Streit um Ausschluss Clement tief enttäuscht
01.08.2008, 16:03 UhrDer drohende Parteiausschluss des früheren Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement sorgt weiter für Aufruhr in der SPD. Clement meldete sich erstmals selbst zu Wort und zeigte sich tief enttäuscht: "Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Partei Willy Brandts so gering geschätzt wird."
Parteichef Kurt Beck rief die SPD zu "Besonnenheit und Verantwortung" in der Debatte auf. Er kündigte an, dass die Bundes-SPD dem Schiedsverfahren gegen Clement beitreten werde, um das "Interesse der Gesamtpartei" wahrzunehmen. Eine Reihe von SPD-Politikern stärkte Clement klar den Rücken. Parteivize Peer Steinbrück erklärte: "Die SPD und Wolfgang Clement müssen einander aushalten."
Gegen den Energiekurs
Als Kampf um den politischen Kurs der SPD begreift Clement seinen Rauswurf, gegen den er vor der Bundesschiedskommission der Partei in Berufung geht. Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" sagte Clement: "Zum ersten Mal scheint der linke Flügel über eine Mehrheit in Parteivorstand und Parteirat zu verfügen." Er betrachte es als seine "Pflicht", sein Wort zu erheben, wenn in seiner Partei "Unverantwortliches vertreten werde.
Dabei nannte er erneut den Energiekurs der Hessen-SPD. Um die Politik der Reformen in der SPD weiter durchzusetzen, kündigte er zudem sein verstärktes Engagement im Vorfeld der Bundestagswahlen an: "Deshalb werde ich mich auch über das Maß hinaus engagieren, das ich mir eigentlich vorgestellt hatte."
Beck enthielt sich einer Bewertung, hob mit Blick auf das Schiedsverfahren gegen den Ex-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen jedoch hervor: "Mir ist aber wichtig, dass in einer Gesamtbetrachtung sowohl persönliches Verhalten als auch die politische Lebensleistung in die Beurteilung einbezogen werden." Allerdings werde die "engere Parteiführung" dem Votum des Bundesschiedsgerichts nicht vorgreifen.
Rückendeckung aus der Spitze
Zahlreiche SPD-Politiker hatten kritisiert, dass Clement zwar einen Fehler gemacht habe, dass dies nach seinem jahrzehntelangen Einsatz für die SPD aber keinen Parteiausschluss rechtfertige. Der Verfechter der umstrittenen Agenda 2010 hatte mitten im hessischen Wahlkampf indirekt dazu aufgerufen, die SPD nicht zu wählen, weil er deren Energiekurs ablehnte.
Parteivize Steinbrück hob hervor, die SPD könne ihren Charakter als Volkspartei nur beibehalten, "wenn sie in ihren Reihen über ein breites Spektrum an Meinungen und Persönlichkeiten verfügt." Nur das mache die SPD mehrheitsfähig. Clement habe "erhebliche und beachtenswerte Leistungen" erbracht und sich um die SPD verdient gemacht. "Ich wünsche mir, dass er dies auch künftig als Mitglied der SPD aus ihr heraus wird leisten können." Parteivize Frank-Walter Steinmeier hatte Clement bereits Rückendeckung gegeben.
Der eher dem linken Parteiflügel zugerechnete Fraktionsvize Ludwig Stiegler nannte den Parteiausschluss Clements eine "krasse Fehlentscheidung". Er verwies in der "Passauer Neuen Presse" vom Freitag darauf, dass auch in der SPD Meinungsfreiheit gelte. Der konservative Seeheimer Kreis stellte sich erneut hinter Clement. "Er hat einen Fehler gemacht, aber eine Volkspartei braucht starke Charaktere auch auf den Flügeln", sagte Seeheimer-Sprecher Johannes Kahrs der Zeitung.
Scheer gegen Clement
SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer kritisierte, es gehe bei der Debatte um Clement nicht um die parteiinterne Meinungsfreiheit, sondern um dessen parteischädigenden Aufruf, die SPD in Hessen nicht zu wählen. Im "Tagesspiegel" forderte er Clement daher auf, sein Parteibuch zurückzugeben.
Der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner wandte sich gegen ein "Sommertheater" der SPD. Auch SPD-Vorstandsmitglied Ursula Engelen-Kefer rief die Partei auf, wieder Ruhe einkehren zu lassen. Beide zeigten allerdings auch Verständnis für den NRW-Beschluss.
Quelle: ntv.de