauer die Mutter seiner Lebensgefährtin als Pressesprecherin einstellte.

Lauer glaubt an einen feindlichen Akt

Zu dem Zeitpunkt, als die Mutter eingestellt wurde, kannte Lauer seine jetzige Freundin noch gar nicht, sagt er. Ende April dieses Jahres machte der Vorstand sie aber zur Leiterin der Pressestelle, obwohl sie nur als Elternzeitvertretung für die Fraktion arbeitet. Da war die Beziehung Lauers zur Tochter der Sprecherin bereits einige Monate alt. Wurde sie aufgrund der privaten Verbindung zu Lauer bevorzugt?

Ob als Vorsichtsmaßnahme oder einfach, um seine Privatsphäre zu schützen: Lauer machte seine Beziehung nicht öffentlich. Trotzdem blieb sie nicht lange geheim und Journalisten konfrontierten Lauer mit dem Gerücht, weshalb dieser die besagte Pressekonferenz einberief und auf Angriff umschaltete. Die Informationen, die mindestens zwei Journalisten vorlagen, ließen "nur den Schluss zu, dass es direkt aus der Fraktion kommt". Lauer glaubt darum, ein Kollege wolle ihm in der Öffentlichkeit schaden. Für den Fall, dass der Denunziant zu ermitteln sei, droht Lauer mit dem Ausschuss aus der Fraktion.

Mit dieser Drohung brachte Lauer nun endgültig andere Abgeordnete gegen sich auf. Vor allem die Kollegen Graf, mit deren Mitarbeiterin Lauer eine Beziehung hat, echauffierte sich in ihrem Blog: "Ich möchte kein Mitglied einer Fraktion sein, die ihren Mitglieder damit droht, ihr Recht auf parlamentarische Teilnahme zu entziehen", schrieb sie.

Piraten wollten es anders machen

Auf Twitter ging die Diskussion weiter: Fraktionsmitglied Gerwald Claus-Brunner behauptet, Lauer habe auf dem wenige Tage zuvor stattgefundenen Bundesparteitag mit seiner Freundin "rumgeturtelt" - was den Kreis der Mitwisser erhöht hätte. Das würde die Sache in einem anderen Licht erscheinen lassen: Vielleicht ist es gar kein Fraktionskollege, der Lauer schaden möchte?

Es ist unklar, wie groß der Rückhalt für Christopher Lauer in seiner Fraktion nun noch ist. Die Mehrzahl der Mitglieder hat sich zu der Angelegenheit nicht öffentlich geäußert. Offenbar hat Lauer aber nun kurz vor der Wahl die Notbremse gezogen, indem er gar nicht antritt.

So nebensächlich all das bisweilen wirkt - es greift das Selbstverständnis der Piraten an, die eigentlich einmal die Inhalte von Politik über den persönlichen Zwist und Machtkampf stellen wollten. Susanne Graf fand in ihrem Blogeintrag deutliche Worte: "Diese Angstmache ist nicht hinnehmbar." Von der Beziehung habe sie erst durch die Pressekonferenz erfahren, was sie wütend macht: "Ich dachte wir wollten anders sein. Wollten wir nicht neue Politiker sein? Politiker, die andere Wege gehen? Wo ist das geblieben? Ich fühle mich verraten. Ich schäme mich für uns."

Quelle: ntv.de, mit AFP/dpa

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