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Harris vs. Trump heute im TV Das könnte ihr entscheidender Moment werden

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Kamala Harris hat eine rasante Aufholjagd hingelegt. Das TV-Duell mit Trump bietet ihr große Chancen, sich von ihm abzusetzen.

Kamala Harris hat eine rasante Aufholjagd hingelegt. Das TV-Duell mit Trump bietet ihr große Chancen, sich von ihm abzusetzen.

(Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire)

Spätestens mit dem TV-Duell zwischen Trump und Harris geht der US-Wahlkampf in die heiße Phase. Diesmal soll aus Sicht der Demokraten alles anders werden als beim Aufeinandertreffen von Trump und Biden. Es ist der Moment vor dem Wahltag, auf den es besonders ankommt.

Dieser Abend könnte alles entscheiden. Am Dienstag um 21 Uhr (Mittwoch, 3 Uhr MESZ) treffen Kamala Harris und Donald Trump im Wahlkampf um die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten zum ersten Mal persönlich aufeinander. Die Einschaltquote wird immens sein, anschließend werden Clips auf sozialen Medien rauf und runter laufen. Mit keinem anderen Termin werden Harris und Trump so viele Menschen auf einmal erreichen. Wie bedeutend so ein Duell sein kann, davon kann Präsident Joe Biden berichten. Ihn kostete sein Desaster-Auftritt Ende Juni gar die Kandidatur.

Ganz so schlimm dürfte es diesmal für keinen der beiden kommen. Dabei haben Trump und Harris das gleiche Ziel: sich als Kandidat des Wechsels, der Veränderung zu präsentieren. Denn die Unzufriedenheit mit Bidens Politik, insbesondere in Wirtschaftsfragen, ist groß. Harris kann als Vizepräsidentin nicht so tun, als habe sie nichts damit zu tun. Sie muss sich von Biden absetzen, ohne ihn zu verleugnen. Die Demokratin muss außerdem erklären, was sie eigentlich vorhat. Viele Wähler wollen mehr über ihr eigentliches Programm wissen. Das zeigte gerade erst eine Umfrage im Auftrag der "New York Times". Wie wird sich Harris gegen Trump behaupten? Sie hat zumindest einige Vorteile auf ihrer Seite:

1. Rückenwind und Momentum

Wenn es läuft, dann läuft es, das weiß jeder Fußballfan. Die US-Wahlkampfstrategen nennen dieses Gefühl "Momentum". Harris stahl Trump die Show, als es kaum noch jemand für möglich hielt. Reihenweise hatten ihn Kommentatoren nach dem Attentat am 13. Juli schon zum Wahlsieger erklärt. Doch dann kam Harris. Sicherte sich in Windeseile die Unterstützung wichtiger Demokraten, erst von Biden selbst, schließlich auch von Barack Obama.

Ein riesiger Seufzer der Erleichterung erfasste den Teil der USA, der Trump nicht ausstehen kann. Und diese Erleichterung schlug schnell in echte Begeisterung um. Denn so blass Harris als Vizepräsidentin geblieben war, sie schaffte es, sich neu zu erfinden. Das zeigte sich besonders auf dem Parteitag der Demokraten in Chicago, dem bisherigen Höhepunkt des Wahlkampfes. Harris hielt eine Rede, in der sie über ihre Kindheit, ihre alleinerziehende Mutter und ihre Nachbarn erzählte, die sie mit großgezogen hätten. Ihre Botschaft: "Ich bin eine von euch". Der gewünschte Kontrast: "Trump ist es nicht." Und: "Ich kämpfe für euch und er kämpft nur für sich selbst." Bei den Demokraten führte das zu Jubelstürmen. Harris ist also längst keine Ersatzspielerin mehr.

2. Sie war Staatsanwältin

Als Biden gegen Trump antrat, war das ein Trauerspiel. Der greise Präsident verhaspelte sich, brachte Sätze nicht zu Ende und schaffte es nicht, Trumps Lügen zu entlarven. Für die Demokraten besonders bitter: Anschließend sprachen alle nur über Biden, nicht aber über Trumps Unwahrheiten. An diesem Abend dürfte das anders werden. Harris brachte es in Kalifornien bis zur Generalstaatsanwältin - ein Amt, in das man in den USA gewählt werden muss, so wie ein Gouverneur oder Senator.

Wenn so jemand auf einen verurteilten Verbrecher und notorischen Lügner wie Trump trifft, wird es interessant. Sie selbst befeuerte entsprechende Hoffnungen. Als Staatsanwältin habe sie es mit allen möglichen Straftätern zu tun gehabt, sagte sie Ende Juli bei einem Termin in Milwaukee. "Sexualstraftäter, die Frauen missbraucht haben. Betrüger, die Verbraucher ausgenommen haben. Mogler, die die Regeln zu ihrem eigenen Vorteil gebrochen haben. Also hören Sie mich an, wenn ich sage: Ich kenne Donald Trumps Typ." Wenn sie es schafft, Trump in die Zange zu nehmen, könnte das ein entscheidender Moment im TV-Duell werden.

3. Sie ist fast 20 Jahre jünger als Trump

Trump war mit seinen 78 Jahren nur drei Jahre jünger als Biden und doch wirkte er meist wesentlich vitaler als der 81-jährige Demokrat. Besonders deutlich wurde das beim TV-Duell Ende Juni. Das hat sich nun gedreht. Harris ist 59 und wirkt im Fernsehen oft noch jünger. Trump dagegen ist auch gegenüber 2020 und vor allem 2016 merklich gealtert. Dass er phasenweise zusammenhanglos daherschwadroniert, ist nicht neu. Aber im direkten Vergleich mit Harris dürfte das Trumpsche Geschwafel deutlicher auffallen als gegenüber Bidens nicht zu Ende gebrachten Sätzen.

4. Wahlkampfthema Abtreibungen

Schwangerschaftsabbrüche werden in den USA seit Jahrzehnten heiß diskutiert, aber seit der Oberste Gerichtshof das Recht darauf aus der Verfassung strich, ist es ein Top-Thema für jede Wahl. Harris setzte sich schon als Vizepräsidentin dafür ein, wieder ein US-weites Recht auf Abtreibungen zu beschließen. Das Thema hat große Zugkraft. Denn die große Mehrheit der Amerikaner will kein nahezu vollständiges Verbot, wie es viele Republikaner fordern. Schon bei den Midterm-Wahlen zum Kongress vor zwei Jahren brachte dieses Thema den Demokraten etliche Stimmen ein und verhinderte eine Blamage.

Aufschwung in Umfragen, aber Rennen dennoch offen

Man könnte die Liste noch fortsetzen. Aber trotz des Rückenwinds ist Harris der Wahlsieg keineswegs sicher. In US-weiten Umfragen hat sie zwar mittlerweile einen Vorsprung von rund drei Prozent. Doch anders als in Deutschland stimmt jeder Bundesstaat einzeln ab. In sieben Staaten wird ein knappes Rennen erwartet: in Michigan, Wisconsin, Pennsylvania, North Carolina, Georgia, Nevada und Arizona. Dort sind die Umfragen äußerst knapp, meist im Rahmen der statistischen Fehlertoleranz. Kurzum: Harris hat eine imposante Aufholjagd geschafft - aber aus einer ziemlich aussichtslosen Position hin zu einer 50/50-Chance. Denn auch Trump hat nach wie vor seine Stärken.

Trumps Trümpfe: Wirtschaft, Einwanderung, innere Sicherheit

Diese Themen sind auch in diesem Jahr Wahlkampfschlager. Ob berechtigt oder nicht, eine Mehrheit der Amerikaner glaubt, dass Trump die Wirtschaft schneller wieder in Schwung bringen und die Zuwanderung effektiver begrenzen kann. Über die Grenze zu Mexiko kamen in den vergangenen Jahren Rekordzahlen an Menschen. Trump kombiniert das Thema mit der Angst vor Kriminalität. Die geht zwar tatsächlich zurück, doch ist die Angst vor Straftätern groß.

Biden bekam das Problem nicht in den Griff. Er beauftragte Harris damit, in den Herkunftsländern die Fluchtursachen zu bekämpfen. Doch dabei machte die Vizepräsidentin keine gute Figur. Allerdings hat Trump hier auch eine Schwäche. Demokraten und Republikaner hatten sich schon auf ein Maßnahmenpaket zum Grenzschutz geeinigt. Trump verhinderte dies in letzter Minute. Sein Grund: Wird das Problem gelöst, kann er nicht mehr damit Wahlkampf machen.

Die Wirtschaft ist dieses Jahr besonders wichtig, weil die Normalverdiener im Land noch immer unter der hohen Inflation leiden. Die ist zwar wieder einigermaßen abgeklungen, doch die einmal gestiegenen Preise bleiben hoch. Das merken die Kunden jede Woche im Supermarkt und an der Tankstelle. In einem Land, in dem viele ohnehin nur gerade eben mit dem Geld bis zum Monatsende auskommen, ist das für viele Thema Nummer eins. Trump versucht, Biden und Harris die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Auch wenn die Inflation in Europa ebenso grassierte und das viel mit der Corona-Pandemie zu tun hatte.

Und das sind nur die realen Themen, die Trump bespielt. Seine eigentliche Stärke bleibt das Gefühl vieler Trump-Wähler, nur er kämpfe für sie. Seine Botschaft: "Die da oben haben euch hängen lassen. Ich konnte das nicht mehr mit ansehen und setze mich für euch ein, die Vergessenen, die wahren Amerikaner." Das ist zwar höchst zweifelhaft, hat aber noch immer große Zugkraft. Wenn Harris daran etwas ändern will, hat sie an diesem Abend die größte Chance dazu.

Quelle: ntv.de

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