Soldatenverband glaubt nicht an Abzug "Das ist Augenwischerei"
01.01.2012, 13:21 Uhr
Silvesterfeier der Nato in Kabul.
(Foto: REUTERS)
Die Bundesregierung hat es versprochen: Der Kampfeinsatz in Afghanistan endet 2014. Der Bundeswehrverband bezweifelt, dass das zu halten ist. Er wirft der Regierung ein Wahlkampfmanöver vor und fordert einen "Schlachtplan für den Frieden".
Der Chef des Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch, bezweifelt, dass der Kampfeinsatz in Afghanistan wie von der Bundesregierung versprochen 2014 endet. "Dass nun vom Abzug der Kampftruppen bis Ende 2014 die Rede ist, ist dem Blick auf die nächste Bundestagswahl geschuldet. Das ist Augenwischerei", sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Auch nach 2014 müssten die internationalen Truppen Kampfflugzeuge, Artilleriegeschütze sowie Flugzeuge und Hubschrauber für den Lufttransport samt Besatzungen stellen, um die Afghanen im Kampf gegen Aufständische zu unterstützen. "Außerdem müssen weiterhin hochmobile, kampfstarke Reaktionskräfte verfügbar sein."
Die Nato will ihren Kampfeinsatz bis 2014 beenden. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hat zwar bereits klar gemacht, dass auch dann noch Kampftruppen der Bundeswehr im Land bleiben - allerdings nur zur Ausbildung ihrer afghanischen Kameraden. Kirsch meint dagegen, dass die Bundesregierung damit sich und der Öffentlichkeit etwas vormacht. "Wer den Krieg beenden will, der braucht einen Schlachtplan für den Frieden. Und er muss deutlich machen, wie er reagieren will, wenn sich eine Krise ergibt", sagte er. Dafür müssten Kampftruppen bereitgehalten werden.
"Ich bin sehr skeptisch"
Wie viele internationale Soldaten nach 2014 in Afghanistan noch benötigt werden, wollte Kirsch nicht abschätzen. Die von der Nato ins Gespräch gebrachten 15.000 - etwas mehr als ein Zehntel der jetzigen Truppenstärke - hält er aber für zu tief gegriffen. "Ich bin sehr skeptisch, dass man so weit reduzieren kann."
Die Pläne der Bundesregierung für die ersten Abzugsschritte hält Kirsch für zu ambitioniert. "Ich war schon immer skeptisch, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um signifikant zu reduzieren, oder ob man nicht erst die zivilen Strukturen besser aufbauen muss", sagte er. "Ich freue mich über jede Frau, über jeden Mann, der früher wieder zu Hause ist als ursprünglich geplant. Jetzt muss aber mit Augenmaß reduziert werden, sonst gefährden wir den Erfolg", sagte er. "Das ist auch im Sinne all derer, die in Afghanistan ihr Leben gelassen haben."
"Bundeswehr wartet seit Jahren auf Hubschrauber"
Kirsch warnte zudem davor, dass der Bundeswehr in ihrem Zuständigkeitsgebiet im Norden die Hubschrauber ausgehen könnten. Derzeit stellen die Amerikaner dort den größten Teil der Transport- und Sanitäts-Hubschrauber. Es ist aber noch unklar, ob sie im Herbst 2012 im Zuge der US-Truppenreduzierung abgezogen werden. Die Bundeswehr wartet seit Jahren darauf, neue Hubschrauber vom Typ NH-90 in den Einsatz schicken zu können.
Wenn sich die Lieferung weiter verzögere, könnten auch andere Partnerländer die Lücke füllen, sagte Kirsch. "Wenn das nicht klappt, müssen wir Hubschrauber kaufen, die am Markt verfügbar sind, beispielsweise amerikanische Blackhawks. Die Rettungskette im Einsatz und damit die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten darf nicht von industriepolitischen Gegebenheiten abhängen."
Kirsch forderte erneut eine Sondersitzung des Kabinetts zu allen Aspekten des Afghanistan-Engagements Deutschlands. "Das ist eine umfassende Aufgabe, für die alle Ressorts in die Pflicht genommen werden müssen. Am Ende sollten klare Ziele formuliert und Schritte verbindlich festgelegt werden."
In den Reihen der NATO-Truppen in Afghanistan starben 2011 insgesamt 565 ausländische Soldaten. Das teilte der spezialisierte Internetdienst icasualties.org mit. Das sind 146 weniger als im Vorjahr, das mit 711 Toten die bisher schwersten Verluste für die Eingreiftruppen gebracht hatte. Von den 565 Todesopfern waren 417 Amerikaner, 46 Briten, 26 Franzosen und 7 Deutsche. Alleine 30 US-Soldaten starben im August beim Abschuss ihres Hubschraubers durch die Taliban.
Quelle: ntv.de, dpa