Zuwanderung Das Abstimmungsverhalten im Bundesrat
20.03.2002, 13:22 UhrBei der Abstimmung über das rot-grüne Zuwanderungsgesetz am Freitag im Bundesrat sind außer einer Zustimmung oder Ablehnung noch weitere Varianten denkbar. Zunächst könnte es um die Frage gehen, ob der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen werden soll. Liegt ein Antrag vor, stellt der Präsident des Bundesrates nach 31 der Geschäftsordnung zunächst allgemein fest, ob eine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses vorhanden ist. Danach lässt er über die Einzelanträge beraten und abstimmen. "Anschließend kann er nach erneuter Beratung darüber abstimmen lassen, ob der Vermittlungsausschuss unter Zugrundelegung aller gefassten Beschlüsse angerufen werden soll."
Nach dieser Regelung der Geschäftsordnung wäre folgendes Szenario denkbar: Die unionsgeführten Länder und Rheinland-Pfalz (SPD/FDP) stimmen grundsätzlich für einen Vermittlungsausschuss. Diese Länder haben zusammen 35 Stimmen (von insgesamt 69) und damit die Mehrheit. Da aber die FDP nur Einzelpunkte verändern, die Union jedoch das gesamte Gesetz nochmals im Vermittlungsausschuss aufrollen will, könnte es bei der zweiten Abstimmung keine Mehrheit mehr geben. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses wäre dann hinfällig. Sollte dieser Fall eintreten, hat Rheinland-Pfalz bereits angekündigt, bei einer dann folgenden Abstimmung über das Gesetz mit Ja stimmen zu wollen.
Unklar ist bislang das Abstimmungsverhalten des von einer großen Koalition (SPD/CDU) regierten Brandenburgs, dessen vier Stimmen dem Gesetz zu einer Mehrheit verhelfen könnten. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ist bislang gegen das Gesetz. Stimmt jedoch Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) zu, könnte es zu einem Konflikt in der Landeskoalition, aber auch im Bundesrat kommen. Nach Artikel 51 des Grundgesetzes kann jedes Land so viele Mitglieder entsenden, wie es Stimmen hat. Ausdrücklich wird aber geregelt: "Die Stimmen eines Landes können nur einheitlich und nur durch anwesende Mitglieder oder deren Vertreter abgegeben werden. "
Aus der Nachkriegszeit gibt es einen Präzedenzfall über ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten. In der 10. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 1949 votierte der nordrhein-westfälische Arbeitsminister August Halbfell (SPD) bei der Abstimmung über einen Änderungsantrag zur Neuregelung der Mineralölpreise mit Ja. Zugleich kam aber von Finanzminister Heinrich Weitz (CDU) ein Nein. Das Protokoll vermerkt an dieser Stelle "Heiterkeit". Amtierender Bundesratspräsident war NRW-Ministerpräsident Karl Arnold (CDU), der darauf verwies, dass die Stimme einheitlich abgegeben werden müsse.
Als er aus dem Plenum aufgefordert wurde, für NRW zu stimmen, sagte Arnold: "Dann entscheide ich zu Gunsten der Änderungsvorlage. Nordrhein-Westfalen stimmt also mit Ja."
Quelle: ntv.de