Politik

"Bäume wachsen nicht in den Himmel" Dämpfer für die Linke

"Die Bäume wachsen nicht in den Himmel", muss Linken-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch nach den mäßigen Stimmengewinnen seiner Partei bei der Europawahl zugeben. Abermals kann die Partei trotz Wirtschaftskrise mit ihrer fundamentalen Kapitalismuskritik beim Wahlvolk nicht wirklich punkten. Die Aussichten für die Bundestagswahl sind damit alles andere als rosig. Und Hoffnungen, die Partei könnte vielleicht sogar Länderregierungschefs stellen, haben einen deutlichen Dämpfer bekommen.

Oskar Lafontaine (l) und Lothar Bisky üben Selbstkritik.

Oskar Lafontaine (l) und Lothar Bisky üben Selbstkritik.

(Foto: AP)

Mit den 7,5 Prozent bei der Europawahl schafft die Linke lediglich 1,4 Punkte mehr als die noch ostdeutsch geprägte PDS im Jahr 2004 ohne den heutigen Linken-Frontmann Oskar Lafontaine erreicht hatte. Jetzt muss die Parteispitze einräumen, dass es am Sonntag Probleme gegeben habe, die Anhänger an die Wahlurnen zu bekommen. "Wir haben erhebliche Mobilisierungsdefizite", gibt Lafontaine zu.

Hochgesteckte Ziele

Doch damit steht auch infrage, ob die Partei ihre hochgesteckten Ziele für den Spätsommer erreichen kann. Denn Partei- und Fraktionschef Lafontaine will nach der Landtagswahl am 30. August im Saarland als Linken-Kandidat wieder Ministerpräsident im kleinsten Flächenstaat werden. Das gleiche Ziel hat Bundestagsfraktionsvize Bodo Ramelow für Thüringen. Doch bei den Europa- und Kommunalwahlen im Saarland schaffte die Partei am Sonntag gerade mal um die zwölf Prozent. Und in Thüringen bleibt die Linke zwar zweitstärkste Kraft hinter der CDU, muss aber bei der dortigen Europa- und Kommunalwahl Verluste hinnehmen.

Die Partei dürfte wissen, dass es nicht nur um mangelnde Wählermobilisierung geht. "Wir müssen über eigene Fehler nachdenken", gibt Bundesgeschäftsführer Bartsch unumwunden zu. Und Lafontaines Ko-Parteichef Lothar Bisky sieht sich nach der Wahl vom Sonntag einmal mehr genötigt, seine Partei zur Geschlossenheit aufzurufen. Schließlich sorgt Lafontaines Kurs einer kompromisslosen Fundamentalopposition seit geraumer Zeit für Unmut, der sich mehr und mehr öffentlich artikuliert. Insbesondere viele Mitglieder im Osten drängen auf umsetzbare Konzepte anstelle von Maximalforderungen, finden dabei aber oft nur schwer Gehör.

"In radikalem Protest erstarrt"

Die Linke sei "in radikalem Protest erstarrt", kritisierte etwa der Berliner Linken-Finanzexperte Carl Wechselberg, bevor er seine Partei unlängst verließ. Inzwischen sind zwei weitere Kritiker seinem Beispiel gefolgt: Die einstige Europa-Spitzenkandidatin Sylvia-Yvonne Kaufmann verließ die Partei und wechselte zur SPD, nachdem sie vergeblich um einen erneuten Platz auf der Liste für die Europawahl vom Sonntag gekämpft hatte. Entgegen der Parteilinie hatte sie sich für eine kompromissfreudigere Europapolitik stark gemacht. Dritter im Bunde der Abtrünnigen ist der sächsische Landtagsabgeordnete Ronald Weckesser. Er warf der Linken Populismus vor, bevor er der Partei den Rücken kehrte.

Andere "Realos" hingegen kämpfen um ihre Position in der Partei. "Wir wollen die Kontroverse nicht totschweigen, sondern verantwortungsvoll damit umgehen", kündigt der Berliner Lanespolitiker Stefan Liebich an. Wichtiger Lackmustest für die Reformer in der Partei wird die Debatte über das Wahlprogramm beim Berliner Parteitag am 21. und 22. Juni in Berlin sein, das die Forderung nach einem Investitionsprogramm mit einem Gesamtvolumen von 200 Milliarden Euro beinhaltet.

Praktische rot-rote Erfahrungen

Die Berliner Reformer wollen sich beim Parteitag dafür einsetzen, praktische Erfahrungen aus der Arbeit des rot-roten Senats ins Programm für die Bundestagswahl aufzunehmen. Ob sie damit Erfolg haben werden, ist nicht gewiss. Denn der mächtige Partei- und Fraktionschef Lafontaine ist bekanntermaßen kein Freund der rot-roten Regierungsarbeit in der Hauptstadt.

Quelle: ntv.de, Jürgen Petzold, AFP

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