"Weniger als ein Staat" Das Vermächtnis des Jitzhak Rabin
28.10.2012, 16:07 Uhr
Shimon Peres zündet eine Kerze zum Beginn der öffentlichen Trauerfeierlichkeiten zu Rabins 17. Todestag an.
(Foto: dpa)
Jitzhak Rabin gilt als einer der führenden Vertreter eines Friedensprozesses zwischen Israelis und Palästinensern. Nicht zuletzt wegen seiner liberalen Politik wird er zunehmend zum Hassobjekt rechtsradikaler Israelis. 1995 erschießt ihn einer von ihnen. Doch, war Rabins Politik aus heutiger Sicht wirklich so liberal?
Der israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin ist am 4. November 1995 in Tel Aviv von dem rechtsradikalen Israeli Jigal Amir ermordet worden. Alljährlich erinnern die Israelis in einer Gedenkfeier an Rabin. In diesem Jahr fiel das Gedenken auf einen Samstagabend. Rund 20.000 Jugendliche kamen zum Rabin-Platz in Tel Aviv, um an den "Mann des Friedens" zu erinnern.
Einen Monat vor seinem Tod hatte Rabin dem israelischen Parlament das dritte Interimsabkommen mit den Palästinensern vorgelegt. Es sollte seine letzte politische Grundsatzrede werden. Rabin warb um die Ratifizierung des "bedeutenden Durchbruchs zur Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts." Jetzt, da die Friedensverhandlungen schon seit drei Jahren ruhen, lohnt sich ein Vergleich der Standpunkte Rabins mit denen der heutigen Regierung Israels sowie der Regierung Arafats mit denen Mahmoud Abbas'. So werfen die Palästinenser, und mit ihnen die meisten Europäer, Netanjahu vor, wegen des Siedlungsausbaus eine Zwei-Staaten-Lösung und damit einen Frieden unmöglich zu machen.
Rabin sagte damals: "Im Rahmen der permanenten Lösung, streben wir einen Staat Israel als jüdischen Staat an, in dem mindestens 80 Prozent der Bürger Juden sind." Netanjahu redet heute ausschließlich vom "Staat des jüdischen Volkes".

Am 10. Dezemeber 1994 erhalten PLO-Chef ARafat, der damalige isralische Außenminister Preses und Ministerpräsident Rabin den Friedensnobelpreis.
(Foto: picture-alliance / dpa)
Rabin sah eine "dauerhafte Lösung im Rahmen des Staates Israel" voraus, wobei es neben Israel eine "palästinensische Entität" geben werde. Diese Entität werde "weniger als ein Staat" sein, sagte Rabin. Auch in dieser Frage der Anerkennung ist der heutige Regierungschef Netanjahu einen Schritt weitergegangen. Er bekennt sich bereits zu einem "entmilitarisierten palästinensischen Staat".
"Wir werden nicht zu den Linien des 4. Juni 1967 zurückkehren." Hiermit schloss Rabin einen vollständigen Rückzug aus den besetzten Gebieten aus. Rabin skizzierte, dass Jerusalem komplett bei Israel bleiben, und dass im Osten das Jordantal die Grenze zu Jordanien bilden werde. Großsiedlungen wie Maaleh Adumim, Beitar und des inzwischen von Ariel Scharon geräumten Gusch Katif im Gazastreifen würden laut Rabin in jedem Fall bei Israel bleiben. Das Haupthindernis für die Umsetzung des Friedensprozesses mit den Palästinensern sei demnach der "mörderische Terrorismus der radikal-islamischen Terrororganisationen Hamas und des Islamischen Dschihad."
Rabins Tod öffnet dem Terrorismus Tür und Tor
Rabin schloss Übereinkommen mit Jassir Arafat zur Sicherheit an jüdischen Heiligen Stätten in den besetzten Gebieten. An allen Stätten in Nablus, Jericho, Hebron und am Grab Rachels bei Bethlehem kam es nach Rabins Tod zu Vertragsverstößen und viel Blutvergießen.
Rabin betonte die "Sicherheit der Siedlungen" und "die Fortsetzung des täglichen Lebens". Noch deutlicher fügte er hinzu: "Wir (Arafat und Rabin) kamen zur Vereinbarung, keine einzige Siedlung zu entwurzeln und die Bautätigkeit für das natürliche Wachstum (in den Siedlungen) nicht zu behindern." Demnach hat selbst Arafat damals die Siedlungen nicht für illegal gehalten und ihrem Ausbau per Vertrag zugestimmt. Rabin erwähnte auch die heute so genannten "Siedler-Umgehungsstraßen", denen Arafat zugestimmt habe.
Selbst die heute sogenannte "See-Blockade" des Gazastreifens kommt bereits bei Rabin vor: "Die Verantwortung für die äußere Sicherheit entlang der Grenzen mit Ägypten und Jordanien sowie die Kontrolle des Luftraums über allen Gebieten und der maritimen Zone vor dem Gazastreifen bleibt in unseren Händen."
Bei aller kritischer Betrachtung darf man nicht außer Acht lassen, dass seit dieser Rede 17 Jahre vergangen sind. Einen Monat nach dieser Rede wurde Rabin ermordet. Seitdem gerieten die Verhandlungen mit den Palästinensern und der gesamte Nahost-Friedensprozess ins Stocken. In der Folge kam es zur blutigen El Aksa Intifada, dem Rückzug aus dem Gazastreifen und der Aufgabe von Siedlungen im Norden des Westjordanlandes.
Nüchtern betrachtet kann man aber heute feststellen, dass der Friedensnobelpreisträger Rabin, über Jahre hinweg einer der wichtigsten Entscheidungsträger Israels in außen- und sicherheitspolitischen Fragen, damals zu weniger Konzessionen an die Palästinenser bereit sein musste, als in seiner Nachfolge die rechtsgerichteten Ministerpräsidenten Ariel Scharon, Ehud Olmert und Benjamin Netanjahu.
Quelle: ntv.de, dpa