Birthler warnt vor Relativierungen DDR "auf Unrecht gegründet"
21.05.2009, 09:37 UhrDie Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, hat davor gewarnt, das Unrecht in der DDR zu relativieren. Sie könne den derzeitigen Streit um den Begriff Unrechtsstaat "nicht ganz nachvollziehen", sagte Birthler.
"Was war die DDR sonst? Sie war auf Unrecht gegründet. Es gab weder freie Wahlen noch Gewaltenteilung noch eine kritische Öffentlichkeit." Auch wenn es im Alltag der Menschen positive Dinge gegeben habe, könne es bei der Bewertung der DDR kein anderes Ergebnis als die Bezeichnung Unrechtsstaat geben.
"Teil unserer Vergangenheit"
Die Stasi-Beauftragte begrüßte, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel zu dem Thema vor zwei Wochen aus Anlass des Jahrestags der letzten DDR-Kommunalwahlen deutlich Stellung bezogen habe. Merkel habe "auf interessante Weise" deutlich gemacht, "dass Menschen nicht gekränkt sein müssen, wenn man das politische System, in dem sie gelebt haben, als Unrechtsstaat bezeichnet".
Die Diskussion um die Bewertung der DDR werde auch in Zukunft immer wieder aus neuen Anlässen geführt werden, sagte Birthler. "Sie ist Teil unseres Lebens, Teil unserer Vergangenheit. Und keine Generation wird es sich nehmen lassen, ihre eigenen Fragen zur DDR-Geschichte zu stellen und sie zu bewerten."
"Legenden widerlegen"
Für die Aufklärungsarbeit werde deshalb weiterhin ihre Behörde gebraucht. "Wir können mit den Akten manche Legenden widerlegen und auch dem Versuch etwas entgegensetzen, die DDR im Nachhinein zu verharmlosen und einen rosaroten Schleier über alles zu breiten", sagte die Bundesbeauftragte, die vor nunmehr fast neun Jahren zur Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen ernannt worden war. Ihren Angaben zufolge haben bisher 1,7 Millionen Menschen einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt und sich damit entschieden, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Anstieg bei Anträgen auf Akteneinsicht
Im Jubiläumsjahr zum 20. Jahrestag des Mauerfalls verzeichnet die Behörde laut Birthler bisher einen Anstieg bei den Anträgen auf Akteneinsicht sowie bei den eingereichten Forschungsanträgen. Angesichts der immer noch großen Nachfrage könne sie sich vorstellen, dass es die Institution noch mindestens zehn Jahre geben werde. Letztlich liege die Entscheidung jedoch beim Gesetzgeber, stellte Birthler klar.
Die Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde lobte den Stand der Wiedervereinigung. "Es gab kein Modell für die Deutsche Einheit, und es sind natürlich auch Fehler gemacht worden. Alles in allem ist es gut gelaufen", sagte Birthler. Allerdings benötige das Zusammenwachsen von Ost und West weiterhin Zeit, ergänzte sie mit dem Schlagwort: "40 Jahre Teilung brauchen 40 Jahre Heilung." Es sei jedoch bereits eine "gewaltige Leistung" vollbracht worden.
Schavan kritisiert Schwan
Unterdessen hat die stellvertretende CDU-Vorsitzende Annette Schavan die SPD-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, Gesine Schwan, für deren Bewertung der DDR kritisiert. "Ich bin davon überzeugt, dass sie bei vielen, die in der DDR gelebt haben, für Kopfschütteln gesorgt hat", sagte Schavan dem "Hamburger Abendblatt".
Der Forderung von CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer, die SPD solle die Kandidatur Schwans zurückziehen, wollte sich Schavan nicht anschließen: "Die paar Stunden bis zur Bundespräsidentenwahl halten wir auch noch durch."
Schwan hatte zur jüngsten Debatte über die DDR kürzlich gesagt, der Begriff Unrechtsstaat sei "diffus" und lege nahe, "dass alles unrecht war, was in diesem Staat geschehen ist. So weit würde ich im Hinblick auf die DDR nicht gehen."
Quelle: ntv.de, AFP