London: Assad hat etwas zu verbergen Damaskus lässt UN-Inspekteure nicht rein
23.08.2013, 16:30 Uhr
"Viel zu gefährlich", heißt es vonseiten der syrischen Regierung, die die UN-Experten nicht in das betroffene Gebiet reisen lässt.
(Foto: REUTERS)
Noch ist unklar, ob es in Syrien einen Giftgas-Angriff gab. Aber der Druck auf die Staatengemeinschaft wächst, dem Bürgerkrieg nicht länger zuzusehen. London sieht das Assad-Regime längst als Schuldigen an, die USA sehen ihre "Kerninteressen" berührt. Vor Ort sind den UN-Experten noch immer die Hände gebunden.
Nach den mutmaßlichen Giftgasangriffen nahe Damaskus dürfen die UN-Inspekteure noch immer nicht in das betreffende Gebiet reisen, um den Vorfall zu untersuchen. Die syrische Regierung verweigert den Chemiewaffenexperten die Erlaubnis und begründet dies nach Angaben der Vereinten Nationen mit "der schlechten Sicherheitslage im Umland von Damaskus".
Regimegegner berichteten, die Regierungstruppen hätten ihre Angriffe auf Rebellenhochburgen am Stadtrand von Damaskus mit unverminderter Härte fortgesetzt. Den Rebellen sei es aber gelungen, ein Vorrücken der Armee im Viertel Dschobar zu verhindern.
Am vergangenen Mittwoch hatte es bei Angriffen der Regierungstruppen östlich und südlich von Damaskus nach Angaben der Revolutionskomitees Hunderte von Opfern gegeben. Die Opposition wirft der Armee von Präsident Baschar al-Assad vor, dort neben konventionellen Waffen auch Giftgas eingesetzt zu haben. Eine Gruppe von Rebellenkommandeuren erklärte jetzt die internationalen Reaktionen auf dieses Verbrechen für unzureichend.
London gibt Assad die Schuld
Die britische Regierung geht davon aus, dass der mutmaßliche Giftgasangriff auf das Konto des Assad-Regimes geht. Dies sei die "einzige plausible Erklärung", sagte Außenminister William Hague in London. "Ich weiß, dass einige Leute in der Welt dazu neigen zu sagen, dies sei eine Art Verschwörung der Opposition in Syrien - ich glaube, die Wahrscheinlichkeit dafür ist verschwindend gering", sagte Hague.
Priorität für Großbritannien habe es nun, dass die unabhängigen UN-Inspekteure der Vereinten Nationen in die Gegend reisen können, um den Vorfall zu untersuchen. Dass das Regime in Damaskus dies gegenwärtig ablehne, deute darauf hin, dass es etwas zu verbergen habe, sagte Hague.
Am nächsten Mittwoch soll es erneut eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats geben. Generalsekretär Ban Ki Moon kündigte bereits "ernste Konsequenzen" an, falls sich die Vorwürfe über einen Giftgaseinsatz bestätigen sollten. Auch der französische Außenminister Laurent Fabius drohte in diesem Fall indirekt mit einem militärischen Eingreifen.
US-Präsident Barack Obama warnte indes vor schnellen Forderungen nach einer militärischen Intervention. Es gebe rechtliche Fragen sowie die Frage einer internationalen Unterstützung. Bei einem Einsatz ohne UN-Mandat müsse man auch die Frage stellen: "Haben wir eine Koalition, die es machbar machen würde?" Obama hatte den Einsatz von Giftgas vor einem Jahr als "rote Linie" für ein mögliches militärisches Eingreifen bezeichnet.
Russland macht die Rebellen verantwortlich

Das Gift tötete nicht nur Menschen, sondern auch Schafe, Rinder, Ziegen, Hunde, Hühner und viele andere Tiere.
(Foto: REUTERS)
Russland fordert derweil die syrischen Rebellen auf, die UN-Inspekteure bei ihrer Arbeit zur Aufklärung eines möglichen Giftgaseinsatzes zu unterstützen. Die Assad-Gegner müssten einen sicheren Zugang zum Ort des Zwischenfalls gewährleisten, forderte das Außenministerium in Moskau nach einem Telefonat von Ressortchef Sergej Lawrow mit seinem US-Amtskollegen John Kerry. Russland - ein enger Partner Assads - hatte die jüngsten Berichte über einen Chemiewaffeneinsatz des Regimes als "Provokation" bezeichnet und die Rebellen verantwortlich gemacht. Lawrow erklärte weiter, Russland und die USA hätten ein "gemeinsame Interesse" an einer "objektiven Untersuchung" der Berichte.
Nach Einschätzung des UN-Spitzendiplomaten Lakhdar Brahimi reift bei den Konfliktparteien in Syrien langsam die Einsicht, dass keine Seite militärisch siegen kann. "Jetzt sprechen beide von der Möglichkeit einer politischen Lösung", sagte der Syrien-Beauftragte der UN und der Arabischen Liga in einem Interview des UN-Fernsehens. "Syrien stellt heute ohne Zweifel die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit in der Welt dar", sagte Brahimi.
Millionen Kinder sind auf der Flucht
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sollen mittlerweile mehr als drei Millionen Kinder auf der Flucht sein. Ein Drittel von ihnen habe das stark zerstörte Land verlassen. Diese Zahl sei "ein Meilenstein der Schande", erklärten das Kinderhilfswerk Unicef und das Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Viele Kinder seien traumatisiert, deprimiert und ohne Hoffnung.
Die meisten minderjährigen Flüchtlinge haben eine Bleibe in den Nachbarländern Libanon, Jordanien, Türkei, Irak oder auch in Ägypten gefunden, hieß es weiter. "Wir sprechen von Kindern, die von ihrem Zuhause fortgerissen wurden, vielleicht von ihrer Familie. Sie sehen sich Schrecken gegenüber, die wir gar nicht nachvollziehen können", sagte Unicef-Chef Anthony Lake. Die meisten der ins Ausland geflohenen Kinder sind jünger als elf Jahre. Auch in Europa wachse die Zahl der syrischen Flüchtlinge.
Hilfsorganisationen wie das christliche Kinderwerk World Vision Deutschland schätzen allerdings die Zahlen noch höher ein. Der Vorsitzende Christoph Waffenschmidt sagte Anfang August, innerhalb Syriens seien drei Millionen Kinder als Binnenflüchtlinge betroffen.
Nach Ansicht der Hilfsorganisation Medico International ist eine angemessene medizinische Versorgung der Menschen in Syrien nicht möglich. Medico-Sprecher Martin Glasenapp sagte dem Hessischen Rundfunk: "Es werden Medikamente benötigt, vor allem in den direkt umkämpften Gebieten. Es wird aber auch mehr und mehr Nahrungsmittelhilfe nötig sein." Von 23 Millionen Syrern seien mittlerweile zwei Millionen ins Ausland oder in die benachbarten Länder geflohen, innerhalb Syriens seien insgesamt fünf Millionen Menschen unterwegs.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa