Minister-Kritik an Managern Chuzpe und Gier
16.02.2008, 08:04 UhrWirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sehen in der Steueraffäre des inzwischen zurückgetretenen Post-Chefs Klaus Zumwinkel eine Gefahr für die soziale Marktwirtschaft. Die deutschen Manager müssten sich "ihrer Vorbildfunktion für die Gesellschaft bewusst werden. Andernfalls wird unsere soziale Marktwirtschaft unglaubwürdig", sagte Glos der "Bild am Sonntag". "Dann würde unser Land zum Übernahmekandidaten für die Linke."
Steinbrück sagte der ZEIT: "Ein Mann dieser Güteklasse muss wissen, was eine eingestandene Steuerhinterziehung in der Wahrnehmung der Bürger bedeutet". Der Fall sei ein Beispiel dafür, dass die größte Gefahr für die soziale Marktwirtschaft gegenwärtig von den Exzessen und Übertreibungen der Protagonisten selbst ausgehe.
"Unglaubliche Chuzpe und Gier"
"Es sind die Eliten, die das System zum Einsturz bringen", sagte Steinbrück. Ein solches Verhalten berühre die Legitimationsgrundlagen des deutschen Wirtschaftssystems.
SPD-Chef Kurt Beck sagte der Münchner "Abendzeitung": "Da bleibt einem die Spucke weg. Dass Leute, die Millionen verdienen, den Rachen offenbar noch immer nicht voll kriegen. Das ist ein neuer Fall von unglaublicher Chuzpe und Gier."
"Raffgier-Mentalität"
Ähnlich sieht es SPD-Fraktionschef Peter Struck: "Wenn es denn tatsächlich zutrifft, wenn die Vorwürfe berechtigt sind und er entsprechend auch verurteilt worden ist, dann stärkt ein solches Verhalten die politischen Ränder links und rechts", sagte Struck im RBB-Inforadio. Er warf Zumwinkel eine "Raffgier- Mentalität" vor. Es leuchte ihm nicht ein, warum ein Manager, der so viel Geld verdiene, "auch noch Geld an der Steuer vorbei schleusen muss".
Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, hat den Aufruf der Bundesregierung an Steuersünder, sich bei den Finanzbehörden selbst anzuzeigen, ausdrücklich begrüßt. Er sagte der "Bild"-Zeitung, der Aufruf zur Selbstanzeige sei auch in anderen Steueraffären sehr erfolgreich gewesen. So hätten sich zum Beispiel im Zusammenhang mit der sogenannten Balinger-CD im Jahre 2005 etwa 25 Prozent der Betroffenen zur Selbstanzeige entschlossen. "Am Ende hat es für den Fiskus einen Mehrertrag in Höhe von etwa 100 Millionen Euro gegeben."
Imageschaden für die Wirtschaft
Nach Einschätzung des Unions-Mittelstandspolitikers Michael Fuchs droht der deutschen Wirtschaft ein massiver Imageschaden durch den Steuerfall Zumwinkel. "Es ist ein Trauerspiel", sagte Fuchs dem "Tagesspiegel". "Der Markt kann nicht funktionieren, wenn es nicht einen moralischen Grundkonsens gibt", sagte Fuchs. Großmanager, die "den Hals nicht voll kriegen" könnten, untergrüben diese Ethik und bereiteten den Boden für Anti-Stimmung gegen die gesamte Wirtschaft.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Norbert Röttgen (CDU), hob hingegen die positiven Seiten des Falls Zumwinkel hervor: "Wenn man den Fall positiv sieht, ist er der Beweis, dass die staatlichen Institutionen funktionieren", sagte Röttgen der "Berliner Zeitung". Es zeige sich auch, "dass vor dem Recht alle gleich sind, unabhängig vom Geldbeutel".
"Sie predigen Verzicht und stopfen sich selbst die Taschen voll"
Verdi-Chef Frank Bsirske sagte der "Bild am Sonntag": "Ich will nicht hoffen, dass solche Skandale unser Gemeinwesen zerstören". "Bei den Menschen greift ein Gefühl tief empfundener Ungerechtigkeit um sich. Darüber muss sich niemand wundern. Die Rhetorik der Oberen in den Führungsetagen der Unternehmen passt überhaupt nicht dazu, wie sie sich selbst verhalten. Sie predigen Verzicht für andere und stopfen sich selbst die Taschen voll."
Auch kirchliche Würdenträger stimmten in die Kritik ein: Der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sprach im Zusammenhang mit dem Fall Zumwinkel von "amoralischem Verhalten". Zollitsch sagte im SWR-Interview, mit Gesetzen könne man in Fällen von Steuerhinterziehung nicht viel machen. Entscheidend werde sein, das öffentliche Bewusstsein dafür zu schärfen, was sich gehöre und was nicht. Nur wenn dieses Bewusstsein wieder stärker werde, würden Fälle wie Zumwinkel oder beispielsweise Fälle von zu hohen Abfindungen in der Wirtschaft wieder abnehmen.
Generelle Managerschelte verfehlt
Dagegen warnte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, vor einer generellen Verurteilung. Braun sagte der "Bild"-Zeitung: "Ich halte generelle Managerschelte für genauso verfehlt wie pauschale Politikerschelte." Die "große Mehrheit der zigtausend Familienunternehmer, sondern auch der Manager engagiert sich gemeinsam mit Mitarbeitern für den Unternehmenserfolg", sagte der DIHK-Präsident.
Quelle: ntv.de