Politik

Regierung will Netzausbau angehen Das Ende der Schonzeit

Von Norden nach Süden soll der Strom künftig fließen.

Von Norden nach Süden soll der Strom künftig fließen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit dem Ausbau der Stromnetze steht und fällt die Energiewende. Wenn es nicht gelingt, die Trassen innerhalb Deutschlands den neuen Erzeugerstrukturen anzupassen, wird es nichts mit dem Ziel, die Versorgung auf Erneuerbare umzustellen. Neue Leitungen müssen her. Doch so einfach wird das nicht. Auch nicht für den neuen Umweltminister Altmaier.

Ab jetzt gilt es aber wirklich für Neu-Umweltminister Peter Altmaier. Die Wahlniederlage von Norbert Röttgen spülte ihn unverhofft in das Amt, für das ihn bislang genau genommen wenig qualifizierte - außer, dass er als Getreuer von Kanzlerin Angela Merkel ganz gut wissen dürfte, wie es die Chefin gerne hätte.

Erste Auftritte als Energiewende-Sonderbeauftragter der Regierung verliefen denn auch halbwegs enttäuschend. Das Gipfeltreffen mit den Ländern in Kanzleramt brachte herzlich wenig Ergebnisse, das Echo auf die anschließende Pressekonferenz war entsprechend vernichtend.

Bisher ist Peter Altmaier nur dabei. Bald ist auch er mittendrin.

Bisher ist Peter Altmaier nur dabei. Bald ist auch er mittendrin.

(Foto: dpa)

Dabei gibt es unfassbar viele Aufgaben, die die Regierung dringend in Angriff nehmen muss, um die Energiewende zu einem Erfolg werden zu lassen. Immerhin hat die Kanzlerin selbst dieses Projekt zu einer Art Schicksalsfrage für die laufende Legislaturperiode erklärt - nicht zuletzt begründete sie den Rausschmiss Röttgens damit, dass ein so wichtiges Vorhaben nicht von einer "lahmen Ente" bis Herbst 2013 verwaltet werden dürfe.

Jetzt, eine Woche nach seiner offiziellen Ernennung, ist die Schonzeit für Altmaier bereits zu Ende. Gemeinsam mit Merkel und Wirtschaftsminister Philipp Rösler gehen sie in Bonn in Klausur. Der Präsident der Bundesnetzagentur überreicht der schwarz-gelben Regierung dabei einen ersten Entwurf des nationalen Netzentwicklungsplans. Zeit, sich mit einem der wichtigsten Aspekte der Energiewende auseinanderzusetzen: dem Ausbau der Stromnetze.

Ausbau dümpelt vor sich hin

Und da liegt noch einiges im Argen: Die Deutsche Energie-Agentur beziffert den Rückstand an Höchstspannungsleitungen auf knapp 4500 Kilometer. Hinzu kommen tausende Netzkilometer auf der Verteilebene. Ein älteres Gesetz zum Leitungsausbau aus dem Jahr 2009 - also vor dem Entschluss, sich komplett von der Kernenergie zu verabschieden - sieht den Bau von 1834 Kilometern vor. Die Bundesnetzagentur konstatiert: Davon sind gerade einmal 12 Prozent realisiert worden. Erst 2016 werde dieser Wert die 50-Prozent-Marke überspringen.

Das ist viel zu langsam und reicht bei Weitem nicht aus. Denn um aus erneuerbaren Quellen erzeugte Energie in Zukunft verteilen zu können, müssen erheblich mehr Leitungen entlang neuer Strecken gebaut werden. Im Klartext und stark vereinfacht lautet der Plan: Im Norden erzeugen riesige Offshore-Windanlagen die Energie, im Süden, wo die meisten Industriebetriebe stehen, wird sie verbraucht. Ein Konzept, dass nicht unumstritten ist.

Die Regierung will jetzt den Netzentwicklungsplan überarbeiten. Er soll skizzieren, wie die Regierung dieses Projekt stemmen will, bis zum 4. Juni soll der Plan fertig sein. Ein Mammutprojekt, bei dem vieles schief gehen kann. Kanzlerin Merkel gibt in ihrem letzten Video-Podcast auch unumwunden zu, dass man mit "vielen Projekten im Rückstand" sei. Die Zeit dränge, so Merkel, deshalb wolle sie sich persönlich darum bemühen, dass alles ins Laufen komme. Der Netzausbau ist zur Chefsache geworden.

Massive Bürgerbeschwerden zu erwarten

Ganz schnell muss es also gehen. Obwohl mit erheblichem Widerstand zu rechnen ist. Schließlich will kaum jemand eine solche Höchstspannungsleitung im Vorgarten haben. Ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz, so der bürokratische Monstername, soll regeln, wie weit Bürger mitreden dürfen, wenn es ins Detail geht.

Und so soll es gehen: Rösler stellt Anfang Juni den Plan der Regierung vor. Aus ihm wird hervorgehen, wo genau die neuen Leitungen verlaufen sollen. "Dann kommt eine Phase der Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Ich hoffe, dass wir da eine konstruktive Diskussion hinbekommen", so Merkel.

Dabei weiß sie, dass es dabei mächtig scheppern wird. Warum, erklärt sie gleich selbst: "Es geht natürlich vor allem darum, dass wir persönliches Eigentum so wenig wie möglich in Beschlag nehmen." Die Crux wird wohl in dem Ausdruck "so wenig wie möglich" liegen. Ihre Hoffnung, dass diese Diskussionsphase "nicht zu lange" dauern werde, ist wohl illusorisch.

Rösler lässt Altmaier nicht verschnaufen

Sicherheitshalber macht ihr Wirtschaftsminister schon mal gleich deutlich, dass es nicht nur an Schwarz-Gelb im Bund liegt, wenn es schief gehen sollte. Der "Bild"-Zeitung sagt Rösler vor dem Besuch in Bonn: "Beim Netzausbau tragen auch die Länder eine hohe Verantwortung. Die bereits festgelegten Ausbauprojekte, etwa die Verbindung zwischen Thüringen und Bayern, müssen von den Ländern schnell vorangebracht werden."

Und Merkels neuer Motor in Sachen Energiewende, Peter Altmaier? Der muss beim Stromtrassenausbau erst einmal sehen, dass er Land gewinnt. Kabinettskollege Rösler wittert da nämlich schon eine Chance, vielleicht eine seiner letzten. Als FDP-Chef muss er kämpfen, sein Verhältnis zu Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer war zuletzt reichlich unterkühlt. Da kommt ein unerfahrener Konkurrent gerade recht, um sich zu profilieren. Wie gesagt: Die Schonzeit ist vorbei.

Quelle: ntv.de

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