Rüge gefällt ihm nicht Clement verlässt die SPD
25.11.2008, 15:59 UhrDer frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement tritt aus der SPD aus. Grund dafür sei unter anderem die Rüge der Bundesschiedskommission, "die meint, die Wahrnehmung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit mit einer öffentlichen Rüge drangsalieren zu sollen", teilte Clement mit. Der 68-Jährige informierte die SPD-Führung bereits über seine Entscheidung.
Zudem kritisierte Clement, dass die SPD-Führung "keinen klaren Trennungsstrich zur PDS/Linken zieht", sondern die Landesverbände der SPD sogar "zu einer Zusammenarbeit mit dieser Partei ermuntert, obgleich deren Stasi-Verstrickung offenkundig ist". Als dritten Grund nannte er eine SPD-Wirtschaftspolitik, die "auf eine De-Industrialisierung unseres Landes hinausläuft".
"Ich bedauere sehr, diesen Schritt, zu dem ich mich nach gründlicher Abwägung entschlossen habe, tun zu müssen", erklärte "Clement. "An den weiteren Diskussionen und Auseinandersetzungen um die hier angesprochenen Fragen werde ich mich - nunmehr als Sozialdemokrat ohne Parteibuch - nach Kräften beteiligen."
"Es wird auch so gehen"
Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering bedauerte den Parteiaustritt. "Es ist schade, dass er nicht weiter in der Partei mitarbeiten will", erklärte Müntefering. "Platz wäre gewesen, zumal nach der vermittelnden Entscheidung der Bundesschiedskommission der SPD gestern. Aber nun wird es auch so gehen."
Müntefering sagte weiter, Clements "Entscheidung schmälert nicht seine Verdienste in der Vergangenheit um eine zeitgemäße Politik im Sinne der sozialdemokratischen Idee". Zugleich gab Müntefering sich humorvoll: "Vielleicht irgendwann, wenn die Altersweisheit ihn auch erreicht, kommt er doch noch mal zu uns zurück."
"Ich bin enttäuscht"
Der Bochumer SPD-Ortsverein, der Clements Parteiausschluss gefordert hatte, reagierte mit Befriedigung auf die Austrittsankündigung. "Das hätte er schon eher machen sollen, dann wäre er mit seiner Kritik nur noch Privatmann gewesen, und nach 14 Tagen spricht keiner mehr über ihn", sagte der Vorsitzende des SPD Ortsvereins Bochum-Hamme, Rudolf Malzahn. Der Austritt jetzt zeige die Uneinsichtigkeit und "Sturheit" Clements.
SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sagte: "Wir haben versucht, ihm Brücken zu bauen. Ich bin enttäuscht, dass es trotzdem zur heutigen Entscheidung gekommen ist." SPD-Fraktionschef Peter Struck reagierte gelassen: "Das wirft uns zurück. Aber das wirft uns nicht um." Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles zeigte sich kaum enttäuscht: "Reisende soll man nicht aufhalten."
"Säuberungswelle innerhalb der Partei"
Die hessische SPD wollte keinen Kommentar zu Clements Austritt abgeben. Ein Sprecher verwies am Dienstag auf die Stellungnahme des Landesverbands vom Januar: "Es ist von unserer Seite alles gesagt." Die Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti hatte Clement im Januar als Atom-Lobbyisten bezeichnet, nachdem der Ex- Minister ihre energiepolitischen Pläne scharf kritisiert hatte.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, Clements Schritt sei ein Zeichen, "dass vernünftige bürgerliche Sozialdemokraten und wirtschaftliche Vernunft in der SPD keine Heimat mehr haben". CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer meinte: "Mit dem Austritt Clements aus der SPD hat die seit Monaten laufende Säuberungswelle innerhalb der Partei ihr bisher prominentestes Opfer gefunden."
Clement hatte nach seinem Ausscheiden aus der Politik mehrere Aufsichtsratsmandate in der Wirtschaft übernommen. Teile der SPD werfen ihm deshalb Lobby-Politik vor. Unter anderem ist Clement Mitglied im Aufsichtsrat der RWE-Tochter RWE Power AG.
"Um den Preis der industriellen Substanz Hessens"
Clements scharfe Kritik an Ypsilanti hatte den Streit ausgelöst. Im hessischen Landtags-Wahlkampf hatte Clement mehr oder weniger indirekt dazu aufgerufen, Ypsilanti nicht zu wählen. Er hatte sich gegen den Ausstieg aus der Kernenergie ausgesprochen und Ypsilanti eine unrealistische Energiepolitik vorgeworfen.
"Wer es wie sie will, der muss sich klar sein: Das geht nur um den Preis der industriellen Substanz Hessens", schrieb Clement damals in einem Gastbeitrag in der "Welt am Sonntag" und fügte hinzu: "Deshalb wäge und wähle genau, wer Verantwortung für das Land zu vergeben hat, wem er sie anvertrauen kann - und wem nicht."
Am Montag hatte die Bundesschiedskommission wegen dieses Zitats eine Rüge ausgesprochen. In einer schriftlichen Erklärung hatte Clement zuvor erneut bedauert, dass sich die Hessen-SPD durch seinen Zeitungskommentar von ihm "im Stich gelassen gefühlt" habe. Er stritt ab, dazu aufgerufen zu haben, die SPD nicht zu wählen. "Ich werde aber bei der Wortwahl künftiger Äußerungen darauf achten, dass solche Missverständnisse nicht mehr entstehen."
Die dreiköpfige Schiedskommission beschloss daraufhin, den Ende Juli von der Spruchkammer des nordrhein-westfälischen SPD-Verbandes verhängten Parteiausschluss aufzuheben. Die von Clements Unterbezirk in Bochum im April ausgesprochene Rüge wurde dagegen bestätigt. Dagegen hatte Clement damals Widerspruch eingelegt.
Quelle: ntv.de