Politik

Revolution in Kairo wieder angefacht "Das war ein Militärmassaker"

Kairo am Abend in der Nähe vom Tahrir-Platz.

Kairo am Abend in der Nähe vom Tahrir-Platz.

(Foto: AP)

Demonstranten und Politiker werfen dem ägyptischen Militärrat vor, für das Blutbad im Stadion in Port Said verantwortlich zu sein. Bei Protesten in Kairo werden mindestens 20 Menschen verletzt. Im Parlament wird wütende Kritik an den Machthabern laut. Die reagieren mit der Entlassung von einzelnen Würdenträgern.

Die ägyptische Polizei hat Demonstranten in Kairo mit Tränengas auseinandergetrieben. Einem Bericht des staatlichen Fernsehens zufolge wollte die aufgebrachte Menge das Hauptgebäude des Innenministeriums in Kairo stürmen. Nach Angaben von Ärzten wurden mindestens 20 Menschen durch das Einatmen des Tränengases verletzt.

Nach den tödlichen Fußball-Krawallen waren tausende Menschen in Kairo gegen den regierenden Militärrat auf die Straße gegangen. Die Anhänger des Kairoer Fußballclubs Al-Ahli machten den Chef des Militärrats, Hussein Tantawi, für den Tod von mehr als 70 Fußballfans am Vorabend in Port Said verantwortlich. "Dies war kein Sportunglück, dies war ein Militärmassaker!", riefen die Demonstranten in Kairo, als sie vom Sitz des Fußballclubs zum zentralen Tahrir-Platz marschierten.

Ähnliche Vorwürfe hatten zuvor auch Politiker erhoben. In einer Sondersitzung des Parlaments in Kairo warfen Abgeordnete dem herrschenden Militärrat vor, für den Gewaltausbruch verantwortlich zu sein.

"Absichtsvolle Zurückhaltung"

"Diese Tragödie ist das Ergebnis absichtsvoller Zurückhaltung von Militär und Polizei", sagte der Abgeordnete Essam al-Erian von der islamistischen Partei "Freiheit und Gerechtigkeit". Die Militärregierung habe demonstrieren wollen, dass die weiterhin geltenden Regeln des Ausnahmezustands verlängert werden müssten.

Mehrere liberale ägyptische Parteien erklärten nach einem Treffen, der Militärrat trage die volle Verantwortung für die Ereignisse von Port Said. Die Behörden teilten unterdessen mit, dass die bisher untersuchten 51 Leichen Schuss- und Stichwunden aufwiesen.

Bereits am Mittwochabend hatte ein Abgeordneter der ägyptischen Sozialdemokraten, Ziad al-Elaimy, das Militär für die Ausschreitungen verantwortlich gemacht. "Was passiert ist, kann kein Zufall sein. Dieses Massaker und drei bewaffnete Überfälle passierten nur einen Tag, nachdem der Innenminister ins Parlament gekommen ist, um uns davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, den Ausnahmezustand aufrecht zu erhalten", sagte Al-Elaimy.

"Politischer Hintergrund ist wahrscheinlich"

Die Fans des attackierten Vereins Al-Ahli Kairo galten als Speerspitze der Revolution vom Kairoer Tahrir-Platz. Bei Anhängern der Revolution ist die Ansicht, dass "die Generäle" sich nun gerächt haben, daher weit verbreitet.

Experten halten das keineswegs für ausgeschlossen. "Noch kann man nur spekulieren. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Katastrophe politische Hintergründe hat, ist sehr groß", sagte Christian Wolf vom Institut für Politische Wissenschaft an der Uni Erlangen-Nürnberg.

Die Unterstützergruppe des ägyptischen Politikers Mohammed el-Baradei nannte die Gewalt in Port Said "eine Verschwörung, um Rache an den Ultras zu nehmen". El-Baradei war bis 2009 der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde. Ursprünglich wollte er bei den Präsidentschaftswahlen in Ägypten antreten, zog seine Bewerbung dann aber zurück.

Al-Masri-Ultras distanzieren sich

Die "Masri Ultras Green Eagles" distanzierten sich von der Gewalt in ihrem Stadion. "Unsere Gruppe hat nichts damit zu tun, was passiert ist", schrieben sie auf ihrer Facebook-Seite. Zugleich riefen sie zu einem Protestmarsch gegen Gewalt und für ein Ende der Militärherrschaft auf.

Fußballfans empfangen am Bahnhof in Kairo Verletzte aus Port Said.

Fußballfans empfangen am Bahnhof in Kairo Verletzte aus Port Said.

(Foto: dpa)

Augenzeugen hätten gesagt, dass die Sicherheitskräfte kaum etwas getan hätten, um die Gewalt zu verhindern, schreibt die Zeitung "Al-Masry Al-Youm". Sie zitiert einen Journalisten mit den Worten, die Angreifer seien nicht nur Fans der Mannschaft Al-Masri gewesen, sondern auch andere Personen.

Mehr als 70 Menschen waren am Mittwochabend nach einem Spiel der Vereine Al-Masri Port Said und Al-Ahli Kairo ums Leben gekommen. Unmittelbar nach dem Abpfiff des Spiels waren Anhänger von Al-Masri auf das Spielfeld gestürmt und hatten Fans und Spieler des Kairoer Clubs gejagt.

Die Polizei öffnete Randalierern die Tore

Unter Berufung auf Augenzeugen schreibt "Al-Masry Al-Youm", dass die Sicherheitskräfte "vollständig abwesend" gewesen seien, als das Spielfeld gestürmt wurde. Bereits zuvor soll es Al-Masri-Fans erlaubt worden sein, die Gäste-Tribünen zu betreten. Als das dritte Tor der Gastgeber von Fans auf dem Spielfeld gefeiert wurde, seien die Sicherheitskräfte nicht eingeschritten. Das Spiel endete 3:1, für Al-Masri ein ungewohnter Erfolg.

Ein Al-Ahli-Ultra sagte der Zeitung, seine Gruppe habe die Polizei gebeten, auf der Tribüne bleiben zu können, bis die Lage sich beruhigt habe. Die Polizei habe die Tribüne jedoch für Al-Masri-Fans geöffnet. Der Herausgeber der Zeitung "Al-Shorouk" sagte, die Polizei habe vor dem Spiel einen Hinweis erhalten, dass bewaffnete Ex-Häftlinge auf dem Weg zum Stadion seien.

Militär marschiert in Port Said auf

Die Militärregierung reagierte auf ihre Weise. Regierungschef Kamal al-Gansuri teilte mit, der Sicherheitschef von Port Said und die Führung des Fußballverbands seien ihrer Ämter enthoben worden. Der Gouverneur von Port Said sei zurückgetreten, sagte Al-Gansuri bei einer Sondersitzung des Parlaments.

Zudem rief der Militärrat eine dreitägige Staatstrauer aus. In Port Said marschierte Militär auf. Die größte Ausfahrtsstraße wurde abgeriegelt.

Quelle: ntv.de, hvo/AFP/sid

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